Designer Thomas Feichtner: "Kreativität ist Kernelement"

Ein Mann mit Brille sitzt an einem Schreibtisch mit Skizzen und einem Bleistift in der Hand.
Seit Oktober leitet Thomas Feichtner den Studiengang „Industrial Design“ an der FH Joanneum in Graz.

KURIER: Herr Feichtner, Sie sind seit fünf Monaten Institutsleiter des Studiengangs „Industrial Design“. Wie war Ihr erstes Semester?

Thomas Feichtner: Es war sehr spannend. Zu Beginn habe ich eine beobachtende Rolle eingenommen und mich in alle Vorlesungen gesetzt. Ich war sehr positiv überrascht von der hohen Qualität der Lehre. Besonders die Vermittlung von handwerklichen und gestalterischen Fähigkeiten sind etabliert. Einzigartig ist, dass alle Studierenden gemeinsam in einem Atelier arbeiten. Das fördert das voneinander Lernen. Das habe ich bisher noch nie an einer Hochschule so intensiv wahrgenommen.

Was haben Sie an der Ausrichtung des Studiengangs bereits verändert und was wird noch folgen?

Ich möchte den Studiengang als souveräne Industriedesign-Ausbildung etablieren. Mutig, visionär und technisch forschend, unter den besonderen Möglichkeiten der Hochschule und dem Design-Spirit der Stadt Graz als UNESCO City of Design. Ohne Einschränkung, aber auch mit dem historisch gewachsenem Forschungsschwerpunkt Mobility Design.

Ein Stuhl mit einem Rahmen aus hellem Holz und einer Sitzfläche aus schwarzem Leder.

2011 entwarf Feichtner den „M3 Chair“ aus Eichenholz für die Wiener Werkstätten

Wie viel Talent müssen Studenten mitbringen und wie viel können sie sich erarbeiten, um gute Designer zu werden?

Es ist wichtig, dass alle Studierenden ihre eigenständige gestalterische Position und Identität finden und dazu Raum und Zeit haben. Wir wissen, die größte Veränderung, die uns erwartet, ist, dass sich alles verändern wird. Die digitale Transformation wird unsere Arbeitswelt auf den Kopf stellen. Kreatives Denken ist das wichtigste Rüstzeug für die Zukunft.

Viele Designer sind der Meinung, dass Materialien in einer stark digitalisierten Welt immer wichtiger werden. Wie sehen Sie das?

Produkte müssen in ihrer ganzen Komplexität verstanden werden. Wo, wie und von wem wird ein Produkt produziert und transportiert. Aus welchen Materialien besteht es. Was passiert mit dem Produkt, wenn es nicht mehr gebraucht wird und wovon wird es abgelöst. Jedes Produkt befindet sich in einem Organismus und darf nicht isoliert verstanden werden.

Ein graues, dreistöckiges Weinregal mit Holzdetails steht vor einem weißen Hintergrund.

Das Regal „Basso Shelf System“ aus Faserzement entstand 2012 für Eternit

Die Studenten müssen sich also während dem Designprozess damit auseinandersetzen, dass ihr Objekt irgendwann verschwinden wird?

Es geht darum, Alternativen zu finden. Produkte und Prozesse zu hinterfragen und besser zu machen, in komplexen Zusammenhängen zu denken, kritisch zu reflektieren und interagieren zu können. Dabei steht die Relevanz der Arbeiten, die wir im Studiengang erforschen und entwickeln immer im Vordergrund.

Ein Krug, ein Glas und ein Deckel mit Betonfuß stehen auf einem weißen Hintergrund.

Service „Absolutini“ aus  Beton und Glas  für den gleichnamigen  Cocktail von Absolut und Pernod Ricard

 

Sie haben vor vielen Jahren Skibindungen entworfen. Wie haben Sie dieses schwierige Produkt optisch einzigartig gestaltet?

Eine Skibindung ist komplex. Fährt jemand die Skipiste mit 100 km/h hinunter, muss die Bindung halten. Kippt aber ein Anfänger am Lift um, muss sie sich öffnen. Es ist also eine komplizierte Kinematik, bei der es um Erfahrungswerte und empirische Forschung geht. Im Vordergrund stand der Sicherheitsaspekt, nicht das Styling.

Eine goldene Hängelampe aus gebogenen Metallrohren.

Die „Pipe Lamp“ aus Stahlrohr wurde für den italienischen Hersteller Kar-boxx entworfen

Bei einer Skibindung funktioniert das, aber eine funktionale und gleichzeitig hässliche Couch wird niemand kaufen.

Das stimmt. Design hat viele Funktionen, auch eine ästhetische. Dennoch glaube ich, dass Design nicht als Marketingtool missverstanden werden darf. Design ist identitätsstiftend und auch unter kulturellen, sozialen und ökologischen Aspekten zu verstehen.

Eine einzelne, moderne Hängelampe aus glänzendem Kupfer hängt von der Decke.

„Tom Lamp“ aus Blech  ist ein Wechselspiel aus Schrägen und Kanten. Designt für Interio 2015

Ihr Lebenslauf liest sich wie eine Bilderbuchkarriere. Haben Sie auch Rückschläge erlebt?

Ja, aber ich hoffe, dass ich daraus gelernt habe. Design ist für mich eine Lebenseinstellung geworden. Eine Haltung, wie wir mit den Dingen, die uns umgeben, umgehen. Design kann überraschend, geistreich und raffiniert sein aber auch anstiften. Wie die Freude an einer Idee, die wie ein Funke überspringt.

Ein Hocker mit einem Muster aus schwarzen Punkten auf einem weißen Hintergrund steht auf einem weißen Untergrund.

„Pandoretta“ ist ein 360°-Sound-System für Poet Audio, das 2013 designt wurde

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