Passend zum Sommerloch

Eine sogenannte Studie, die Zitroneneisliebhaber als leidenschaftlich und Nusseisfreunde als Fadiane outet, ist natürlich nicht ernst zu nehmen. Dennoch ist es eine beliebte Übung, Menschen und deren Sex-Vorlieben mit irgendwelchen anderen komischen Dingen in Verbindung zu bringen. Das sorgt für dumme Denkreflexe.

Ich habe ja nach wie vor keine Ahnung, weshalb es so beliebt ist, Dinge, die genau nichts mit Sex zu tun haben, so gerne mit Sex in Verbindung zu bringen. Und das – weil’s gut kommt – mit den einführenden Worten „Laut einer Studie“. Solche „Studien“ finden eigenartige Dinge heraus. Beispielsweise, dass Menschen mit großen Autos schneller zum Höhepunkt kommen als Menschen mit kleinen Autos, während Besitzer roter Autos bevorzugt mit Zunge küssen und Kleinwagenfahrer zu erektiler Dysfunktion neigen. Vermutlich haben solche Studien auch schon „herausgefunden“, dass eine Korrelation zwischen der Wahl des Kugelschreibers und der Penisgröße besteht. Oder aber, dass Personen, die gerne versonnen an ihrem Brillenbügel lutschen, sich ganz tief drinnen nach Oralsex sehnen, aber nicht darüber reden können. Manchmal frage ich mich, ob es irgendwo auf der Welt eine Art „Sex-Studien-Think-Tank“ gibt, in dem eing’rauchte Menschen diverse sexuelle Vorlieben und Praktiken sowie Alltagsbegriffe auf kleine Zettelchen schreiben, die sie in zwei Salatschüsseln schmeißen, um sie dann mit großem Hallo und Schenkelklopfen zu ziehen. So entstehen dann lustige Paarungen wie „Langschläfer/Missionarsstellung“ beziehungsweise „Sonnenbrillenfarbe/Pornovorlieben“. Oder aber: „Eissorte/Sex-Verhalten“. Passend zum Sommerloch. Sie lachen? Erst unlängst bin ich genau darüber wieder gestolpert – und durfte (wie fast immer um diese Zeit) erfahren, dass der Vanilleeis-Esser romantischer ist als der Schoko-Aficionado. Freunde des Zitronen-Gelato wiederum hätten mehr Feuer im Blut, während die Nuss-Lutscher in der Horizontalen eher unknackig sind. Und die Erdbeereis-Käufer? Langweilig. Wenn schon, dann einen, der sich Kaffeeeis in den Becher knipsen lässt: Der sei angeblich kreativ und überzeugend. Studien hin, Studien her: die Theorie hatscht. Ich sage nur Cornetto! Dem Prinzip folgend, müsste jeder Cornetto-Nuss-Fan eine erotische Schnarchtüte sein, weil: Nuss, Vanille, Schoko. Oder nehmen Sie mich: Ich lasse mir nie eine einzige Sorte auf mein Stanitzel klatschen, ich bin viele. Uuuuh, was mag das wohl heißen? Dass Sie mich zwei Mal pro Woche im Swinger-Klub treffen? Ich also zu exzessiver Promiskuität neige? Im Ernst: So wie überall im Leben sind derlei Formen maximaler Banalisierung und Verallgemeinerung nicht nur dumm, sondern sogar ein bissl gefährlich. Weil auf diese Weise saublöde Klischees entstehen, die für nicht minder blöde Denkreflexe sorgen: Menschen im Porsche haben in Wirklichkeit ein Potenzproblem. Frauen mit roten Haaren sind raffinierte Luder im Bett. Stille Wasser sind tief. Und um wieder zum Eis zurückzukehren: Exzessive Bananeneisliebhaber sind – so wie es die Studie verlautbart – „Softies“, die bei jedem Katzenbild auf Facebook feuchte Augen kriegen. Das Schöne am Mensch-sein ist ja dessen Vielschichtigkeit, Vielfalt und Tiefe – und das wiederum macht das Faszinierende an der Sexualität aus. Dass das, was jeder Einzelne – das Individuum – vorgibt zu sein, womöglich ganz anders ist. Das Geheimnis von Eros ist dessen Geheimnis. Daran kann auch so manche Sex/Eis-Studie nix rütteln.

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