Wie Mädchen und Frauen kaputt gemacht werden

Szenenfoto aus einer Probe, nun tragen die drei Töchter legerere Kleidung
„Frau Zucker“ von Monika Helfer in einer Inszenierung vom integrativen „Wiener Vorstadttheater“ nun in Wien zu sehen.

Vier gleich gekleideten Männer mit gleichen melonenartigen Hüten sitzen vor einer Kiste, die ein wenig an eine Anklagebank erinnert. Sie sind – und bleiben – anonym. Sie (NaserAbuhelou, Ali Misbah, David Jarju, Recep Bektaş), die später als „die Höflichen“ benannt werden, kriegen von einem Zeitungsausträger (Duman Birifky) Exemplare verschiedener österreichischer Tageszeitungen ausgehändigt und beginnen Meldungen daraus vorzulesen – über Gewalttaten an Frauen von Indien bis Wien: Vergewaltigungen, Morde, sexuelle Ausbeutung.

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Düstere Aussichten

Am anderen Ende der Bühne: Ein Tisch, eine Glaskugel und Karten. Die Hellseherin (für die erkrankte Sirma Kapan ist kurzfristig Regisseurin Margaretha Neufeld eingesprungen) sagt der Hauptfigur, die auch dem von Monika Helfer vor vielen Jahren geschriebenen Stück den Namen gibt „Frau Zucker“ (Ronya Sel) Grausames voraus: Blut, Aasgeier. Die stehen für Zuckers fixe Idee, der Rache am angesehen Arzt der Gemeinde. Der Herr Doktor, der nie auftaucht, aber allgegenwärtig ist, hat alle drei nach Edelsteinen benannten Töchter der Frau Zucker – Rubin: Anis Hosseini, Jade: Satie Muradyan, 
Perle: Esra Orun – vergewaltigt und geschwängert. Und damit der Mutter jedes positive Gefühl geraubt. Sie kann nur mehr auf Rache sinnen. Gabelt dafür die nach einer Vergewaltigung von einem LKW gestoßene „kaputte“ Smaragd (Esra Karakas) auf, die sich kaum bewegen kann.

Gefühle geraubt

Doch Mutters Wunsch wurde zuvor schon erfüllt die extrovertierte Engländerin (Kerstin Reifberger) vergnügt sich auf der Kiste/Anklagebank, die nur zum Sarg wird). Doch Frau Zucker kann (noch immer?) keine Gefühle zeigen, weist den Wunsch jeder ihrer Töchter nach einer Umarmung brüsk ab. Beklemmend.

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Allgegenwärtig

Gewalt gegen Mädchen und Frauen passiert tagtäglich, weltweit. „Nur“ ein Bruchteil der Taten erreicht Medien und damit die Öffentlichkeit. Der Großteil fällt unter die sogenannten Dunkelziffern. Und den erleiden Mädchen und Frauen in den für sie gefährlichsten Orten, den eigenen vier Wänden, in der Familie oder im nahen Umfeld. Die Täter: Eben oft Verwandte oder auch honorige Männer im nahen Umfeld.

Das ist Thema des Stücks „Frau Zucker“, vor vielen Jahren von Monika Helfer geschrieben, nun vom integrativen Wiener Vorstadttheater in Szene gesetzt. Für die Premiere in der Sargfabrik (Wien-Penzing) war auch die Autorin extra aus Vorarlberg angereist.

Zur weltweiten, leider noch immer zu verzeichnenden Gewalt an Frauen und Mädchen passt genial, dass beim integrativen „Wiener Vorstadttheater“ stets Schauspieler_innen aus verschiedensten Ecken und Enden der Welt auf der Bühne stehen, hier haben die sieben Frauen und fünf Männer Wurzeln in Österreich, dem Iran, Afghanistan, Armenien, Gambia, Palästina, Kurdistan und der Türkei.

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Infos: Was? Wer? Wann? Wo?

Frau Zucker
von Monika Helfer

Regie: Margaretha Neufeld

Frau Zucker: Ronya Sel
Smaragd: Esra Karakas
Hellseherin: Sirma Kapan/ Margaretha Neufeld
Rubin: Anis Hosseini
Jade: Satie Muradyan
Perle: Esra Orun
Engländerin: Kerstin Reifberger
Männer: „Die Höflichen“: Naser Abuhelou, Ali Misbah, David Jarju, Recep Bektaş
Zeitungsausträger: Duman Birifky

Dramaturgie: Manfred Michalke
Regieassistenz: Hannah Glatz
Licht: Ihsan Azadi Yılmaz
Ton: Wolfgang Bachschwell
Bühnenbild & Kostüme: ART for ART

Wann & wo?
24. Oktober 2018; 18 Uhr
Häuser zum Leben: 1050, Arbeitergasse 45

16. November 2018; 19.30 Uhr
VZ Simmering: 1110, Gottschalkstraße 10

27. November 2018; 19.30 Uhr
Theater im Spielraum: 1070, Kaiserstraße 46

30. November 2018; 18 Uhr
3. Dezember 2018; 19.30 Uhr
Pädagogische Hochschule Wien: 1100, Grenzackerstraße 18/ Haus 4

Weitere Spieldaten:
www.wienervorstadttheater.com

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