Riemensteif für obenrum
Solche Schlagzeilen wärmen das Herz: „Oma Anneroses Gartenlaube ist ein Sex-Shop“ stand da in der Bild-Zeitung. Die Geschichte dazu klingt wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit: „Vor 23 Jahren verwandelte
Annerose Koschinski (65) ihr Gartenhaus in einen Sex-Shop mit dem musikalischen Namen „Röschens Intimvitrine“.
Ach, Sexshops. Die heißen heute „Sex-World“ und sehen aus wie XXX-Large Baumärkte. Nur dass die Bohr-Maschinen dort „Charlie-Tango-Classic“ oder „Bonnie und Clyde-Rotationsvibrator“ heißen. Und abgesehen davon ist es längst so, dass sich die geneigte Kundschaft eher ungestört online umsieht, um sich dort für intime Stunden mit Schlüpfrigem zu rüsten. Recht angenehm, möchte man doch beim Erwerb des Probiersets „Sadomaso for Beginners“ inklusive „Lange Einweghandschuhe schwarz“ nicht von Freunden oder gar von Kollegen ertappt werden. Und so wie sich die Menschen heute an Jolly-Eis oder die Beatles erinnern, entsinnen sie sich an das Jahr 1962. Als eine Frau namens Beate Uhse in Flensburg den ersten Sex-Shop der Welt eröffnete. Beate Uhse, uh! Das stand für Sünde, Rotwerden, das kleine Abenteuer. Und für deutsche Gründlichkeit, subsumiert unter dem Namen „Fachgeschäft für Ehehygiene“. Immerhin: Die Polizei beschlagnahmte seinerzeit alle Artikel, die „der unnatürlichen gegen Zucht und Sitte verstoßenen Aufpeitschung und Befriedigung geschlechtlicher Reize“ dienten. Das Angebot seinerzeit: Verhütungsmittel, Dessous, Bücher, Magazine, pharmazeutische Präparate (!) und Dinger, die seinerzeit „Stimulationsmittel“ hießen.
Was mir sehr gefällt ist das Wort „Ehehygiene“. Einfach schön, die reine Poesie. Da schwingt etwas Melancholisches mit, der Geruch von gestärkten Leintüchern, silanisierten Batistnachthemden, Eierlikör, Käseigel und Fräuleins, die heimlich Sitzbäder nehmen, bevor sie sich ins Sonntagskleid schmeißen. Interessanterweise kursiert der Begriff heute noch im Internet. Wer ihn googelt, landet etwa in einem Online-Erotikshop, das „Edle Ehehygiene“ feilbietet, wie schön: Gerade ist die Wildlederpeitsche „Sensua“ im Sonderangebot. Anderswo wird der Begriff beim Wort genommen – und „Ehehygiene“ folgendermaßen definiert: „Die Körperpflege der Geschlechtsregion verlangt in der Ehe Diskretion und Abstand. Nachlässigkeit und Schamlosigkeit können sehr leicht auf den Partner abstoßend wirken. Die tägliche Reinigung der Geschlechtsorgane mit Wasser und Seife sollte eine Selbstverständlichkeit sein“.
Und sonst? Vaseline im Angebot – etwa Werbung für „Riemensteif. Feinste deutsche Vaseline für obenrum. Darf in keinem Nachttisch und Heimwerkerkoffer fehlen! Als Gleitmittel im Handwerk, zur äußeren Anwendung auf der Haut, als Schmiermittel im Haushalt, zur Gummipflege, Massage, zum Schutz vor Witterungseinflüssen, zur Ehehygiene, als Korrosionsschutz, zur Oldtimerpflege“.
Womit wir, irgendwie, wieder bei Röschen und ihrer Intimvitrine gelandet wären: Einst war der Laden ein Schuhgeschäft – heute steht auf dem alten Ladentisch Gleitcreme statt Schuhpasta. Frau Anneroses Verkaufsschlager: die Gummi-Muschi für 12 Euro, besonders beliebt bei Fernfahrern.
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