Schwarze Stunden

Vivien Daniel liest ihren Text vor
Der Text der 3.-Platzierten des Schreibbewerbs bei den Erich-Fried-Tagen 2019.

Schwarze Stunden

Ich wusste nicht, was auf mich zukommt und wie sich mein Leben von diesem Tag an verändern würde.
Es begann alles damit, dass mein Papa und meine Mama sehr oft weg waren, sie sagten uns, mir und meinem Bruder Maik, nie, wohin sie fuhren, doch ein komisches Gefühl war es allemal. Irgendwas war los, ich wusste nicht genau was. Bis zu diesem Tag …

Ich saß in meinem Zimmer. Ahnungslos. Meine Mama rief zum Abendessen. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch setzten Maik und ich uns an den Tisch. Etwas war anders als sonst. Meine Eltern waren ruhig und nicht sehr gesprächig.

Bis mein Papa anfing zu reden: „Vivien, Maik, wir müssen euch was sagen.“ Meiner Mama kullerte eine Träne die Wange hinunter. In diesem Moment hatte ich Angst, fürchterliche Angst. Was wollten sie uns jetzt sagen? Ich hatte meine Mama noch nie weinen sehen. Mein Papa fuhr fort: „Die Mama ist krank.“ Erst wusste ich nicht, was ich damit anfangen sollte, bis wir erfuhren, was sie hatte: Krebs. Es war ein kleiner Schockmoment. Ich konnte es nicht wirklich begreifen, was mein Papa uns mitgeteilt hatte. Ich aß mein Abendessen zu Ende und ging danach sofort ins Bett. Früher als sonst, da ich keine Lust mehr hatte, mich mit etwas zu beschäftigen. Meine Gedanken kreisten die gesamte Zeit vor dem Einschlafen nur noch um das eine Thema.

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Die Autorin (rechts) und ihre Mutter über die sie geschrieben hat

Einen Tag darauf ging ich wie jeden Morgen in die Schule, doch ich war, was sonst nie der Fall war, ziemlich ruhig. Warum war das so schlimm und warum hatte meine Mama geweint? An diesem Tag habe ich meine erste Latein-Schularbeit geschrieben. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich dieses Fach hasse. Meine Freunde fragten mich, was los ist, denn so still bin ich selten gewesen. Ich antwortete gar nichts und ging weg. Ich wusste nicht wirklich, wie schlimm diese Krankheit sein konnte und nahm sie deswegen nicht so ernst. Bis ich darüber aufgeklärt wurde.

Erst dann verstand ich den Trubel, konnte ihn aber dennoch nicht nachvollziehen. Ich war nie wirklich traurig, weil ich immer daran glaubte, dass alles gut werden würde und ich hatte mich auch keineswegs in dieses Thema verbissen. Meine Freunde wussten eigentlich jedes Detail über die Krankheit meiner Mama, was mir in dieser Situation sehr geholfen hat. Ich konnte ihnen alles anvertrauen und so musste ich nie alleine mit meinen Sorgen kämpfen.

Ich habe meine eigenen Wege gefunden, mit dieser Schocknachricht umzugehen, ohne dass es irgendwen belastet. Meine Mama und mein Papa versuchten alles zu tun, damit wir Kinder so wenig wie möglich mitbekamen. Meine Mama versteckte immer vor uns, wenn es ihr schlecht ging. Natürlich bekamen wir dies meistens mit, dennoch tat sie alles dafür, uns keine Sorgen zu bereiten.

Ich habe mich dennoch immer gefragt, warum es ausgerechnet meine Mama sein musste. Sie war die einzige in unserer Familie, die Sport betrieb, und die einzige, die sich gesund ernährte. Sie hat nie geraucht oder etwas getan, was ihrer Gesundheit schaden könnte, dennoch hat es sie erwischt. Mein größtes Vorbild, meine Mama.

Das ist für mich Angst … mit der Sorge um meine Mutter zu leben.

Vivien Daniel
Musisches Gymnasium Salzburg

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