Die echte Gräfin von Downton Abbey: „Wir träumen alle vom Cottage am Land“

Highclere Castle
Lady Fiona, Countess of Carnarvon, lebt mit ihrem Mann, dem 8. Earl of Carnarvon, auf Highclere Castle, jenem englischen Herrenhaus, das heute eng mit der Adelsserie verbunden ist. Zum Start des Kinofilms „Downton Abbey: Das Große Finale“ sprach die Gräfin mit der über den Drehalltag, Erinnerungen an Maggie Smith und Kindheitsträume. .

Nur wenige Orte sind derart bekannt, dass ihr Anblick eine Titelmusik heraufbeschwört. Doch wenn die honigfarbenen Türme von Highclere Castle am Ende des Kieswegs auftauchen, kommt man nicht umhin das Intro von „Downton Abbey“ zu summen. Untrennbar ist die historischen Serie rund um die Höhen und Tiefen der Adelsfamilie Crawley mit dem englischen Herrenhaus eineinhalb Autostunden westlich von London verbunden.

Am 11. September kommt der dritte und voraussichtlich letzte Film in die heimischen Kinos „Downton Abbey: Das Große Finale“. Ein paar Tage zuvor hat die Hausherrin Lady Fiona Carnarvon in ihrem Anwesen zum Nachmittagskaffee getroffen.

FREIZEIT: Wie fühlt es sich an, wenn das eigene Zuhause in die Wohnzimmer der ganzen Welt projiziert wird?

Lady Carnarvon

Am Anfang war es wirklich surreal. Ich musste mich erst daran gewöhnen. Aber inzwischen ist es normal geworden. Ob die Menschen heute wegen „Downton Abbey“ oder Highclere Castle zu uns kommen, das bleibt ihnen überlassen. Wir sind ein Schloss für alle.

Vogelperspektive auf Highclere Castle.

Für die Welt ist es Downton Abbey, für Lady Carnarvon Highclere Castle.

Nach sechs Staffeln und zwei Filmen kehrte die Besetzung von „Downton Abbey“ – Hugh Bonneville, Michelle Dockery oder Lily James – für einen dritten Film zurück. Wie war es, alle wiederzusehen?

Es war wunderbar, wie ein Klassentreffen. Für einen normalen Hollywood-Film wird ein Drehort vielleicht zwei, drei Wochen genutzt, aber Highclere ist untrennbar mit „Downton“ verbunden. Als die TV-Serie gedreht wurde, blieben die Schauspieler jeweils sechs Monate für eine Staffel. Es gab einen eigenen Rhythmus – und in den fällt man wieder hinein. Man weiß, wo alles steht, wann die Vans rollen. Es gibt einen sehr netten Kaffee-Mann, der herrlichen Ingwersaft macht. Und die Sprache! „Und wir drehen“, „Ruhe bitte!“, „Alles im Kasten“ … Wie ein Code, den man wieder aufgreift.

Der neue Film spielt in den 1930er-Jahren. Im Trailer sehen wir Eindrücke eines bunten London, und dass Lord Grantham, die Zukunft des Hauses in die Hände seiner Tochter Mary legt. Neue Zeiten für Downton ...

Ach, aber in diesem Haus bleibt doch immer alles irgendwie beim Alten. Und ich finde das beruhigend – in einer Welt, in der sich alle Werte und Selbstverständlichkeiten ändern, bleibt es bestehen. Ich liebe die Bäume, das Grün, die Rasenflächen. Sie stehen hier seit Jahrhunderten und wir sind nur „kleine betrunkene Mäuse“, wie Chaucer sagte. Dieses Schloss gibt es seit 1.300 Jahren, es hat seine Form verändert, wurde recycelt, umfunktioniert, aber es ist immer noch präsent. Dort, wo Sie sitzen, ist schon jemand im Jahr 800 n. Chr. gesessen. Ist das nicht eindrucksvoll?

Lady Carnarvon mit ihrer Rosenzucht.

Lady Carnarvon liebt die Natur in und um Highclere.

Geschichten werden von Orten wie von Personen geprägt. Eine Person, die für „Downton Abbey“ von unschätzbarem Wert war, hat diesmal leider gefehlt. Maggie Smith (sie spielte Gräfinwitwe Violet Crawley) ist vergangenen September verstorben ...

Es war wirklich traurig, dass sie nicht da war. Und gleichzeitig hat sie bis zu den letzten sechs Monaten ihres Lebens ein erfülltes Leben geführt und weitergespielt. Sie hatte eine solche Präsenz, hat den weniger erfahrenen Schauspielern den Weg gewiesen. Sie war ihr ganzes Leben lang eine Ikone – sowohl im Film als auch im Fernsehen.

Gibt es einen besonderen Moment, an den Sie sich mit ihr erinnern?

Ich erinnere mich an eine der ersten Szenen, als sie Mrs. Crawley (eine entfernte Verwandte) und Matthew Crawley (der Erbe von Downton) vorgestellt wurde. Maggie Smith stand direkt neben mir und sagte: „Was meinst du, soll ich die Hand geben?“ Damals war ich nicht besonders besorgt, es war der Beginn einer neuen Serie. Heute würde ich denken: Oh Gott, was soll ich sagen? Es war einer dieser surrealen Momente: Sie war eine außergewöhnliche Schauspielerin und gleichzeitig jemand, der neben mir stand.

Portrait von Schauspielerin Maggie Smith.

Maggie Smith machte die Figur der Violet Crawley zur Legende.

Sie wirkte also immer noch bodenständig?

Ich würde eher sagen: direkt. Und sie wollte keine Zeit verschwenden. Beim Film wird viel Zeit mit Herumstehen verbracht. Wenn sie dachte, dass der erste Regieassistent nicht vorankam, machte sie das klar. Aber sie war eine so professionelle Schauspielerin! Haben wir nicht Glück, dass wir sie auf der Leinwand haben? Sie hat so bleibende Erinnerungen hinterlassen.

Eine Erinnerung, die nun eng mit diesem Haus verbunden ist …

Vor „Downton Abbey“ erkannte sie kaum jemand. Danach: jeder. Obwohl ich erinnere mich, dass sie in einer Talkshow einmal gesagt hat, wie nervig sie das fand, weil sie lieber unbekannt bleiben wollte. Sie ging nicht auf den roten Teppich, sie interessierte sich nicht für diese Seite der Schauspielerei.

So wie Maggie Smith bekam auch Highclere Castle durch Downton Abbey Kultcharakter. Gibt es einen Ort, nach dem die Besucher hier am häufigsten fragen?

Highclere Castle

Nein, das ist sehr unterschiedlich. Manche interessieren sich für bestimmte Szenen des Films, andere für Kunstwerke oder kleine Details. Ich selbst liebe zum Beispiel die Säulen in der Bibliothek. Dazu habe ich erst heute etwas auf Instagram gepostet – darin lade ich die Menschen ein, innezuhalten.

In diesen Prunkräumen haben bestimmt aufregende Empfänge stattgefunden. 

Ja, aber die kleinen Momente sind oft die schönsten: Ich werde nie die Zeit während Covid vergessen – mit dem blauen Himmel von 2020, als wir unter dem Zedernbaum Yoga machten und dieses eine Rotkehlchen immer wieder vorbeikam, um „Hallo“ zu sagen.

Und Ihr Lieblingsplatz im Schloss?

Manchmal mag ich mein Schlafzimmer, weil dort niemand ist (lacht). Und ich liebe das Dach, den Turm. Der ist etwas Besonderes. Ich würde gerne einen kleinen Kühlschrank dort oben hinstellen, damit ich etwas Champagner lagern kann.

Highclere Castle

Das Herrenhaus ist beliebt: hier als Untersetzer im Geschenkeshop.

Ein Rückzugsort ...

Aber wissen Sie, was ihn ausmacht? Wenn man dort oben ist, schaut man auf diese wunderschöne Welt hinab. Und das beeindruckt mich immer. Ich denke, wir alle träumen von einem Cottage auf dem Land.

Aber Sie haben ein Schloss auf dem Land.

Das stimmt – aber ein Cottage ist einfacher zu pflegen. (lacht)

Auch auf Instagram teilen Sie mit ihren 700.000 Followern besonders gerne leichte, kleine Alltagsmomente.

Ich mag es, wenn die Leute uns folgen und Freude an den kleinen Momenten finden können. Die guten Dinge im Leben müssen nichts kosten. Je älter ich werde, desto mehr denke ich an Kindheitserlebnisse. Alle unsere Ferien haben wir auf dem Land verbracht – wir waren klettern, sind am Strand herumgelaufen, haben Muscheln gesammelt. Wie glücklich wir waren, das zu tun! Ich versuche, mich derzeit wieder öfter an diese Momente zu erinnern – und auch andere.

Buchcover "A Year At Highclere"

Soeben ist das neue Buch von Lady Carnarvon erschienen.

Sie kümmern sich nicht nur um den Erhalt von Highclere Castle, Sie sind auch Buchautorin. Soeben ist Ihr neues Buch „A Year At Highclere“ erschienen.

Mein Mann sagt, es sei wie „A Year in Provence“ von Peter Mayle. Ich beschreibe darin, wie das Leben hier verläuft, während wir den Jahreszeiten folgen. Deshalb habe ich den Text in zwölf Monate gegliedert. Im März geht es um das Leben mit der Filmcrew, im September um den Wechsel der Jahreszeiten und im November um Flüche und Geister …

So ein altes Haus muss voll davon sein.

Oh, das Lustigste war: Ich habe Hannah (ihre Pressesprecherin, Anm.) einen wunderbaren Streich gespielt, der sie zum Schreien brachte. Sie war völlig überrumpelt – es was großartig. Und um sich zu revanchieren, hat sich Hannah in meinem Schreibzimmer unter dem Schreibtisch versteckt. Als ich hereinkam, spielte sie eine gruselige Botschaft ab – das ließ mich wirklich zusammenzucken. Und ich rief: „Um Gottes willen, es gibt einen echten Geist, was, wenn du ihn verärgert hast?“

Einen echten Geist?

Ja. Um fünf Uhr nachmittags höre ich häufig Schritte auf dem Gang vor meiner Tür. Der Schrittlänge nach muss es sich um einen Mann handeln. Ein oder zwei Tage nach dem Streich kamen die Schritte wieder. Doch diesmal hielten sie vor meiner Tür an. Meine Hunde standen auf, Nackenhaare hoch, Schwanz nach oben, bellten. Und ich wollte nicht hinausgehen. Irgendwann gingen die Schritte weiter. Aber ich dachte: Das ist lächerlich – und allein Hannahs Schuld! (lacht)

Diese Streiche unterscheiden sich stark von dem strengen Bild der Upper Class, das wir aus „Downton“ kennen.

Wenn man die altmodische Berechtigung der vergangenen Jahrhunderte hätte zu sagen: „Könntest du bitte das Taschentuch aufheben?“, wäre das heute völlig unangebracht. Ich denke, wir haben alle erkannt, dass wir alle gleich sind. Vor dem Zweiten Weltkrieg war das weniger offensichtlich. Aber egal welches Land, egal auf welcher Seite wir standen, wir waren alle in der Sache vereint ... Und heute arbeiten wir auf dem Anwesen alle gemeinsam. Auch wenn jemand zum Beispiel eine sehr langweilige Arbeit hat, helfen wir alle mit.

Wie organisieren Sie neben Ihrer Arbeit auf dem Anwesen Ihren Schreiballtag?

Lady Carnarvon mit ihrer Familie.

Lady Carnarvon mit Eheman, dem 8. Earl von Carnarvon, und ihren Hunden. 

Ich schreibe meistens zwischen drei und sieben Uhr abends. Wenn ich morgens schreibe, gibt es ständig Unterbrechungen. Tagsüber versuche ich also, Fragen zu beantworten, helfe bei Aufgaben mit. Gegen Ende meiner Deadlines habe ich dann auch Wortgrenzen, denn wie jeder andere Schriftsteller neige ich zum Prokrastinieren.

Vor drei Jahren, zum 100. Jubiläum der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun, haben Sie ein Buch über Ihren Vorfahren, den 5. Earl of Carnarvon veröffentlicht. Er hat mit Howard Carter im November 1922 das Grab entdeckt. 

Ja, und anscheinend hat jemand das Buch sogar am Flughafen in Tiflis gefunden – großartig, oder?

Welcher Aspekt hat Sie bei der Recherche am meisten überrascht?

Alles, würde ich sagen. Ich wusste, wo ich mit dem Buch beginnen wollte, ich wollte die Lesenden hineinziehen – vielleicht auch zum Weinen, zum Nachdenken bringen. Aber dann bin ich auf Teile der Geschichte gestoßen, bei denen ich mich fragte: Wie soll ich das nur erzählen?

Zum Beispiel? 

Er (der 5. Earl, Anm.) wurde etwa von der Schule verwiesen, weil er sich so schlecht benahm. Bis dahin war da dieses rosarote Bild eines fleißigen jungen Mannes – von wegen! Er verbrachte die meiste Zeit mit Trinken, Rauchen und Glücksspiel ... Aber jeder Mensch hat nun einmal viele Seiten. Und als Schriftstellerin versucht man, diese Facetten aufzuzeigen. Kein Schwarz-Weiß-Denken, sondern die Farbe des Lebens.

Apropos düstere Farben. Der neue „Downton Abbey“-Film heißt „Das Große Finale“. Gab es eine Art Melancholie, als das Filmteam ging?

 Ich denke, wenn in Hollywood etwas erfolgreich ist, ist es nie wirklich zu Ende, es verändert sich bloß. Und mir ist wichtig, dass die Menschen, die hierher kommen, eine Zeit lang in eine andere Welt eintauchen können – dass sie ihre Sorgen am Tor zurücklassen und beim Verlassen neue Energie haben.

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