Fühlen uns mehr für die Seelen-Hygiene verantwortlich

Wir üben Masken und Distanz
Direktorin einer Wiener Volksschule zu den mehr als herausfordernden Hygiene- und Abstands-Regeln im Schulbetrieb.

Jedes Kind wandert mit seinem Teller mit Essen zu einem eigenen Tisch und isst alleine vor sich hin. Obwohl in einem Restaurant vier erwachsene Menschen – samt deren Kindern gemeinsam an einem Tisch sitzen dürfen. Letztere ab 15. Mai, Erstere ab 18. Mai – bzw. schon jetzt, weil Kinder ja schon die ganze Zeit in Schulen in Betreuung sein dürfen, etwa wenn ihre Eltern berufstätig sind.

Wie sich’s nicht nur beim Essen, sondern auch sonst auf den Gängen und im Schulhaus unter Einhaltung der Auflagen abspielen wird, das zeigen die zehn Kinder und die betreuenden Lehrer_innen sowie die Direktorin, die schon derzeit täglich die Volksschule Herzmanovsky-Orlandogasse in Wien-Floridsdorf bevölkern, auf – stellvertretend für sämtliche Standorte, die trotz der Corona Krise täglich die Schulen besuchen. Beim Foto-Shooting dafür wirken ja alle meist entspannt und ziemlich fröhlich.

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Essen - nur vereinzelt

Facility-Management statt Pädagogik?

„Es ist nun mal ein Unterschied, zehn Kinder unter Einhaltung der derzeit vorgeschriebenen Maßnahmen zu betreuen, als 150 Kinder von den 300 Kindern, welche im Normalfall die Schule besuchen. „Papier ist geduldig und theoretisch sind Zahlenmodelle jeglicher Art natürlich durchführbar. Allerdings arbeiten wir hier mit Kindern, deren Sinne täglich trainiert werden müssen. Die Kinder brauchen Mimik, Gestik, Bewegung, miteinander lernen, spielen und wir sollen sie dann nur auf Abstand halten und Hygiene-Maßnahmen einhalten.

Wir fühlen uns eigentlich als Pädagoginnen und Pädagogen mehr für die Seelen-Hygiene verantwortlich und sehen es nicht als unsere Aufgabe, als Facilitiy-Manager_innen zu agieren. Zurzeit erweckt es aber den Eindruck, dass Pädagoginnen und Pädagogen vorrangig als Fachpersonal für Hygiene eingesetzt werden. Unser Bildungsauftrag wird weitgehend durch Betreuung und Aufsicht ersetzt.“
Natürlich  versuchen alle im Schulbetrieb Verantwortlichen allen gesetzlichen Auflagen Genüge  zu tun, aber, so Petra Wind weiter „es sollte schon darüber diskutiert werden, in welchem Verhältnis Nutzen und Schaden, der durch die Einhaltung des Hygiene Maßnahmenkatalogs bei den Kindern angerichtet werden kann, stehen. Wir haben Kinder, die zu Hause verängstigt sind und weinen, weil sie fürchten, dass es gefährlich ist, mit den Freunden zu spielen.“

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Abstand halten

Raum-privilegiert

Wir sind eine der wenigen Schulen in Wien, die sowohl Raum im Schulgebäude haben als auch außerhalb der Schule. Vor allem innerstädtische Schulen haben das Privileg „Platzvergnügen“ nicht.
Wir haben sogar zwei Speisesäle und einen relativ großen Garten. „Aber selbst das wird alles eng, wenn wir dann ab 18. Mai 150 von unseren 300 Kindern von Montag bis Freitag im Haus haben. Am Nachmittag sind’s noch einmal weniger, ein bisschen mehr als ein Drittel, wenn wir die Kinder auf zwei Schichten essen lassen, wird sich’s mit dem Abstand ausgehen. Aber was machen Schulen, die viel weniger Platz und keinen Außenbereich haben?“

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Fühlen uns mehr für die Seelen-Hygiene verantwortlich

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Personal-Engpass

Und wie in vielen Schulen Wiens wird es mit dem Personal eng werden, „ich hab Lehrer_innen, die zur Risikogruppe gehören und daher nicht arbeiten dürfen. Wir hoffen auf Studierende, wissen aber noch gar nicht, ob diese ihr Praktikum machen können.“ Seitens des Bildungsministeriums kommen außerdem die Überlegungen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen (schwerstbehinderte Kinder, Autisten, …) viel zu kurz. Viele dieser Kinder reagieren nur auf besondere Sinnesreize. Ein Unterricht auf Distanz ist in diesen Fällen eigentlich nicht möglich. Für diese betreffenden Pädagog_innen gibt es aber weder im pädagogischen noch im hygienischen Bereich praxisnahe Überlegungen bzw.  Unterstützung seitens des Schulerhalters.

Abschließend ergänzt die Volksschuldirektorin aus Floridsdorf: „Viele der Schulstandorte, vor allem die neuen Schulen in Wien, verfügen nicht mehr über Wasser in den Klassen. Die meisten Schulen haben kein Warmwasser in den Klassen, nur in den WC-Anlagen einen Warmwasserhahn. Die Hygiene-Maßnahmen sehen jedoch vor, dass alle im Schulhaus befindlichen Kinder regelmäßig mit warmem Wasser und Seife ihre Hände waschen. Dieses Beispiel zeigt die Schere zwischen Theorie und Praxis.“

Follow@kikuheinz

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