Erlebenslust

Untreue – was dann, die zweite: Ja, es tut weh. Und ja, die „Betrogenen“ dürfen toben, wüten, weinen. Und so richtig laut schimpfen. Aber sofort die gemeinsame Lebensbühne verlassen? Bitte nicht. Weil ein Seitensprung auch immer eine Chance ist, darüber nachzudenken, was eine Beziehung „leisten“ kann. Und was nicht.

Fortsetzung von vergangener Woche rund um das Thema „Untreue – was dann?“ Zur Auffrischung: Ich zitierte den Sexualtherapeuten Ulrich Clement, der von „respektvollem Fremdgehen“ sprach. Das ist der Fall, wenn die Integrität des Langzeitpartners nicht verletzt wird. Dazu fällt mir folgender Satz ein: „Fremdgehen ist ungefährlich – beim Fremdfliegen beginnt das Problem.“ Das klingt nach lässigem Herumtheoretisieren. Rein praktisch draufzukommen, dass die Partnerin/der Partner beliebt, aushäusig mit jemandem anderen zu kommen, gehört nicht zu den großen Momenten des Lebens. Um es einen Hauch dramatischer zu skizzieren: Da stirbt und zerbricht etwas – der Glaube, die Unschuld gewissermaßen, ein Konzept, von dem man dachte: Hey super, das funktioniert (vielleicht ist das ja ein Mitgrund, weshalb viele erst gar nicht hinschauen und den Betrug still hinnehmen bzw. so tun, als gäbe es ihn gar nicht). Und wie das so ist mit dem Sterben – es folgen die vielen mühsamen Stufen des „Verdauungsprozesses“: vom Unglauben zur Wut, zur Trauer, zum Annehmen oder aber, wie meistens in der Causa „Verhängnisvolle Affäre“: zum Nicht-Annehmen. Heißt: Über die Wut ist nicht hinwegzukommen – was, übersetzt, dann bedeutet: Aus & Tschüss, Drama, Trennung, Besuchsregelung, Vermögensaufteilung, Hass.

Ich meine, es geht – meist – anders. Vorausgesetzt, der Partner hat kein Dauer-Abo in den Armen der/des „anderen“ und dem ganzen Fremdgeh-Fiasko liegt keine perfide Strategie zugrunde, gilt fürs erste einmal: Hinsetzen. Achtel trinken. Reden. Noch ein Achtel trinken. Oder Grünen Tee. Ich sag’ das, weil ich überzeugt bin, dass es innerhalb so eines Liebes-Dramas keine Opfer/Täter-Konstellation gibt. Sondern, dass der Geschichte eine Geschichte zugrunde liegt – die aber haben beide inszeniert und damit auch beide zu verantworten, zu bereden, zu diskutieren. Ja, schon: Der/die „Betrogene“ soll und muss im ersten Entsetzen, in der ersten Wut, in der ersten Erschütterung alles dürfen. Nein: fast alles. Schreien, auf den Tisch hauen, davonrennen, die Hochzeitsurkunde zerschnipseln und ausufernd schimpfen. Aber dann. Dann gilt das Prinzip des Innehaltens. Um nachzudenken, was passiert ist, wie es passieren konnte. Es gilt weiters zu reflektieren, welche Kräfte in uns wohnen. Jene Kraft, die uns immer wieder Neues entdecken lässt, etwa. So ein Biest. Und wenn’s, in dem Fall – verdammte Scheiße noch einmal – jemand anderer ist. Das ist halt Rausch – für ein, zwei, vielleicht drei Mal. Und nur so: Die meisten Seitensprünge passieren nicht, um den eigenen Partner zu verletzen. Es ist nichts Persönliches. Es ist viel eher ein Nicht-anders-mehr-können. Druck. Leidenschaft. Gier. Erlebenslust. Nicht zuletzt zählt die Frage: Lieben wir noch? Ein zentraler Punkt. Wenn ja, dann muss klar sein: Lieben heißt lernen. In dem Fall: lernen, was im Alltag verloren gegangen ist – die Achtsamkeit, die Magie, das Bemühen um den anderen. Um weiters zu erkennen: Nein, wir sind keine Wunderwuzzis, und es ist nicht möglich, dauerhaft alles sein und alles leisten zu können. Dann verändert sich was. Vielleicht nicht viel. Aber genug, um zu verzeihen. Und zu bleiben. Um Monate später vielleicht sogar darüber zu lachen.

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