Sockensexuell
Sie haben noch nie von der „Regularisierung des Zweierstoßes im Dreikörperproblem“ gehört und finden es folglich auch nicht wirklich spannend? Sie sind überhaupt nicht an Ludwig Wittgensteins Spätwerk interessiert und haben niemals darüber meditiert, warum der gute Mann darin die Sprache mit einer „alten Stadt“ vergleicht? Beim Gedanken an die Eulersche Polyederformel kriegen Sie Pusteln? Stattdessen denken Sie lieber darüber nach, weshalb das Wetter am Wochenende immer schlecht ist, Ihr Fußballverein dauernd verliert oder das Kalbsschnitzerl beim Kirchenwirt letschert ist? Kein Problem. Aber ein kleiner Rat: Lesen Sie nicht weiter, der nun folgende Text betrifft Sie nicht. Denn der beschäftigt sich diesmal mit dem hübschen Thema „Sapiosexualität“, das derzeit durchs Netz geistert. Nie gehört? Der Begriff selbst ist ein sogenannter Neologismus – auf gut Deutsch „neues Wort“ – und er beschreibt die Neigung mancher Menschen, auf die Intelligenz eines anderen Menschen mehr abzufahren als zum Beispiel auf dessen Aussehen oder andere körperliche Vorzüge. Das sind dann Leute, die weniger die Oberweite oder das Sixpack ihres Gegenübers erregt, stattdessen aber feucht im Schritt werden, weil da eine/r ist, der alle 154 Shakespeare-Sonette rezitieren kann. Und dabei das „thou“ perfekt ausspricht. Oder das „ti-ätsch“ im nett gemeinten Satz „Get thee to bed“. Einfach formuliert: Intellekt macht geil. Dazu brauche es naturgemäß auch nicht zwingend körperlichen Kontakt. Es reicht, wenn zwei nur reden, skypen oder sich physikalische Formeln via WhatsApp um die Ohren hauen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Phänomen gerne mit dem zeitlos hübschen Satz „Das Gehirn ist das größte Sexualorgan“ garniert und erklärt wird. Ich bin ja der Meinung, zum Spaß gehören zwei: Hirn & Genital – als kongeniales Pärchen. Aber wer’s anders mag, warum nicht? Bleiben wir bei Shakespeare und Hamlet: „Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.“ Dennoch darf man sich die Frage stellen, ob die Welt auf neue Sexer-„Klasse“-Begriffe dieser Art gewartet hat. Man wird ja im Dreimonats-Rhythmus mit Neuschöpfungen geflutet, zuletzt: metrosexuell, lumbersexuell, gastrosexuell. Was kommt danach? Ich hätte ja die eine oder andere Idee. Zum Beispiel spaghettisexuell. Das sind Männer, die sich zu Bildern von spaghettikochenden Frauen einen runterholen. Und umgekehrt, Frauen, die knapp am Orgasmus vorbeischrammen, wenn ihr Liebster mit Frischteig und einer Nudelmaschine herumhantiert. Ebenfalls denkbar – schlagbohrersexuelle Menschen. Er fühlt sich von Frauen, die mit diesem Gerät gut umgehen können, magisch angezogen. Sie mag a.) Bohrer per se, aber vor allem b.) Männer mit Bohrern (oder sogar ausschließlich). „Soccersexuell“ wäre ebenfalls eine nette und naheliegende Sache: Die sexuelle Attraktion durch Fußball(er). Die Alternative dazu: „Sockensexuell“ – Menschen, die andere Menschen mit Socken erotisch anziehend finden. Nun, man wird sehen, ob sich da was durchsetzt. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich mit diesem Text schon wieder für den nächsten Trend gesorgt habe.
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