Auf der Suche nach den Schuldigen

Jeden Montag teilt Chefredakteur Martin Gebhart im Hauptsache KURIER Newsletter persönliche Einblicke, Hintergrundgeschichten und Begegnungen, die sonst „off air“ bleiben.

Wenn eine Woche politisch so schief läuft, wie die vergangenen sieben Tage für die ÖVP, das Finanzministerium und die Bundesländer, dann beginnt automatisch die Suche nach Schuldigen. Im Fall des zurückgetretenen Wirtschaftskammerpräsidenten Harald Mahrer scheint das ein einfacher Fall zu sein. Er selbst hat die Sprengkraft der Gehaltserhöhung für die WKO-Mitarbeiter um 4,2 Prozent nicht gesehen, hat in der Folge die massive Anhebung der Funktionärszulagen auf allen Ebenen umgehängt bekommen - natürlich auch wegen seiner Mehrfachjobs - und war schließlich davon ausgegangen, dass eine überstandene Vertrauensfrage alles wieder vergessen lässt. Das Endergebnis ist bekannt, am Donnerstag hat Harald Mahrer seinen Rücktritt bekanntgegeben. 

Wer in der Wirtschaftskammer und in der ÖVP geglaubt hat, dass alles erledigt ist, wenn Harald Mahrer weg ist, der irrt gewaltig. Die Wirtschaftskammer muss jetzt die durch das Gehaltsplus ausgelöste Schieflage erst wieder gerade bügeln. Das wird ohne gröbere Neuaufstellungen und Änderungen nicht möglich sein. Zu groß ist der Unmut vieler Unternehmerinnen und Unternehmer über das, was im Zuge der Gehaltserhöhung publik geworden ist. Eine innere Revision muss aber auch in der ÖVP angesagt sein. Wirklich zielgerichtet ist die vergangene Woche nicht abgelaufen, vor allem was die Kommunikation betrifft. Immerhin ist mit Harald Mahrer der Obmann des Wirtschaftsbundes und damit eine der wichtigsten Personen in der Bundespartei im Visier gestanden. Als die Affäre um das Gehaltsplus öffentlich geworden war, sollen ÖVP-Regierungsmitglieder auf ein gemeinsames Wording von der zentrale Kommunikation der Regierung oder aus der Bundespartei gewartet haben, um bei etwaigen Anfragen am Rande von Pressekonferenzen gewappnet zu sein. Gekommen sei kaum etwas. Nach der überstandenen Vertrauensfrage waren Generalsekretär Nico Marchetti und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer zaghaft und sehr wortkarg als Unterstützer für Harald Mahrer ausgerückt. Am selben Tag sorgten jedoch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und ihr Kollege aus Oberösterreich, Thomas Stelzer, dafür, dass der Rücktritt eingeleitet wurde. Wirklich koordiniert war diese Vorgangsweise nicht. Und so sehr jetzt die Kommunikationsabteilung der Wirtschaftskammer kritisiert wird, weil sie beim Aufkommen der Gehaltsaffäre auf Tauchstation und nicht in die Offensive gegangen war, so sehr müssen sich die Kommunikatoren der ÖVP hinterfragen, ob sie Krisenkommunikation tatsächlich gut können. Wie gesagt: Es wird nach Schuldigen gesucht.

Das Problem haben auch das Finanzministerium und die Bundesländer. Da war gezielt vor der Landeshauptleutekonferenz lanciert worden, dass wegen der Landesbudgets die Verschuldung des Staats höher sein wird als angenommen. Tagelang konnten weder das Ministerium von SPÖ-Minister Markus Marterbauer noch die Landeshauptleute genau sagen, was hinter dieser Prognose steckt. Bis zum heutigen Tag ist noch immer nicht ganz klar, womit jetzt tatsächlich gerechnet werden muss. Empörung wurde vor allem in Wien breit, weil die Bundeshauptstadt als Schuldige für das Wachsen des Budgetlochs ausgemacht worden ist. SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und sein Team rückten sofort dagegen aus und wollten sich den schwarzen Peter nicht umhängen lassen. Bei der Landeshauptleutekonferenz am Freitag in der Steiermark soll es deshalb hinter verschlossenen Türen heftig gekracht haben. Einige Landeshauptleute sollen noch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag den Finanzminister zu einem intensiven Gespräch gebeten haben, um die Verwerfungen der Tage davor zu besprechen. Ins Visier von Wien und Niederösterreich ist Neos-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger geraten, weil sie in einem Interview in der Kleinen Zeitung das Finanzproblem in Richtung Länder abgeschoben hatte. Auf die Neos sind einige Landeshauptleute überhaupt nicht gut zu sprechen, weil alle pinken Landesparteivorsitzenden am Samstag in einer gemeinsamen Stellungnahme die Länderchefs wegen der Finanzen in die Pflicht genommen haben. Bei den Unterzeichnern ist auch Bildungsminister Christoph Wiederkehr als Wiener Landeschef zu finden, obwohl die Neos in Wien mitregieren. In der gemeinsamen Pressekonferenz nach der Landeshauptleutekonferenz in Seggau wurde letztlich von beiden Seiten betont, dass man gemeinsam an der Sanierung des Staates weiterarbeiten werde. In diesen Chor der Einigkeit stimmte sogar der steirische FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek, bis Ende des Jahres noch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, ein. Die Schuldfrage im Zusammenhang mit dem wachsenden Budgetloch ist allerdings noch immer nicht ganz geklärt.

Unterm Strich ist jedenfalls klar: Diese Themen werden uns noch länger beschäftigen, auch wenn sie viele gerne schon abgehakt werden. Mit der Hoffnung, dass am Ende nicht nur die Schuldfragen geklärt, sondern auch Lösungen präsentiert werden können, wünsche ich Ihnen wie jeden Montag eine erfolgreiche Woche. Diesmal trotz des schlechten Wetters.