"Ein bisschen besoffen"
Um ehrlich zu sein: Mir reicht’s. Da saß ich, zappte in den TV-Kanälen herum und blieb beim größten Schwachsinn seit Erfindung der "Braun’schen Röhre" hängen: The Bachelor. Ein Mann und sein Harem – er hat die Wahl. Ein Haufen Blondinen, allesamt mit falschem Nagelwerk, dünn, zickig und penetrant Rosa, buhlt um die Aufmerksamkeit eines blauäugigen Typen, der bevorzugt mit weit offenem Hemd und Cabrio den soften Superjohnny gibt. Nur so: Die einzig Vollschlanke wurde rasch von Monsieur "Ich-probier-sie-alle-aus" mit dem Satz "Tut mir leid, aber die passt einfach nicht zu mir" abserviert.
Das passt perfekt. Denn beim "Bachelor" werden Fernseh-Bilder transportiert, die symptomatisch sind für ein Format, das ich "Selektions-Showbusiness" nenne: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Erotisch ist, was makellos daherstöckelt. Dabei werde ich das Gefühl einfach nicht los, dass der Schmus "Es zählen hier ja auch die inneren Werte" dem ganzen Wahnsinn nur scheinhalber aufgepfropft wird, damit die Sache nicht ganz so schmierig daherkommt. Also hören wir in den Mädchenzimmern all jener Pubertierenden und Halbwüchsigen auf Sinn- und Identitätssuche den kollektiven Aufschrei: "Wah, hat die eine tolle Figur! Wuh, schau mal die dünnen Arme, wieso hab ich die nicht? Pfuh, solche Beine hätte ich gerne." Und mir wird schlecht. Denn danach blicken sie in den Spiegel und verzweifeln an dem "Und warum schau ich so nicht aus?"
Mir wird auch schlecht, wenn ich in manchen "Heidi-sucht-das-deutsche-Modelfräulein" à la "Germany’s Next Top Model"-Tickern schmökere: 22.13 Uhr: "Du sieht ein bisschen besoffen aus, wenn du gehst", sagt Wolfgang (Joop). "Dein Gesichtsausdruck ist katastrophal. Gekünstelt", sagt Heidi. Die Jury ist sich einig: "Franzi taugt nicht zum Model". Als Mutter denke ich mir da: Leute, rennt davon! Rennt in die nächste Backhendlstation, esst was und pfeift auf die blöde Bande! Aber nix da. Die Mädels laufen weiter und lassen sich beschimpfen, die Sendung läuft, das Leben läuft, als wäre nix. Und am nächsten Tag flattert mir dann das da auf den Schreibtisch: "Eine Barbie im Badeanzug schmückt die Jubiläumsausgabe der "Sports-Illustrated-Bikini-Edition." Und das, obwohl seit Jahren versucht wird, Barbies’ vermeintliche Traumfigur zu entmystifizieren. Weil sogar deren Designer zugeben, dass ihre Maße völlig unrealistisch sind.
Was das mit Sex zu tun hat? So viel! Abgesehen davon, dass all die falschen Bilder, die da transportiert werden, unglaublichen Druck auf heranwachsende junge Frauen machen: Wer in seinem Körper nicht wohnt, wer ständig mit Gewicht, Maßen und Aussehen hadert, wird nie bei sich ankommen. Das führt zur einer permanent-kritischen Selbstbeobachtung, zu Kontrolle, zu Verkrampftheit – zu einem Non-Stop-Baucheinziehen, das alles furchtbar eng macht. Auch die Lust – weil das Hecheln nach dem Ideal-Zustand keine Entspannung mehr zulässt. Nur so: Es geht nicht darum, sich zu überfressen und fett zu werden. Hingegen geht es darum, dem Körper zuzuhören, mit ihm zu sein. Und nicht gegen ihn. Davon profitiert die Lust am Leben – und am Sex.
Kommentare