"Wann kommt der nächste Michelin Österreich, Mister Ellis?"

Der Kongress der Jeunes Restaurateurs d'Europe in Salzburg. Großes Zusammentreffen europäischer Sterne- und Haubenköche unter 45. Netzwerken, Inspiration, Gespräche und ein beeindruckend choreografiertes Programm. Unter den Gästen des Kongresses Willi Klinger von der Österreichischen Wein Marketing und der Chef aller Guides Rouges, also der gefürchteten und gehassten wie auch geschätzten Michelin Restaurant Führer. Sie vergeben Sterne, Höchstnote 3 Sterne für die weltbesten Restaurants. In Österreich gibt es seit fünf Jahren keinen Michelin-Guide, nur die Städte Wien und Salzburg werden im Michelin Cities of Europe erwähnt. Hier sind die höchstbewerteten Restaurants das Steirereck und das Silvio Nickol mit jeweils zwei Michelin Sternen.
Michael Ellis verkörpert nicht das Klischeebild des Restaurantkritikers. Braungebrannt und schlank, er könnte auch einer Joghurt-Company vorstehen.
KURIER: In Europa tobt die Krise. Spitzenrestaurants leiden unter den Rückgang der Geschäftsessen. Wie sehen Sie die Zukunft der Hochgastronomie?
Michael Ellis: Was Sie sagen, ist wahr. Dennoch bin ich optimistisch. Es ist eine kleine Revolution im Gange. Während der vergangenen Jahre sind aus normalen Küchenchefs Celebrities geworden.
Was raten Sie jemandem, der heute ein Restaurant aufsperrt?
Das wichtigste sind nicht Bewertungen, sondern, dass das Restaurant jeden Tag ausgebucht ist. Dazu braucht es ein eindeutiges Angebot. Wer gut kocht und das zu einem fairen Preis anbietet, muss sich nicht viele Sorgen machen.
Man hat den Eindruck, dass den Restaurants die jungen Gäste abhanden kommen ...
Natürlich gehen die Leute erst ab einem gewissen Alter in Sterne-Restaurants. Wer jünger ist, will es ungezwungener und preiswerter. Doch dann kommen sie auf den Geschmack. Sie folgen der "food-chaine" bis in die Hochgastronomie. Mit 35 Jahren sind sie dann auch Gäste in den besten Restaurants.
Ein Restaurant braucht jedenfalls ein klares Angebot für die Gäste seiner Zielgruppe ...
So ist es.
Und der Michelinführer selbst? Sie veröffentlichen parallel zum Erscheinen der Guides die Bewertungen im Internet. Um sich zu finanzieren, wollen Sie den Restaurants diverse Angebote machen: Online-Bestellung, Verlinkung und so weiter ...
Das ist unser neues Geschäftsmodell.
Und was, wenn die Restaurants bei diesem Modell nicht mitmachen?
Dann haben wir ein Problem. Denn die Zukunft der Printprodukte ist nicht gerade gut.
Die Produktion des Michelin ist ja nicht billig. Die sogenannten Inspektoren sind angestellt. Sie haben hohe Spesen.
Allerdings. Aber der Michelinführer wurde auch nie als Profitcenter gesehen. Es war ein Service eines Reifenproduzenten für Autofahrer, wie Sie wissen. Man listete Autoreperaturwerkstätten, Tankstellen und Hotels auf. Und eben Restaurants, die mehr als den Durchschnitt boten.
Ein Michelintester besucht am Tag zwei Restaurants. Wie oft gehen Sie eigentlich essen?
Ich gehe nur einmal am Tag essen. Die meisten Tester sind Profis, ehemalige Köche. Und die haben offenbar einen anderen Metabolismus (lacht). Ich laufe täglich sechs Kilometer. Wenn es sein muss, auch spätabends.
Michelin startete vor einigen Jahren in Österreich. Der Erfolg war mäßig. Dann wurde die Österreich-Ausgabe wieder eingestellt.
Ja, das war 2009. Das Jahr des Sparens.
Jetzt fragen sich vor allem viele Spitzenköche, wann es wieder eine Österreich-Ausgabe geben wird. Darf ich Sie fragen?
Nun, der Konzern hatte 2012 ein gutes Jahr. Die Krise scheint vorbei. Wir beobachten Österreich. Aber es gibt dazu keine Entscheidung. Allerdings ist auch nichts vom Tisch.
Es heißt, dass in Ländern, wo es keinen eigenen Guide gibt, es nie ein 3-Sterne-Restaurant geben wird. Das sei Michelin-Politik.
Stimmt nicht. Wenn unsere Tester in Warschau ein Restaurant mit 3 Sternen finden, wird es sie bekommen.
Also keine Entscheidung zum Thema Österreich. Was sind Ihre Pläne?
Wir gehen dorthin, wo die Gastronomie vibriert. Das ist zur Zeit in Japan der Fall. Dort haben sie eine unglaubliche Restaurantkultur. Weil die Wohnungen so klein sind, trafen sich die Japaner immer schon im Restaurant. Sie gehen viel aus. Und sie haben tolle Kochtechniken und einen wahnsinnigen Respekt vor dem Produkt.
Wo gehen Sie eigentlich am liebsten essen?
Ich gehe am liebsten in die Bib Gourmands (Anm.: preiswertes gutes Essen). Wenn Sie nach Paris kommen, zeige ich Ihnen welche.
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