Das Ende der Selbstbedienung
Am Anfang stand der Wunsch nach einer Überdosis Testosteron. Alexander Rhodes, damals junger Student aus Pittsburgh, hatte irgendwo gelesen, dass der Männlichkeitshormon-Spiegel einen Gipfel erreichen könnte, würde man sieben Tage nicht ejakulieren. Das klang für ihn nach harten Fakten und einem interessanten Experiment: Rhodes hörte auf, Hand an sich zu legen, in der Hoffnung, dass etwas ganz Besonderes mit seiner Männlichkeit passieren würde. Nicht nur: Er entsagte auch der Internet-Pornografie, die er zuvor reichlich konsumiert hatte. Erst eine Woche, dann länger. Was daraus werden sollte, hatte er damals wohl nicht geahnt. Doch der Reihe nach:
Rhodes – mittlerweile 24 Jahre alt und Programmierer – begann, wie es heute eben so üblich ist, seine Erfahrungen im Internetforum " Reddit" zu veröffentlichen. Als eine Art lockeren "Anti-Onanie-Blog", den er "NoFap" nannte. Fapping ist die englisches Slang-Bezeichnung für onanieren. Konkret ins Deutsche übersetzt, würde es also "wichsen" heißen. Nach und nach gesellten sich weitere junge Herren dazu, heute tauschen sich hier knapp 95.000 Ex-Selbstversorger aus und bekennen sich zum Wandel vom Saulus zum Anti-Porno & Do-it-yourself-Paulus. Das hat weder etwas mit Religion zu tun, noch gehören all diese Typen irgendwelchen radikalen Keuschheits-Vereinen an – nein: Auf gewisse Weise handelt es sich dabei um Selbsterfahrung durch Verzicht. Eine Art Detox-Programm für Hirn und Hoden, mit dem Ziel, klarer zu sein. Und mehr bei sich. Eine "ultimative Herausforderung" wie auf der dazugehörigen Website nofab.org zu lesen ist. Aber immerhin eine, durch die man "Superkräfte" verliehen bekommt. Rhodes nennt seine Schicksalsgefährten Fapstronauten, er gibt ihnen Durchhalte-Tipps. Weil er weiß, wovon er schreibt: Als "Hypersexueller" hat er sich einst sechs Mal pro Tag einen runtergeholt – zu exzessivem Pornokonsum im Netz. Eines Tages registrierte er, was ihm zunehmend fehlte: Die Fähigkeit zur Hinwendung, Empathie, zur Liebe – zu einer echten zwischenmenschlichen Beziehung. Viele junge Männer berichten, dass der Verzicht auf Pornos und Onanie ihr Leben positiv verändert habe. Sie wurden, im besten Sinn, männlich.
Damit klar wird, was hier gemeint ist: Nein, es geht nicht um genussvolles, erotisches Mit-sich-Sein, sondern um exzessive Masturbation. Von der die bekannte amerikanische Sex-Expertin Ruth Westheimer sagt: "Wenn Sie ein zufriedenes Leben führen, Freunde haben, sich in einer liebevollen Partnerschaft befinden und Sie beide mit Ihrem Sexleben zufrieden sind, spielt es wirklich keine Rolle, wie oft Sie masturbieren. Wenn Sie aber einsam und allein sind und sich auf Masturbation verlassen, um sich besser zu fühlen, anstatt sich daran zu machen, Ihr Leben so zum Funktionieren zu bringen, wie Sie es eigentlich haben möchten, dann könnten Sie zu oft masturbieren, egal, wie selten Sie es wirklich tun."
Vom Wichser zum Superman also – lustig, was Fapstronauten so im Forum schreiben: "Seit ich nicht mehr masturbiere, habe ich den Röntgenblick, kann fliegen und backe hervorragende Cupcakes!"
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