Schellhorn, Kurz & Kern - ein wilder Ritt

Jeden Montag teilt Chefredakteur Martin Gebhart im Hauptsache KURIER Newsletter persönliche Einblicke, Hintergrundgeschichten und Begegnungen, die sonst „off air“ bleiben.

Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn mehr über Personalia als über Inhalte diskutiert wird. Dass die drei Regierungsparteien in den vergangenen Wochen aus dem Tritt geraten sind, unterstreichen die Spekulationen rund um persönliche Konflikte bzw. mögliche Rückkehrer. Nach den ersten Tagen von Bundeskanzler Christian Stocker im Kanzleramt am Ballhausplatz ist es zwar in der ÖVP wieder etwas ruhiger geworden, die Diskussionen haben aber nicht aufgehört. Dazu trägt allerdings auch ein wenig sein engeres Umfeld bei. Bei der SPÖ ist die Debatte um Parteichef Andreas Babler um einiges heftiger, im Bundesparteivorstand kann er sich aber noch immer behaupten. Die Neos sind zwar in solche Kontroversen noch nicht verstrickt, schaffen es aber immer wieder, sich persönliche, innerparteiliche Konflikte aufzuhalsen. Aber der Reihe nach.

Beginnen wir mit Neos-Staatssekretär Sepp Schellhorn. Der hat in der Vorwoche seine 113 Vorschläge für Entbürokratisierungs-Maßnahmen in den Ministerrat eingebracht und damit - wie von ihm versprochen - noch vor Weihnachten den ersten Schub geliefert. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Die einen applaudierten, den anderen war das noch nicht weitreichend genug. Tatsache ist, dass in dem Papier schon einiges steckt, dass die Menschen von bürokratischem Alltagskram befreit. Es ist zwar nicht der große Wurf, den dann die Strukturreformen 2026 bringen sollen. Aber es ist oft mühsamer, 113 kleine Maßnahmen auf den Punkt zu bringen als eine große Geschichte. So weit, so gut. 

Wozu hat das bei den Neos geführt? Anstatt sich voll hinter ihr Regierungsmitglied zu stellen, was angesagt gewesen wäre, bleibt ein Konflikt zwischen Sepp Schellhorn und dem pinken Mandatar Nikolaus Scherak übrig, weil Schellhorn in einem Interview die Agenda Austria kritisiert hat. Wo übrigens sein Bruder Franz Schellhorn arbeitet. Insgesamt gab sich Sepp Schellhorn nach der Präsentation der 113 Punkte sehr zurückhaltend. Da hat man ihn schon anders erlebt. Die Neos müssen sich aber insgesamt klar werden, ob sie wirklich hinter ihm stehen oder nicht.

Dann zur ÖVP. Wie ein Schatten verfolgt die Partei das Gerücht, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz an die Spitze zurück will. Mittlerweise wird in internen Kreisen sogar genau aufgezählt, welche Bundesländer für ihn wären und welche nicht. Seine stärkste Basis dürfte er in Niederösterreich haben. Er selbst gibt sich immer zurückhaltend, seine Umgebung ist bei diesem Thema offensiver. Jetzt hat Kanzler Christian Stocker in einem Interview mit der Krone auf die ständig wiederkehrende Frage nach Sebastian Kurz mit wenigen Sätzen klargestellt, dass sich dieser in der Privatwirtschaft sehr wohl fühle und nicht an eine Rückkehr denke.

Ebenfalls in der Krone wurde das Thema aber wieder aufgekocht, weil Hans Mahr in einem Podcast die Kurz-Spekulationen wieder anheizte. Interessanterweise ist das der Podcast des Kommunikationsberaters von Kanzler Stocker, Gerald Fleischmann. Dieser war bereits unter Sebastian Kurz Kommunikationschef in der ÖVP. Das ist schon eine eigenartige Kombination, wenn auf der einen Seite eine Diskussionen für beendet, auf der anderen Seite aber angeheizt wird. Jetzt muss man zur Verteidigung von Fleischmann sagen, dass er in dem Gespräch mit Hans Mahr die Position des Kanzlers eingebracht hat. Andererseits hat sich die Krone - logischerweise - auf die Spekulationen mehr gestürzt als auf die Berichtigung. Klar ist, dass man so ein Thema nicht los werden wird. Deswegen sind einige in der ÖVP über dieses Fleischmann-Interview sehr verärgert.

Und dann sind da noch die Erzählungen rund um Christian Kern, dem ehemaligen SPÖ-Kanzler. Was Kurz für die ÖVP ist, scheint er für die SPÖ zu sein. Ein Schatten, der nicht abzuschütteln ist. Auch  er dementiert, wenn er nach irgendwelchen Ambitionen gefragt. Mittlerweile gibt es aber genug Funktionäre, die von Abendessen berichten, wo das anders geklungen hat. Sein stärkste Basis dürfte er auch in Niederösterreich haben, wobei auch das Burgenland hinter ihm steht. Zuletzt wurde sogar kolportiert, dass insgesamt acht Landesparteien bereits seine Rückkehr wollen und nur noch Wien sich dagegen sträubt. Das scheint doch ein wenig übertrieben. 

Ein langjähriger SPÖ-Funktionär und wirklicher Insider jedenfalls hat zuletzt die Situation gegenüber dem Autor so beschrieben: "Die Rückkehr von Christian Kern ist sehr unwahrscheinlich. Würde er Andreas Babler in der Regierung ablösen, so wäre er nur Vizekanzler und es besteht die Angst für ihn, neben dem Kanzler politisch zu verglühen. Also bliebe nur die Option, Neuwahlen auszulösen. Und das werden Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und die Gewerkschaft nicht zulassen. Also bleibt sein Name bloß ein Gerücht." Außerdem habe Babler noch immer eine starke Basis. Das habe sich zuletzt mit dem Vorstandsbeschluss, Palästina als Staat anzuerkennen, gezeigt.

Für die Regierungsarbeit sind solche Spekulationen jedenfalls nicht hilfreich. Ins Eck stellen kann sie diese aber nur dann, wenn wieder Themen die Diskussionen beherrschen.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche - trotz der Hektik, die immer vor Weihnachten hereinbricht.