Nachspielergebnisse

Was Fußball-Weltmeisterschaften mit Sex zu tun haben, wird laut Medien neun Monate später offensichtlich: jede Menge. Denn auch dieser Tage wurde über die „Kinder des Nachspiels“ berichtet, die etwa in München vermehrt das Licht der Welt erblicken. Sie wurden während der letzten WM in Brasilien gezeugt. Aber warum?

Monate später – und zwar exakt nach Ende einer Fußball-WM – geistern in deutschen Medien Meldungen zum Thema „erhöhte Geburtenrate“ herum. Im Jahr 2010 sprach man etwa schwülstig von „Sommernachtskindern“ und titelte: „Schweini und Poldi sei Dank – wir werden Eltern!“ Die „Kinder des Nachspiels“ wären das Ergebnis einer Libido-Hausse auf Basis exzessiver Ballgefühle. Nun ist es wieder so weit: So titelte die Süddeutsche Zeitung vor kurzem mit „Lauter kleine Weltmeister“. Und schrieb: „Im Sommer 2014 gewann Deutschland das Finale von Rio. Neun Monate später sind alle Geburtsstationen gefüllt“ – zumindest irgendwo in München. Eine Gynäkologin sagt: „Die Weltmeisterschaft ist für mich eine plausible Ursache.“ Ein paar Tage später wird das an gleicher Stelle von cleveren Statistikern widerlegt, die hier keinen Zusammenhang sehen könnten. Reiner Zufall, nix erwiesen. Wie auch immer – das Thema „Nachspiel“ ist eine nähere Betrachtung wert. Nun, persönlich tu ich mir etwas schwer, weil ich dem Thema Fußball recht wenig abgewinnen kann. Folglich konnte ich in den vielen Beziehungsjahren mit einem Fußball-Aficionado diesbezüglich keine Lust-Amplitude himmelwärts erkennen. Im Gegenteil. Dass das Thema Fußball und Sex aber eine spannende Kombination ergibt, möchte ich gar nicht bestreiten. Zumal ja der Typus Kicker erotisch mitunter recht ansprechend sein kann. Dazu vielleicht ein kleiner Sidestep: In dem Buch „Those Feet: A Sensual History of English Football“ schreibt ein gewisser David Winner, Fußball habe sich in England des 19. Jahrhunderts nur deshalb so erfolgreich ausgebreitet, „weil die Obrigkeit darin ein probates Mittel zur Bekämpfung der Masturbation während der Pubertät“ gesehen habe. Ob das jetzt auch für das Publikum gilt, wird allerdings nicht verraten. Aber natürlich ist gut möglich, dass so eine WM auf Volk und Fans sehr stimulierend wirkt. Überhaupt für Menschen, die in einem „weltmeisterlichen“ Land wie Deutschland leben und lieben und so eine Fußball-WM dann auch nicht gerade als alltäglich erleben. Da braucht man gar kein Sexualtherapeut zu sein, um zu wissen: Nicht-Alltäglichkeit tut der Geilheit immer gut. Man trinkt ein bissl, man freut sich ein bissl, man feiert ein bissl – und dann will selbst die müdeste Mutti noch ein bissl vögeln. Am Ende vielleicht sogar weltmeisterlich. Interessant in diesem Kontext ist aber auch, dass erhöhtes Lustaufkommen häufig in Zusammenhang mit anderen außergewöhnlichen oder gar extremen Situationen in Zusammenhang gebracht wird. Wie etwa Stromausfälle, Wirtschaftskrise oder lebensbedrohliche Momente. Gerne wird der „große Stromausfall“ im Jahr 1965 in New York genannt. Neun Monate später vermerkte man in der „New York Times“ eine signifikant hohe Geburtenrate. Ach ja: Krisen-Sex scheint auch im „Kleinen“ für den gewissen Kick zu sorgen, wie ein Leserinnen-Mail an mich zeigt: „Komisch. Mein Mann und ich befinden uns in einer Krise. Wir streiten viel, versöhnen uns, überlegen die Trennung. Doch was passiert? Ich war schon lange nicht mehr so scharf auf ihn wie gerade jetzt. Was meinen Sie?“ Ein klarer Fall von „Carpe diem“, meine ich.

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