Begegnungen mit der virtuellen „Realität“

Drahtgittermodell eines Wohnzimmers aus „Memories of Borderline“.
Drei Performances an - und über - der Grenze von Theater und Virtual-Reality-Computerspielen.

In welcher Realität leben wir, in welcher wollen wir leben? Wie werden sich Computer- und virtuelle Welten auf den Bühnen auswirken, abspielen? Und zwar jenseits schon lange angewandter digitaler Bühnen-, Licht- und Tontechnik. Während das Eröffnungsstück des zehnten Schäxpir-Festivals, „Homo Deus Frankenstein“, Fragen dazu noch „nur“ mit Video, Musik und Schauspiel zu ergründen suchte, standen mehrere Performances auf dem Programm, die das Publikum direkt in die digitale, virtuelle Welten eintauchen ließen. Schauspiel Dortmund und „Cyberräuber“ boten mit „Memories of Borderline“ sowie „Meet Juliet | Meet Romeo“ VR-Brillen samt Joystick an, mit denen sich jeweils zwei Besucher_innen gleichzeitig durch Gitterpunktwelten beamen konnten. Im ersteren anfangs durch Reste einer (Theater-)landschaft zwischen Computer-Gitterpunkt- und -linien und später derselben Umgebung überzogen mit Bildern einer ausgebrannten, übriggebliebenen, menschenleeren Welt. Nach der Apokalypse? Philosophische Texte über Logik und deren Überwindung, Grenzen zwischen Ich und der Welt oder Ich und ich... - aus den Dortmunder Stücken „Die Borderline Prozession“ und „Hell, ein Augenblick“, u.a. vom künftigen Wiener Volkstheaterdirektor Kay Voges.

Virtuelles Liebespaar

Herkömmlichem Theater affiner die zweite VR-Begegnung. Personal aus Shakespeares „Romeo und Julia“ taucht auf und die Wanderung durch den virtuellen Raum gleicht einem Museum mit Bildern und Skulpturen aus und rund um den Kosmos dieses Stücks. Manchmal überwindet ein Beamen mit dem Joystick die Grenzen dieses „Museums“ und du landest im Sternennebel, in einem abgefuckten Gebäude, in dem die theatral gekleideten Personen als Fremdkörper wirken... Irgendwie wird auch mehrmals der Zusammenhang Liebe, Hass und Tod aus dem Romeo&Julia-Stoff thematisiert.

Beim Treffen mit dem vielleicht berühmtesten Liebespaar der in dem Sinn ja auch virtuellen Welt von Anfang an, kann nach der VR-Brillen-Sequenz auf einem Sofa sitzend dem nachfolgenden VR-Paar zugeschaut werden - aus der analogen Welt.

Zwei Personen sitzen auf einem Sofa und schauen auf eine Leinwand mit der Aufschrift „It will end in tears“.

Nur mehr Maschinen

Einen großen Schritt weiter geht das französische Théâtre Nouvelle Génération / CDN de Lyon in "Artefakt". Auf drei „Bühnen“ spielen nur mehr unterschiedliche Maschinen: Eine Station ist ein klassischer Industrieroboter, der hier allerdings mit Figuren und Kulissenteilen „spielt“. Teile, die zuvor in kleineren Stationen hinter Glas von 3D-Druckern produziert werden. Bei diesen kleineren Stationen, bei denen das Publikum im Kreis rund um diese Vitrinen sitzt, werden Gedanken aus Textbausteinen rund um Theater zitiert. Manche hat das Theaterteam bei Chatbots im Internet gefunden.

Würden künstliche Intelligenz, Computer, Maschinen überhaupt Theater machen und wenn ja wie? Das waren Fragen, die sich die französische Gruppe stellte, bevor sie ans Werk der Programmierung, Gestaltung und Textierung dieses menschenlosen „Stücks“ ging.

Auf einer Bühne sitzen Menschen vor geometrischen, farbig beleuchteten Objekten.

Ein Industrieroboter steht zwischen einem 3D-Drucker und verschiedenen Objekten auf Tischen.

Ein 3D-Drucker unter einer grünen Lampe druckt ein Objekt.

Eine Gruppe von Zuschauern beobachtet eine Nebelmaschine in einem abgedunkelten Raum.

Ein Roboterarm hält einen durchsichtigen Schädel in blauem Licht.

Auf einer Bühne sitzen Personen mit Kopfhörern unter roter und grüner Beleuchtung.

Ein KUKA-Roboterarm steht hinter einer Reihe von Miniaturfiguren.

Ein Schädel ist an einer Maschine befestigt, während im Vordergrund ein Miniaturfriedhof zu sehen ist.

Zuschauer sitzen in einem abgedunkelten Raum mit blauer und oranger Beleuchtung.

Blauer Rauch steigt von einem Tisch in einer dunklen Umgebung auf.

Ein Roboterarm hält einen Schädel über einer Miniatur-Friedhofsszene, beleuchtet in blauem Licht.

Zuschauer beobachten eine orangefarbene Roboterkonstruktion in einem dunklen Raum.

Zuschauer sitzen in einem abgedunkelten Raum vor einer leuchtenden Installation.

Zuschauer beobachten eine Performance mit einem Roboterarm und 3D-Drucker.

Ein Roboterarm und ein 3D-Drucker stehen auf Tischen, beleuchtet von Scheinwerfern.

Eine Person mit Kopfhörern im blauen Licht, im Profil gesehen.

Eine Installation mit Textprojektionen im Dunkeln.

Ein KUKA-Roboterarm in einer dunklen Umgebung mit verschiedenen Objekten auf einem Tisch.

Ein KUKA-Roboterarm steht auf einem Tisch neben einer Miniatur-Szenerie.

Ein Industrieroboter bearbeitet kleine, weiße Architekturmodelle mit einem Wasserstrahl.

Ein Roboterarm hält einen Schädel in einer nebligen Friedhofsszene.

Infos: Was? Wer?

Memories of Borderline
Schauspiel Dortmund (Deutschland)
Ab 14 Jahren; 20 Minuten

Autoren: Kay Voges, Dirk Baumann, Alexander Kerlin
Produktion: Schauspiel Dortmund
Regie: Kay Voges
Technik & 360° Kamera: Björn Lengers & Marcel Karnapke (CyberRäuber)
Videokunst & Bewegungserfassung: Mario Simon
Fotografie & Lichtdesign: Voxi Bärenklau
Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch
Kostüme: Mona Ulrich
Musikkomposition: Tommy Finke
Programmierung: Lucas Pleß

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Meet Juliet | Meet Romeo
CyberRäuber - Theater der virtuellen Realität (Deutschland)
Ab 12 J. ca. ¾ Stunden

Entwicklung & Konzept: Björn Lengers & Marcel Karnapke (CyberRäuber)
Regie: Branko Janack
Darsteller_innen: Bastian Heidenreich, Julius Kuhn, Lutz Salzmann, Isabel Tetzner, Dascha Trautwein
Musik: Max Nübling
Visual Consulting: Cleo Niemeyer
Produktion: CyberRäuber, Kunstfest Weimar

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Artefakt
Théâtre Nouvelle Génération / CDN de Lyon (Frankreich)
ca. eine Stunde

Text & Regie: Joris Mathieu
Keine (menschlichen) Darsteller_innen
Szenische Einrichtung: Nicolas Boudier, Joris Mathieu
Bühne & Licht: Nicolas Boudier
Videoprogrammierung: Loïc Bontems
Video: Siegfried Marque
Komposition: Nicolas Thévenet
Robotertechnik: Clément-Marie Mathieu
Inspizienz & 3D-Drucker: Gérald Groult
Kontrollzentrale: Basile Verrier

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