Weibliche Lust
Der Mann als Triebtier – testosterongesteuert und promisk. Die Frau als moderne Heilige – gerne treu und schön brav mit dem Nestbau beschäftigt. Das ist, was vielen Menschen nach wie vor spontan einfällt, wenn sie an das Sexualverhalten von Frau und Mann denken. Doch Achtung: Vielleicht ist alles ganz anders und ein längst veraltetes Klischee, das auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der traditionellen Evolutionsbiologie gründet.
Die entwarf ein bisher recht logisches und nachvollziehbares Bild zum Thema Sexualverhalten: Für die Damen unter den Säugetieren ist jeder Geschlechtsakt mit möglichen Wirkungen und Nebenwirkungen (jenseits der Lust) verknüpft: Ein einziger unbedachter Akt – schon könnte aus La Donna eine La Mama werden, mit allen damit verbundenen Langzeitfolgen. Schwangerschaft, Geburt, Stillzeit und Stress mit den Kids von der Trotzphase bis zur Pubertät. Anders bei den Herren: Die müssen weder Monate mit einem dicken Bauch leben, noch stillen sie die Babys. Sie gehen wie immer ihren Geschäften nach: der Jagd, dem Spiel. Deshalb gilt sie als eher vorsichtig und er als eher umtriebig.
Dass Frauen kaum „besser“ als Männer sind, davon ist der amerikanische Autor und Journalist Daniel Bergner überzeugt. Mit seinem Buch „Die versteckte Lust der Frauen“ hat er eine aktuelle Diskussion zum Thema Sexualität und Geschlechterrollen ausgelöst. In einer Besprechung auf der Website salon.com hieß es dazu: „Dieses Buch sollte von jeder Frau auf der Welt gelesen werden.“ Bergners Recherchen – anhand neuester Studien, Umfragen und Untersuchungen – zeichnen ein drastisch anderes Bild der weiblichen Sexualität: Frauen geht es längst nicht mehr um Sicherheit und Geborgenheit. Von wegen Kuschelfaktor, Treuebonus und monotoner Monogamie! Auch sie lieben die Abwechslung und haben Lust auf Sex mit neuen Partnern.
Bergners These stützt sich dabei auf Beobachtungen aus der Tierwelt, speziell von Primaten. Dort feiern die Weibchen heitere Swingerparties mit Partnerwechsel und Gang-Bang-Orgien. Sie sind dabei alles, nur nicht treu. Unter anderem, weil die Promiskuität Spermienvielfalt gewährleisten würde. Und die ist – rein evolutionär betrachtet – kein schlechter Deal.
Aber auch sonst sind Mesdames weder fad noch prüde. Was etwa Bergners Geschichte vom „Plethysmograph“ zeigt. Zur Erklärung: Das ist ein Gerät, das Volumensschwankungen im Körper messen kann. Von der Lunge zum Beispiel, aber auch vom Penis, um den Erektionsgrad festzustellen. Jetzt wurde es verwendet, um Schleimhautverfärbungen der Vagina zu messen. Und siehe da: Frauen reagieren doch auf pornografische Reize und das sogar auf sehr komplexe Art und Weise. Interessant. Wo es doch bisher hieß, dass Frauen die Rein-Raus-Werke eher abstoßend fänden. Was dazu passt: Noch nie zuvor gab es so viele Sexshops speziell für „sie“, der Erfolg von erotischer Frauenliteratur ist enorm. Frauen suchen in speziellen Datingforen unverbindlichen Sex. Dennoch dominieren nach wie vor falsche Bilder einer falschen Moral, samt verstaubter Thesen: Eine Frau, die offensiv ihre Lust lebt, wird moralisch deklassiert. Er hingegen firmiert als cooler Kerl. Wäre doch nett, würde mit diesem Blödsinn endlich Schluss sein.
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