Starke Momente

Im Buch „Bester Sex 4“ schildern Männer ihre aufregendsten Abenteuer. Patentrezept für ultimativen Sex gibt es natürlich keines, sagt dazu Autorin Zoë Zucker. Stimmt, außerdem gilt: „Wow“-Sex hat oft gar nichts mit Außenfaktoren zu tun. Er ist ganz alleine vom Sehnen und Tun der Protagonisten abhängig.

Das ist in der Tat etwas, worüber Menschen gerne sprechen, wenn sie etwa mit nahen Freunden in der Sauna sitzen oder nächtens ihr Leben resümieren: der Sex, den man irgendwann einmal hatte. Konkret: der BESTE Sex, den man irgendwann einmal hatte.

An dieser Stelle geraten die meisten ein wenig an den Rand der Flunkerei, Fantasien mischen sich mit tatsächlich Erlebtem. Mitunter stimmt gar nichts und man hätte nur gerne ... Ein anderes Mal übertrifft die Realität den ärgsten Porno. Wie es wirklich war, werden wir eh nicht erfahren – der „beste“ Sex ever kommt stets in der schwärmerischen Verklärung der Vergangenheitsform daher.

Als exzessiv neugieriger Mensch liebe ich solche Runden, wenn Männer – Dank guten Rotweins – und Frauen – Dank ebensolchem – dieses gewisse Glitzern in den Augen kriegen und in das (angeblich) Erlebte noch einmal eintauchen. Und wir, die Zuhörer in die Intimsphäre der Erzählenden. Dann pritzelt und knistert es, und man wird so kühn, zu denken: Einmal geht’s noch. Auch, wenn vielleicht gar nix so war, wie es gerade scheint.

Umso feiner finde ich, dass auf meinem Schreibtisch jetzt das Buch „Bester Sex 4“ gelandet ist. Sehr anregend, weil: Darin lässt die Autorin Zoë Zucker 33 Männer ihre „wildesten, aufregendsten, schönsten Abenteuer“ schildern (nachdem sie vor einiger Zeit auch Frauen zu Wort kommen ließ). Jonas trieb es einer Berggondel. Nils schildert, wie sich seine Freundin Britta mit ihm bei vollem Tempo auf der Autobahn näher beschäftigte (ähem, hier muss ich als Verkehrspolizei natürlich Einspruch erheben und sagen: Don’t be horny and drive). Und auch das viel zitierte „Strandficknick“ bleibt in der Perlen-Reihe nicht unerwähnt.

Gut so – weil ich finde, dass es möglich ist, von einem wirklich starken und guten Sex-Moment sehr lange zu zehren. Die Frage, die mir allerdings auf der Zunge brennt: Was ist „bester Sex“ überhaupt? Die Vorstellungen und Ansprüche sind da ja mitunter sehr verzerrt und überzogen. Bester Sex wird gerne mit einer Prise Verrücktheit, einer Überdosis Exzess, einem Löffelchen Verbotenem und jeder Menge Klischees zu einem exotischen Drink gemixt. Bester Sex – das ist in vielen Köpfen ein Grenzgang: Vier geile Frauen, ein rundum bestiegener Mann. Fünf Stellungen auf einmal, aus deren Verknotung man kaum herausfindet. Acht Orgasmen in 20 Minuten – idealerweise an einem Platz, wo man a.) erwischt werden b.) gehört werden, c.) von einem Millionenpublikum gesehen werden kann. Wie auch immer, auf jeden Fall muss er atemberaubend, intensiv, laut, lang, schnell, tief, verschwitzt, heiß, kalt, nur nie lau gewesen sein. So will’s das „Bester-Sex-Klischee“. Und in echt?

In echt kann bester Sex auch ganz leise daherkommen, unabhängig von Raum, Zeit, Ort und Stöhn-Frequenz. Was ihn ausmacht, sind die Protagonisten selbst. Die Menschen, die es hier und jetzt und in diesem Moment, egal wo, egal wie, tun MÜSSEN. Unabdingbar. Bester Sex ist das Ergebnis ultimativer Sehnsucht und in seinem Passieren unausweichlich, beinahe schicksalhaft. So betrachtet, finden manche Exzesse recht banal in einem Doppelbett statt.

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