Unter Strom
Randerscheinungen: Ich hielt sogenannten „Elektrosex“ bisher eher für eine seltene Spielart. Eine, die mich null reizt und eher abschreckt – da ich ja mitunter schon ein ungutes Gefühl habe, wenn ich einen Stecker in die Steckdose schiebe. Andererseits hat jeder schon einmal einen Elektrozaun auf einer Alm angegriffen, gaudihalber. Sie wissen, das sind diese Dinger, die verhindern, dass Kühe ausbrechen und unkontrolliert herumwandern. Das fühlt sich nicht weiter schlimm an, aber komisch – eine Art Zucken und Prickeln. Anscheinend gibt es Menschen, die auf diese Form von Spannung auch im Schlafzimmer abfahren – ganz nach dem Motto: Wollt Ihr Volt? Ja! Diese erotische Spielart sah bisher eher nach dem „Wer-bastelt-mit?“-Prinzip aus: Ein paar patscherte Drähte irgendwo angebracht und allenfalls eingeführt – schon wird das Lustobjekt unter „Strom“ gesetzt. Für Erotikspiel-Laien wohl eine grauenhafte Vorstellung – ich sage nur: Messer, Schere, Licht – mit all dem spielt man nicht. Echte Auskenner erzählen hingegen, dass der Spaß natürlich harmloser ist als er klingt. Weil er durch Reizstrom erzeugt wird – so er übrigens auch in der medizinischen Therapie verwendet wird, wenn jemandem das Kreuz oder sonstwas wehtut. Jeder, der das schon einmal erlebt hat, kennt dieses leichte Tucktucktuck – bei den Freunden angewandter Elektronik-Erotik sorgt das halt für Ahs & Ohs. Aus der einschlägigen Literatur lerne ich, dass es sogenannte „Pimmelschocker“ eh schon lange gibt – etwa unter dem Namen „Shock Wave“. Der jagt kleine Stromstöße durch gewisse Körperteile (auch bei ihr, übrigens) – und nein, ich bemühe jetzt keine Details. Warum ich an dieser Stelle dennoch so ausführlich darüber schreibe, hat einen Grund: Elektrosex scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Der Aussendung eines großen Erotik-Versands entnahm ich dieser Tage nämlich folgende Neuigkeiten: „Elektrisierender Sex für mehr Kribbeln in der Liebe. Vibrieren war gestern. Der neue Trend heißt E-Stim!“ Dann wird Fachliches erläutert: „Das Prinzip der Elektrostimulation wird seit Jahren erfolgreich bei der Behandlung von Schmerzen angewandt, um den Heilungsprozess zu fördern. Dabei eignet sich diese Art der Nervenreizung genauso gut zur sexuellen Stimulation, denn es gibt unzählige Zonen am Körper, die lustvoll gereizt werden können.“ Man spüre „sanftes Kribbeln, rhythmisches Pulsieren oder sinnliche Stöße“. Und natürlich kommen die neuen E-Stim-Tools fesch daher, für Anfänger wird das Modell „Magic Gloves“ empfohlen, das sind elektrisch leitende Handschuhe für „prickelnde Streicheleinheiten“. Das Fortgeschrittenen-Tool nennt sich „Tingly Timmy“ und ist ein „eleganter Dildo mit zwei Stimulationsarmen“. Und schließlich wird Experimentierfreudigen das neue „Allround-Talent“ ans Herz gelegt. Ein Fingervibrator, der nicht nur vibriert, sondern auch elektrostimuliert. Besonders tröstlich in dem Fall: Er ist absolut wasserdicht, was bei gängigen Fingerspielen ja kein Schaden sein kann. Einzig die „Optik“ kommt ein wenig eigen daher. Das Ding erinnert nämlich an ein medizinisches Messgerät, aber bitte: Vielleicht erhöht genau das ja den Reiz.
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