Brei statt Blowjob

Eltern mit einem Neugeborenen leiden nicht nur an Schlafmangel, sondern meist auch an einem Sexmanko. Der Eindruck, dass die lieben Kleinen just dann brüllen, wenn sich die Mami ausnahmsweise mal näher mit Papi beschäftigt, ist nicht ganz falsch. Dazu haben Evolutionswissenschaftler jetzt sogar eine eigene Theorie.

Den Verdacht hatte ich ja immer schon: Babys und kleine Kinder spüren exakt, wann sie nachts weinen und brüllen müssen. Und zwar meist dann, wenn Mami und Papi sich zum gemeinsamen Turnen aufraffen. Weil sie als Frau und Mann finden, es wäre wieder einmal Zeit für einen Geschlechtsverkehr, den sie mangels passender Gelegenheit, Dauermüdigkeit und latenter Erschöpfungs-Lustlosigkeit seit Monaten nicht mehr so richtig hatten. Dabei gibt man sich in den Phasen des frühen Familienglücks eh sehr bescheiden: Es reichen ein paar schnelle, getriebene drei, vier Minuten, damit sich ausgeht, was sein sollte. Von Exzessen keine Rede mehr – apropos: Was ist das überhaupt? Dass das Quengeln der Säuglinge eine Art „Kalkül“ ist, scheint nun sogar wissenschaftlich untermauert: Säuglinge tun es nachts nicht nur, weil sie an Mamas Naturmilch-Bar wollen, schreibt David Haig von der Harvard University im Fachjournal „Evolution, Medicine und Public Health“. Vor allem stören sie, um die Eltern vom Sex abzuhalten. Das natürlich nicht aus Jux, Tollerei und Lust an der Weltherrschaft, sondern schlicht, um möglichst lange die ungeteilte Aufmerksamkeit der jungen Eltern zu genießen. Im Jargon von Evolutionswissenschaftler heißt das dann ungefähr so: „Babys stellen ihr Überleben sicher.“ Für diese These spricht – abgesehen vom subjektiven Eindruck der Eltern – einiges. Etwa, dass Stillen ebenfalls schwangerschaftsverhütend sei. Der Körper der Mutter produziert während des Stillens ein Hormon, das den Eisprung hemmt. Das ist zwar alles, nur keine hundertprozentige Verhütungsstrategie, aber zumindest ein Statement der Natur. Wissenschaftler Haig hält sie für evolutionsbedingt. Studien hätten nämlich gezeigt, dass zu kurze Abstände zwischen den Geburten zu einer höheren Sterblichkeit bei Säuglingen und Kleinkindern führen, vor allem in Ländern mit unzureichender Versorgung und vielen Krankheiten. Forscher Haig dazu: „Indem Kinder die Geburt jüngerer Geschwister hinauszögerten, erhöhten sie ihre eigenen Überlebenschancen.“ Das klingt alles sehr logisch. Aber was tun damit? Nun, auf den ersten Blick hilft die interessante Erkenntnis jungen Eltern nicht sehr viel weiter. Es ist, was es ist: irgendwie blöd. Nach den ersten Tagen des zarten Familienglücks wacht zunächst der Vater auf und fragt sich: War's das jetzt? Wird das Parfum des Lebens in Zukunft nur mehr nach angekackten Windeln duften und sich mein Eros in der Onanie verlieren? Und auch Frau Mama wird sich vermutlich, mit etwas Zeitverzögerung, nach jenen Zeiten sehnen, als B für Blowjob stand und nicht für Blähungen, Brei und Beißring. Auf der anderen Seite aber erweitert sie vielleicht doch ein wenig den Verständnis-Horizont all jener, die mit Augenringen durch die Gegend schlurfen und sich als graues Neutrum empfinden. Um zu verstehen, dass das kleine Wesen kein Monster ist, das sich denkt: „So, jetzt verderbe ich meinen Eltern alles.“ Es ist einfach nur da und in die Welt geworfen, es hat ein Bedürfnis. Das Bedürfnis, umsorgt, versorgt, verhätschelt und geliebt zu werden. Dass es sich dabei als Zentrum des Miniversums wähnt, ist ganz gut so. Sex kann warten.

Kommentare