Mehr Lust - aber wie?
ist zu vermuten, dass das auch die Männer ziemlich gut finden: die Lustpille für Frauen, nämlich. Sie wird mit hoher Wahrscheinlichkeit demnächst auf den Markt kommen – in den USA erst einmal, aber dann wird es wohl nicht allzu lange dauern, bis auch europäische Frauen ihre Libido chemisch ein wenig pimpen können.
Die Wirkweise des viel zitierten „rosa Viagra“ ist naturgemäß anders als beim männlichen Pendant. Die blaue Pille wirkt direkt vor Ort, während Mothers little helper woanders ansetzt: oben statt unten. Im Gehirn also. Flibanserin, so heißt die Substanz, war ursprünglich als Antidepressivum gedacht. In Studien hat sich jedoch gezeigt, dass jene Damen, die sie schluckten, nicht nur in der Seele heiter waren. Klingt fein. Aber nicht alle Experten betrachten die „ Lustpille für sie“ als erfinderischen Höhepunkt. Manche meinen nämlich, dass die Nebenwirkungen in keinem Verhältnis zu den Wirkungen stünde – und die Entscheidung „Ohnmacht versus Orgasmus“ dann doch ein wenig schwer fiele. Und viele Sexforscher sind sowieso der Überzeugung, dass die weibliche Libido viel zu komplex wäre, um sie mit einer Tablette in den Griff zu kriegen. Wenn der Wäschekorb übergeht, der Mann nach Bier stinkt und kein Geld auf dem Konto liegt, hilft dann auch keine XXL-Packung Lust-Pille.
Die amerikanische Sexualwissenschafterin Emily Nagoski meint dazu: „Das Medikament soll Ihre Bremsen lösen, indem es Ihr Gehirn ändert, statt den Kontext zu ändern.“ Aber ohne die „Änderung des Kontexts“ ist leider nix, so Nagoski: „Wir müssen die äußeren Umstände und die innere Verfassung wie Stress, Zuneigung, Selbstkritik und Abscheu ändern. Dafür braucht’s keine Pille.“
Was braucht’s stattdessen? Vielleicht wieder einen etwas entspannteren Umgang mit Sexualität. Mehr Flow und Slow, weniger „So vögeln Sie richtig“. Was wir nicht alles sein müssen: Sanft und wild. Schön und schlampig. Langsam, aber im richtigen Moment dann doch wieder: Husch, pfusch & wusch! Und sonst? Langes Vorspiel, heftiger Quickie, streicheln, beißen, kitzeln, flüstern, schreien, lieb sein, anal, doggy, bös sein, brav sein. Bitte, danke – nein! Schluss mit Leistung.
Stattdessen könnten zwei, die miteinander schnackseln, auch miteinander reden. Etwa darüber, wie dieses Miteinander feiner werden kann – was gut ist, was nicht, was fehlt. Wovon jeder für sich träumt und wovon nicht. Außerdem wär’s nicht übel, würde man wenigstens ein bisschen Ahnung vom eigenen Körper haben – als Frau etwa die Kenntnis darüber, was mir wirklich Lust beschert: Wie werde ich wo gerne berührt? Was turnt mich an? Welche Worte brauche ich, um das Kino im Kopf anzuwerfen? Vor allem aber: Wie viel bin ich bereit zu tun? Und: Was muss passieren, damit ich mich fallen lassen kann?
Schließlich ist Lustempfinden auch eine Sache von Empathie – im Sinne von Achtsamkeit für mein Gegenüber. Deshalb ist Slow Sex manchmal so fein, bei dem es darum geht, zu genießen was ist, sich treiben zu lassen und das vor allem ohne das übliche Leistungsziel des Orgasmus. Da kann Großartiges passieren – vor allem aber bleibt Zeit, den anderen in seiner Lust so richtig zu spüren.
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