Nicht abgeneigt
in Begriff macht sich zunehmend in unserer Beckenlandschaft breit: Casual Sex. Das ist zwar nichts anderes als etwas, das eh schon immer existierte, aber dann doch moderner. Zumindest der Begriff hat weniger Patina. Casual Sex kommt geschmeidiger als etwa „Sex ohne Verbindlichkeiten“, das viel eher nach Finanzamtformular-Deutsch klingt als nach prickelndem Date. „Fick-Beziehung“ wiederum hat was Derbes, anrüchig dumpf-Triebhaftes. Und Verhältnis? Könnte auch aus dem Tagebuch von Mama oder Papa stammen: „Hilfe, mein Mann hat seit fünf Wochen ein Verhältnis mit einer anderen.“ Riechsalz, bitte. Aber Casual Sex, der hat was von Casual Wear: Ein Outfit, das man anzieht, um Spaß zu haben – locker, beiläufig, salopp. Heißt: Zwei treffen einander, finden einander nett, vögeln ein paar Mal, um danach entspannt zu sagen: „Ciao, super war’s, bei Gelegenheit gerne wieder. Oder auch nicht.“ Im (theoretischen) Idealfall schwingt da nichts von Haben-Wollen oder Bleiben-Wollen mit. Es sind Erlebnisse, die die Beteiligten als anregenden Zwischenstopp im Strom des Alltäglichen empfinden – irgendwo angesiedelt zwischen One-Night-Stand und Affäre. Eine Lebens/Liebesform, die sich aus einer neuen gesellschaftlichen Ordnung entwickelt hat, in der geradlinige Biografien immer rarer sind. Vor allem bei jungen Menschen, die hart daran arbeiten, etwas zu „werden“, an ihrer Karriere basteln. Für sie bleibt oft wenig bis gar keine Zeit, um es sich in einer Beziehung gemütlich zu machen. Dazu kommt, dass die Aggregatzustände der Liebe mehr denn je wechseln. Beziehungen kommen und gehen, die Lust bleibt – beziehungsweise kehrt immer wieder. Weil aber oft keine Zeit mehr bleibt, jeden Abend in einer anderen Bar auf „Aufriss“ herumzukugeln, sagt der Hedonist dankeschön. Dafür, dass es das Internet gibt, soziale Netzwerke und die Möglichkeit, zu finden, wenn man sucht. Von Facebook über Instagram bis Tinder. Tinder ist relativ jung – erreichte von den USA und von England aus auch die Österreicher. Das Prinzip: Man loggt sich per Facebook ein und erlaubt der App Zugriff auf alle Daten, sowie den geografischen Standort. Daraus sucht Tinder andere kontaktfreudige Nutzer im näheren Umkreis. Das erleichtert natürlich so manches – also auch die Sache mit dem Casual Sex-Dings. Das erforscht übrigens die amerikanische Sexualwissenschaftlerin Zhana Vrangalova. Sie „studiert“ die vielen verschiedenen Facetten von Sexualität – vor allem aber alles, was vom üblichen Monogamie-Konzept abweicht. Dafür hat sie vor Kurzem das „Casual Sex Project“ ins Leben gerufen. Ein Online-Portal, auf dem Menschen ihre Erfahrungen mit Gelegenheitssex anonym posten können. Vrangalova interessiert, wie es Frauen und Männern damit geht, um mit Vorurteilen und Missverständnissen aufzuräumen. Etwa, dass Gelegenheitssex zwingend ins Unglück führt, in „posttraumatischer Hätte-ich-es-doch-lieber-nicht-getan“-Störung endet. Die Wahrheit: CS wird höchst unterschiedlich erlebt – als alles verändernder Befreiungsschlag, aber auch als Erlebnis, das man rasch wieder vergessen möchte. Bös’ ist daran eher nix.
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