Erdiger Charme seit fast 100 Jahren

Cafe Industrie, Kaffeehaus Wien, Kaffeehäuser Wien, Kaffeehaustradition
Das Café Industrie will sich wieder für ein breiteres Publikum bekannt machen.

Zu den Außenseitern der KURIER-Kaffeehauswahl gehört ein Beisl im 5. Bezirk: „Ringstraße des Proletariats“, nennt man den Margaretengürtel wegen seiner hohen Gemeindebau-Dichte. Das dazugehörige Landtmann heißt „Café Industrie“ und befindet sich seit fast 100 Jahren am Beginn der Arbeitergasse.

Echter Wiener

Ursprünglich Arbeiter war auch der berühmteste Stammgast des ewig rauchgeschwängerten Vorstadt-Beisls: Ernst Hinterberger, gleich ums Eck im Gemeindebau zu Hause und Schöpfer des Echten Wieners und des Kaisermühlen Blues. „Er saß mit seinem Schreibblock stundenlang ganz hinten im Eck beim Kaffee“, erinnert sich Chefin Ruth Binder. „Er war zwar nicht der geselligste Mensch, aber sehr nett.“ Und hier habe der Vorstadt-Literat auch die Vorbilder für seine berühmten Figuren gefunden, erzählt Binder. „Den ,Fünfer’ aus dem Kaisermühlen Blues hat es wirklich gegeben. Er hieß ebenfalls Franzi und lebte hier im Grätzl.“

Vor zwei Jahren hat Binder das Café Industrie von ihrer Mutter übernommen. Hatte das Lokal über viele Jahre den Ruf eines besseren Branntweiners, will sie es jetzt wieder für ein breiteres Publikum interessant machen. Mit regelmäßigen Live-Konzerten (am Programm steht Blues, Jazz und Country) sowie Lese- und Kabarett-Abenden.

Für kommenden Oktober, am Geburtstag von Ernst Hinterberger, ist eine Lesung mit Texten des berühmten Industrie-Stammgastes geplant.

So manch anderer der einstigen spätabendlichen Besucher passte freilich nicht mehr ganz zu dem neuen Image, das Binder dem Industrie verpassen will. „Aber meine Damen sind sehr souverän: So schnell kann einer gar nicht schauen, wie er wieder draußen ist“, zwinkert sie ihrer Kellnerin zu.

Das Ergebnis der KURIER-Kaffeehauswahl lesen Sie am Mittwoch.

Kommentare