Mein Date mit der Domina

Sie wirkt apart und weltgewandt. Contessa Juliette – so der Künstlername – ist eine sympathische Erscheinung. Pikantes Detail: Die Geschäftsfrau verdiente viele Jahre lang als „Herrin“ an Menschen mit devoter Neigung gutes Geld. Jetzt hat die Domina a.D. ihre Memoiren geschrieben – und die liefern so manchen Blick in den Abgrund.

Wien. Mailand. Berlin. Die Frisur sitzt. Genauso wie die Strümpfe, die lackierten Nägel, der Eyeliner. Und die Sprache – präzise und fein formuliertes Hochdeutsch, in das sich hie und da leises Wienerisch schwindelt. Vor mir sitzt eine Frau – eine die daheim mitunter alte Socken trägt –, die auf mich beinahe makellos und perfekt wirkt. Frau Juliette ist jemand, den jeder Mensch als apart und nobel empfinden würde.


Soeben hat Juliette ihr erstes Buch geschrieben. Es sind Memoiren. Nix aus dem Genre Rosenzucht oder Landhaus-Deko und auch keine Fibel zum Thema „Gutes Benehmen“. Frau Juliettes Büchlein hat den Titel „Der Engel mit der Peitsche. Der Weg der Herrin“ (z.B. bei Amazon als Download erhältlich). Darin findet man Passagen wie diese: „Du brauchst keine Angst zu haben, sagte ich, ich möchte bloß, dass du das Gefühl des völligen Ausgeliefertseins erfährst. Ich werde dich jetzt fesseln. Tims Oberkörper war fixiert. Ich spreizte seine Beine …“ Oder: „Ich war eine liebe Domina, wie manche Sklaven treuherzig versicherten. Ich sorgte mich um das Wohl des Kunden. Ich war streng, konsequent, herrschend, unbarmherzig – aber immer wusste der Sklave, ich würde Acht geben, damit ihm nichts geschähe.“


Die Dame, die vor mir sitzt und an ihrem teuren Schmuck nestelt, war nicht nur eine erfolgreiche Geschäftsfrau, sondern viele Jahre lang auch Nebenerwerbs-Domina. Seit einiger Zeit hat die Herrin jedoch ihre Peitsche zur Seite gelegt, sich nach Italien zurückgezogen und widmet sich dem Schreiben.


Das wiederum führte zu meinem ersten Date mit einer Domina. Man weiß ja einiges über Sadomasochismus abseits von Pseudospielereien mit plüschig verzierten Handschellchen und Peitscherln, die als Staubwedel dienen könnten. Doch welche Fragen stellt man einer Frau, die sich als Contessa Juliette und ihrer Agentur „Bizarr-Escort“ weit über Wien hinaus einen Namen machte und der ein ganzes Bataillon von Devoten die Füße küsste? Die daher auch nicht zurückschreckte, ihre Kunden wie ein Paket zu verschnüren oder sie in Ganzkörper-Latex zu verstauen.


Da ist einmal die Frage nach dem Warum. Wie kommt man auf die Idee, Männer (auch Frauen) zu demütigen? Juliette lächelt. Die Dominanz sei immer schon da gewesen, sagt sie. Als junges Mädchen habe sie bestimmt, wo es lang ging. Sie beschützte, befahl, schaffte an. Später auch im Bett: „Das hatte nichts mit Schmerz zu tun, es ging mir um das Gefühl der Macht. Ich wollte bestimmen, was passiert.“ Wenn es auch nicht für jeden nachvollziehbar erscheint – Frau Juliette machte daraus eines Tages ein Geschäftsmodell und demütigte so ziemlich alles, was einen Geschlechtsteil und das nötige Kleingeld hatte. Menschen mit einer speziellen Neigung oder solche, die sich einfach nur eine Stunde fallen lassen wollten. Die – indem sie sich unterwarfen – entlastet wurden. Oder wie sie selbst sagt: „Rechtsanwälte, Chirurgen, Geschäftsmänner, Müllmänner, Schwerarbeiter, Bauern, Pensionisten. Ich hatte alles.“

Lesen Sie in zwei Wochen: Über Sehnsucht, Lust, Sittenverfall und Juliettes Tipps für die Ehe.

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