Die Macht der Farben: Swift-Orange, Prince-Purple und Beatles-Gelb

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Farben sind mehr als Stil, sie sind Botschaften. Von Taylor Swifts „Portofino Glitter Orange“ bis Prince Purple: So funktionieren die Farbcodes der Stars und wie man sie entschlüsselt.

 Geschrieben von Nicola Afchar-Negad.

Eine Masterclass zur Farben-Dynamik.

Taylor Swift macht Orange zu ihrer neuen Farbe – und wir sind besessen davon!“ Wer jetzt nicht zu den Hardcore-Fans der US-Sängerin gehört, hat sich Ende des Sommers vielleicht ein wenig über solche Schlagzeilen gewundert, aber: so wirklich ungewöhnlich ist das nicht, wie das Echo der Zeit demonstriert.

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Sie gibt den Ton an – und das mit jedem Album neu. Taylor Swift ist in ihrer Showgirl-Ära und hüllt sich in „Portofino Orange Glitter“
 

Man denkt an das U-Boot der Beatles und sieht sofort Gelb. Bei Marilyn Monroe ist es pink, „shocking pink“ – dank ihres satinartigen Kleids in „Blondinen bevorzugt“. Oder nehmen wir Ausnahmeexzentriker Prince. Vor dem inneren Auge erscheint sofort ein mystisch wirkender, dunkler Violett-Ton. Und auch diese Herrschaften waren nicht die Ersten, bei weitem nicht.

Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie: Raffaels Madonna im Grünen trägt Ultramarinblau, ebenso seine Madonna del Granduca in Florenz, im Palazzo Pitti – die Farbe: selten, teuer, auffällig. Um Wassily Kandinsky zu zitieren: „Farben sind eine Macht, die direkt die Seele beeinflusst.“ Sprich: Das Blau macht Madonna zur zentralen Figur, zu einem Star im Bild, lange bevor es Instagram mit seinen Algorithmus-Lieblingen oder rote Teppiche gab. Farbe ist symbolisches Kapital, Stil, Statement und Stimmungsmacher. Und Pop-Powerhouse Taylor Swift zeigt, wie weit man das Ganze treiben kann.

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Marilyn Monroe: in glamourösem Pink, mindestens so strahlend wie Diamanten

Farben verdichten Emotionen 

Beim Grande Finale ihrer „Eras“-Tour war sie plötzlich da – eine orangefarbene Tür auf der Showbühne. Natürlich kein Zufall, denn wer Swifts Karriere verfolgt, weiß: Sie jongliert gekonnt mit Symbolik, platziert gezielt versteckte Botschaften, so genannte „Easter eggs“. Jedes ihrer Alben steht für eine bestimmte „Ära“ – und jedes tunkt sie in einen eigenen Farbkosmos.

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Star aus dem Jahr 1506: Raffaels Madonna leuchtet in Blau

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Taylor Swifts neues Album: The Life of a Showgirl.

Beim brandneuen Werk „The Life of a Showgirl“ dominiert orange – Portofino Glitter Orange, um genau zu sein. Im Podcast ihres Verlobten berichtet Swift: „Dieses Album handelt davon, was hinter den Kulissen meines Lebens, während der Eras Tour vor sich ging, die so überschwänglich und elektrisierend und lebendig war.“ Orange, dieses Mittelding aus Gelb und Rot, aus fröhlich und energetisch, es sagt viel aus. Die  holte sich für Decodierung und und Vibe-Check Lisa Bock vom Institut für Soziologie in Wien an Bord, sie beschäftigt sich beruflich mit dem „Taylorverse“: „Jedes Album bildet eine eigene Ära, geprägt durch bestimmte Stimmungen, Symbole und ästhetische Marker. Das Besondere daran: Diese Symbole stiften Gemeinschaft. Die Fans (Anm.: Swifties genannt) eignen sie sich an, füllen sie mit eigener Kreativität und erzeugen so ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit.“ Und weiter: „Ein Farbton wie das ikonische ‚Red‘ oder das Pastellblau von 1989 ruft sofort kollektive Emotionen und Erinnerungen wach.“

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Maskulin und feminin, melancholisch und ekstatisch – Prince kreierte aus einem Farbton eine Metapher

Die Fans tanzen bei den Konzerten in der Farbe der Wahl an, vielleicht weniger, weil ihnen diese so gut steht, sondern weil sie sich mit einer Ära identifizieren. „Soziologisch bedeutet das: Die Farbwahl ist ein Akt der kulturellen Positionierung. Man zeigt, welches Album einem am nächsten steht und markiert: Ich bin Teil des Kollektivs, ich kenne die Regeln, spiele mit.“ Farben sind also nicht nur ästhetische Details, sondern soziale Codes. „Die Musik berührt individuell, die Farben schaffen ein kollektives Erlebnis.“ Bock hilft dabei zu verstehen, dass wir alle ein Part „größerer Muster sind. Und die Farben, sie schaffen Ordnung, Orientierung und Zugehörigkeit“.

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Das Beatles-Gelb: die Knall-Farbe bleibt unvergessen wie die Yellow Submarine 

Chart-Breaker-Farben 

So gesehen macht es zwar nur bedingt Sinn, den eigenen Wohnungsgang in Swift-Orange, Prince-Purple oder Beatles-Gelb zu streichen, aber: Es gäbe die Möglichkeit dazu, zumindest teilweise. Mit „Love Symbol #2“ brachte das bekannte Farbeninstitut Pantone einen von Prince inspirierten Melanzaniton raus und mit Cabaret lehnt sich der Hersteller Dunn-Edwards an Taylor Swifts „Speak Now“-Ära an. Auch Selena Gomez und Drew Barrymore standen Patinnen für eigene Nuancen, aber die Verbindung hinkt hier schon deutlich mehr (so soll das „Drew Barrymore Yellow“ zu Ehren ihrer positiven Ausstrahlung gewählt worden sein).

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Trendfarbe 26: Devine Damson von „Graham & Brown“

Bei den Interior-Trendfarben, die jeden Herbst die Runde machen, spielt Portofino Glitter Orange keine Rolle, dafür aber der zweite Ton, den Swift mit „The Life of a Show Girl“ trifft: Teal, also Blaugrün, die Komplementärfarbe von Orange. Die Idee liegt auf der Hand: Energie trifft Ruhe, Portofino Orange Glitter strahlt Lebendigkeit aus, Teal sorgt für Ausgleich. Und: Diese Farbe hat durchaus Potenzial fürs Zuhause. Das Trendinstitut WGSN und der Farbenhersteller coloro haben zum Beispiel „Transformative Teal“ als ihren Ton für 2026 präsentiert. Es gehe um „ein Jahr der Neuausrichtung, geprägt von einer gesteigerten Verbrauchernachfrage nach mehr ökologischer Verantwortung.“ 

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 „Transformative Teal“:   Noch eine Trendfarbe fürs Jahr 2026 

Auch hier: viel Symbolik. Andere Firmen ziehen nach und tünchen ihre Wände ebenfalls in Blautöne – von Nachttürkis (Gira) bis Free Grove (Dulux). Zugegeben erlebt man hier kein blaues Wunder, solch gedeckten Farbtöne mit Tiefe sind wie ein Refrain im Trendgeschäft. Meistens kombiniert mit neutraleren Anstrichen, wie Samtbutter (RAL).

Ob Taylor Swift eines Tages einen Song über Samtbutter anstimmt? Unwahrscheinlich. Wobei, noch ein Input von Bock: „Sie singt erstaunlich oft über Farben – und das nicht zufällig.“ Wenn sich die Swiftie-Tochter demnächst also nur noch kastanienbraun anzieht, könnte das für eine nicht mehr ganz so lodernde Liebe stehen. Glauben Sie nicht? Dann hören Sie sich mal „Maroon“ an.

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