Mailänder Friedhof: In Stein gemeißelte, verwirrende Ekstasen

Mailänder Friedhof: In Stein gemeißelte, verwirrende Ekstasen
Der Mailänder Friedhof ist ein Freilichtmuseum der besonderen Art und ein betörendes Erlebnis.

Zugegeben, ist man auf Urlaub, oder auch nur auf einem kurzen Wochenendtrip, gehören Friedhöfe eher selten zu den Sehenswürdigkeiten, die man sich vornimmt. Erst recht in Mailand. Wer in der Mode- und Designmetropole verweilt, freut sich aufs Shopping und entspannt sich danach bei einem Aperitivo. Trotzdem, wenn etwas Zeit übrig bleibt, sollte man den Cimitero Monumentale besuchen. Als kleiner Ansporn sei auch hinzugefügt, dass er nicht weit vom neuen Wolkenkratzerviertel Gae Aulenti ist und man mit der U-Bahn M5 schnell ins Szeneviertel Isola kommt.

Der Friedhof wurde 1866 eröffnet und war damals ausschließlich illustren Persönlichkeiten und dem städtischen Großbürgertum, die sich hier zu verewigen gedachten, vorbehalten. Daher auch die Wahl der Künstler. Von wegen Asche zu Asche, wie die Bibel lehrt. Hier hat die Crème de la Crème ihrem Talent freien Lauf gelassen: Medardo Rosso, Mosè Bianchi, Adolfo Wildt, Giacomo Manzù, Lucio Fontana, um nur einige der bekanntesten Künstler zu nennen.

Zu den beachtlichsten Familiengräbern zählt das der Campari – in Anlehnung an das von Leonardo da Vinci, stellt es ein in Stein gemeißeltes Letztes Abendmahl dar. Dagegen erscheint das Jugendstilgrabmal des Dirigenten Arturo Toscanini, in dem auch sein Schwiegersohn, der Pianist Vladimir Horowitz ruht, fast schon schlicht.

Monumental ist schon das Eingangsgebäude, das den Namen „Famedio“ trägt. In diesem werden bis heute jene Persönlichkeiten bestattet, die sich um die Stadt verdient gemacht haben. Das Freilicht-Museum beginnt gleich dahinter.

Aber auch die weniger monumentalen Grabstätten, die nicht im Reiseführer erwähnt sind, wirken fast schon betörend. Besonders, wenn sie weibliche Figuren darstellen. Die sinnliche Ekstase, die das Gesicht und der oft nur mit einem transparenten Gewand bekleidete Körper ausdrücken, zwingt so manchen Besucher, fast schon betreten wegzusehen. Es heißt, die Künstler hätten im Monumentale mit den Toten des Ruhms wegen gewetteifert. Andere scheinen sich ganz ihrem kreativen Trieb hingegeben zu haben.

Und dann ist da noch die Geschichte von Evita Perons Leichnam, beziehungsweise ihrer Mumie. Evita war 1952 an Gebärmutterkrebs gestorben, für die Argentinier, die sie anbeteten, eine Tragödie. Daher die Einbalsamierung. Die Generäle, die 1955 Peron mit einem Putsch absetzten, wollten auch dem Evita-Kult ein Ende setzen und brachten ihre sterblichen Überreste unter strikter Geheimhaltung außer Landes. Und so kam es, dass Evitas Mumie für sechszehn Jahre im Monumentale unter dem Namen María Magi de Magistris ruhte.

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