Abschalten macht an

Die neue Kampagne eines Kondomherstellers propagiert eine simple Strategie zur Hebung des Lustniveaus: Smartphones aus! Ziel ist es, Paare dazu zu bringen, ihre Handys beiseite zu legen, um in der realen Welt Zeit miteinander zu verbringen. Guter Gedanke: Denn um einen Menschen zu spüren, sollte man ihn auch anschauen.

Operation gelungen, Liebe lebt: Das ist, was mir spontan zu einer aktuellen Kampagne des Kondomherstellers Durex einfällt. Von Anfang an: Vor einigen Wochen verkündete das Unternehmen, dass es nun #DurexLabs gäbe. Eine Unternehmenssparte, die demnächst eine neue App auf den Markt bringen würde – mit dem Ziel, das Sexleben von Millionen Menschen auf der Welt zu verbessern. Dann folgte ein Video, in dem Paare über ihren Umgang mit dem Smartphone plaudern – als selbstverständlicher Teil des Lebens und Liebens. „Ich teile mein Bett mit Facebook“, sagt eine Frau. Jemand meint, er würde mit Twitter betrogen. Man erfährt von Frauen, die sich via Handy im Shopping-Fieber verlieren und von Männern, die unter der Decke heimlich Online-Games spielen. Was sich jedenfalls zeigte: Es gibt kaum mehr Menschen, die nicht mit ihrem Smartphone „ins Bett“ gehen und dort surfen statt sich dem Partner zu widmen. Nur so ein Gedanke: Es gab doch einmal eine Zeit, da zogen sich Paare ins Schlafzimmer zurück, um zu vögeln? Heute würden – laut Studie – viele Menschen eher auf Sex verzichten als auf ihr Handtelefon. Zurück zu Durex: Im Video wurde den Paaren schließlich die erwähnte Wunder-App in Aussicht gestellt. Die würde mehr Nähe garantieren – und damit besseren Sex und mehr Orgasmen. Aber hallo! Die Menschen nickten angeregt – denn ja, das wär’ schon was. Alle hatten diesen speziellen „Will haben“-Ausdruck im Gesicht. Überraschend wird der Film in jenem Moment, in dem das Geheimnis der neuen „Sex-Technologie“ gelüftet wird. Und das – tata! – könnte kaum simpler sein. Es reduziert sich auf ein banale „Eh, klar-Botschaft“, die da lautet: Drückt den Ausknopf! Auf der Durex-Homepage dazu die Botschaft: „Verbringt im realen Leben Zeit miteinander. Schaltet die Technologie ab und schaut, wohin es euch beide bringt!“ Und: Abschalten macht an! Guter Gedanke – speziell zur vor uns liegenden Karwoche, die manche Menschen dazu nützen, um stiller zu werden. Das Geheimnis dieses „Still-seins“ liegt in der Reduktion auf Wesentliches, abseits des täglichen Irrsinns und Überflusses. Auf Beziehungen umgelegt: Echte Intimität – als zentrale Voraussetzung für Liebe und Eros – kann immer nur dort entstehen, wo Zeit ist, den Partner zu sehen. Und dafür braucht’s keine Lesebrille, sondern genau dieses Innehalten: um den anderen zu riechen, zu spüren und zu atmen. Um der Liebe Raum zu geben. Dass das nicht 24 Stunden pro Tag möglich ist – auch klar. Wichtig ist nur, dafür Raum zu schaffen – und da sind Smartphones manchmal ein Hindernis. Ein schönes Bild dazu liefert ein Konzept namens „Farbenlehre der Liebe“, das der deutsche Seelsorger Wilhelm Schmid propagiert. Demnach kann die Liebe am besten atmen, wenn sie zwischen verschiedenen Ebenen hin- und herwandern kann. Diese werden in Farben dargestellt: Goldene Stunden wären etwa jene, in denen Arbeiten leicht von der Hand gehen, graue Stunden sind (notwendiger) Alltag. Rosarote Stunden werden für erotische Begegnungen reserviert, rote für starke Gefühle, blaue für intensive Gespräche und lindgrüne für selbstvergessene Zufriedenheit. Dann sind die schwarzen Stunden auch kein großes Problem mehr.

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