Zwischen null und hundert
Irgendwann fällt sie, diese Frage – oft einmal kommt sie nach dem Kommen. Mitunter wird sie versonnen während erster gemeinsamer Spaziergänge gestellt. Oder ganz direkt – beim Burgeressen, Achteltrinken, Skypen. Manchmal wird sie en passant in den Dialog geschleudert, lässig und scheinbar leidenschaftslos. Zuweilen hat sie etwas Investigatives, Schweres. Wohl aus diesem Grund erreichte mich vor Kurzem das Mail einer verunsicherten jungen Frau, deren neuer Freund nach einer beischlafintensiven Nacht die beliebte Kernfrage stellte: Und, wie viele hattest du schon vor mir? Die Frau handelte sehr überlegt – sie hielt inne und zog sich mit geheimnisvollem Lächeln ins Epizentrum seiner Lenden zurück, um ihn etwas abzulenken. Tatsächlich vergaß er in der Sekunde, was er fragen wollte und entspannte sich. Motto: „Wurscht – Hauptsache, gut.“ Dennoch ist sich die junge Dame sicher, dass er die Frage eines Tages erneut stellen wird – daher: „Was tun, Frau Kuhn? Ihm die Wahrheit sagen? Oder schwindeln?“ Heikel, sehr heikel. Denn genau betrachtet gibt es keine wirklich perfekte Antwort darauf. Sie hängt im Grunde genommen vom Typus der oder des Fragenden ab. Und von dessen/deren Motivation. Wird aus purer Neugierde nachgehakt? Handelt es sich um das erste, leise Symptom einer herandämmernden Eifersucht? Soll das Kopfkino damit angeregt werden? Oder geht es schlicht um den Apsekt: Wer aller war vor mir schon drin? Beziehungsweise: Wo hat er überall schon sein Prachtstück versenkt? Um daraus allenfalls Parameter wie mögliche Erfahrung, mögliche Neigung, einen Hang zu Uferlosigkeit und natürlich mögliche Bindungsfähigkeiten ablesen zu können. Von all dem hängt der Umgang mit dieser Situation ab: schweigen, ehrlich sein oder flunkern? Das wiederum ist stark abhängig von der tatsächlichen Zahl der Sexualpartner. Alles, was durchschnittlich ist, braucht keinesfalls verschwiegen zu werden. Wenn Sie irgendwo im einstelligen oder mageren zweistelligen Bereich oszillieren, dann rücken Sie ruhig gelassen mit den Fakten heraus. Übrigens: 11 finde ich eine schöne Zahl, vorausgesetzt man liegt schon erheblich über der Volljährigkeit. Zum Flunkern rate ich bei so genannten Rekordhaltern – Extremen wie etwa Null oder 100. Wer etwa 40 ist und zu seiner neuen Flamme sagen muss – „Baby, Congrats – Erste!“, sollte eine kurze Bedenkminute einlegen und darüber nachdenken, ob das für den ersten Moment tatsächlich die erstbeste Wahl ist. Falls sich die Beziehung im Laufe der Zeit festigt und der Sex konveniert, kann man ja noch immer mit der vollen Wahrheit rausrücken. Ebenso verhält es sich bei hohen Zweistellern und natürlich Bumspartner-Zahlen über 100. So eine Nummer kann sehr leicht missverstanden werden – speziell, wenn man weiblich ist. Ja, leider gilt das nach wie vor: Männer sind Helden, Frauen sind Schlampen. Klare Sache von unfair, aber – wie gesagt: Kommt Zeit, kommt Wahrheit (oder auch nicht). Wichtiger Punkt: Vergangene Episoden können, müssen aber nichts über die Persönlichkeit eines Menschen sagen. Also vergessen Sie sämtliche Zahlenspiele und lassen Sie sich auf den Menschen im Hier und Jetzt ein.
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