Langsam reisen: Neun EU-Regionen bieten "Slow Trips" an

Das Plakat im Hintergrund zeigt’s an: In Anger ist man gemütlich unterwegs, bald mit der Fahrrad-Draisine.
Einheimische und Alltagskultur kennenlernen, versteckte Winkel ohne Eile erkunden, regionale Küche genießen: Neun europäische Regionen bieten seit März Slow Trips an – darunter sind zwei österreichische Destinationen.

Die winzige Insel Braheholmen ist richtig „off-the-Grid“: kein fließendes Wasser, kein Strom, kein Wi-Fi, ein Klohäuschen im Freien. Das Eiland auf dem schwedischen Fläcksjön-See kann nur per Boot oder paddelnd mit dem Kanu erreicht werden. Kurzum, abgeschieden.

Der See liegt in Svartådalen (Tal des Schwarzen Flusses), eine offene Landschaft, mit Feuchtgebieten, Wiesen und Wäldern, zwei Autostunden nordwestlich von Stockholm. Ein einziges Gebäude steht auf der denkmalgeschützten Insel, in diesem Pavillon ist übernachten erlaubt – im Rahmen von „Slow Trips“. Alles, was dabei für zwei Tage benötigt wird – Kanu, Schlafsack, Kerzen, Klopapier, Seife, Grillmaterial, Trinkwasser und Frühstück – , wird zur Verfügung gestellt. Ha så kul! – Viel Spaß.

Wenn das nach ein bisserl zu viel Abenteuer und Autarkie klingt: Es geht auch gemütlicher. Ja, Sie müssen nicht mal weit reisen, um langsam anzukommen: „Slow Trips“ ist eine Idee aus Österreich.

Neun Reiseziele in sechs europäischen Ländern haben sich zu diesem neuen transnationalen Kooperationsprojekt (EU-gefördert) unter oststeirischer Federführung zusammengeschlossen. Die allesamt ländlichen Regionen konzentrieren sich auf nachhaltiges Reisen abseits des konventionellen (Massen-)Tourismus. Mit dabei sind die Oststeiermark, die Region Donau Oberösterreich, das Seenland Oder-Spree in Deutschland, Guttland in Luxemburg, Nedre Dalälven in Schweden, die Region Alytus im südlichen Litauen. Und Italien ist mit den drei Regionen Valle Umbra e Sibillini, Südöstliche sowie Südwestliche Basilikata stark vertreten.

Langsam reisen: Neun EU-Regionen bieten "Slow Trips" an

Was all diese Ziele trotz ihres unterschiedlichen Charakters von Land und Leute gemeinsam haben: Nicht der Reiseführer oder die Handy-App in der Hand erläutern staubtrocken Historisches über die Region, sondern Einheimische erzählen ihre Geschichten oder Geschichten ihrer Vorfahren und von Zeitzeugen, hautnah und lebendig. Teils wird man zu versteckten Orten und Hinterhöfen geführt, die ansonsten nicht für Touristen zugänglich sind. Es geht um Alltagskultur und gelebte Traditionen. Und, ganz wesentlich, um kulinarische Spezialitäten, am besten selbst zubereitet.

So führt ein Slow Trip zur 500 Jahre alten Posch Mühle in Hartberg, die heute noch intakt ist. Gemeinsam mit Müllermeister Roman Posch bereiten Besucher nach der Führung aus Heidenmehl, Wasser und Butter den regionaltypischen Sterz zu. Man spaziert zum lokalen Bauernmarkt, holt noch frische Zutaten, um den Heidensterz zu verfeinern.

„Es geht zum einen um das Besondere vor der eigenen Haustür. Authentische Erlebnisse – von Einheimischen für Einheimische“, sagt Projektmanagerin Barbara Stumpf. „Zum anderen geht es um den transnationalen Austausch. Wir können so viel voneinander lernen“, schwärmt Stumpf von ihren Besuchen bei Projektpartnern in Italien und Luxemburg. In einer Zeit, wo Fernreisen nur erschwert möglich sind und der globale Tourismus einen Wandel brauche, sei man mit „Slow Trips“ am Puls der Zeit, so Stumpf. Sie betont, dass es sich eben nicht um eine simple Sammelplattform für bereits bestehende touristische Angebote handelt, sondern mit Touristikern und Einheimischen Neues entwickelt wird.

Rauch auf dem Gleis und in der Stube

Seit 1. März sind die ersten Angebote bzw. Erlebnisse über die Website buchbar, und das Angebot wird Schritt für Schritt erweitert. Was Stumpf am Herzen liegt und in den Startlöchern steht, ist die Fahrt mit der Fahrrad-Draisine auf der Schmalspurbahn in Anger. Übernachtet wird im „Waggon-Hotel“, direkt neben den Gleisen der Feistritztalbahn.

Langsam reisen: Neun EU-Regionen bieten "Slow Trips" an

Als Erlebnis geplant ist auch eine Fahrt mit der Dampflokomotive – die Zugstrecke Weiz–Anger–Birkfeld besteht seit 1911 –, wo Jung und Alt im Lokführerstand mitfahren dürfen und man selbst Kohle schaufeln darf.

Apropos verraucht: Stumpfs Tipp ist die „Lost Places“-Tour in Anger, wo Interessierte viel über das unterirdische System in der Oststeiermark erfahren (790 Tunnel, Stollen und Durchgänge wurden rund um Vorau, Pöllau und Miesenbach gefunden) – und am Ende im Rauchstubenhaus aus dem Jahr 1450 landen, wo Koch Peter Almer am offenen Feuer einen typischen Häfennigl zubereitet. Am Ende steht ein wenig Rauch an der Raumdecke. Die Lebensweise der hiesigen Bergbauern anno dazumal kann so mit allen Sinnen nachempfunden werden.

Einige Beispiele buchbarer Angebote, Preise pro Person, mit Eigenanreise (auf slowtrips.eu):

– „Küche der Klöster und der Olivenhaine“, zwei Tage in der  italienischen Monastero Bevagna. Mit Kräuter sammeln, Show Cooking und Trekking, ab 290 €

– „Liebesgeschichte am Wasser“, zweitägiges Kanu-Abenteuer auf der schwedischen Insel Braheholmen in Nedre Dalälven, ab 220 €

– Pralinenworkshop in der Gutsküche des Schlossguts Altlandsberg (Seenland Oder-Spree), 4 Std., ab 60 €

– „Wie anno dazumal: Leben ohne Strom“, mit Wachsziehen und Kerzen herstellen sowie Wissen über Eis schneiden, in Waldhausen (OÖ), 30 €

– „Lost Places“-Tour in Anger (Stmk), ab 65 €

– Tour in der alten Mühle der Familie Posch (Stmk), mit Sterzzubereitung, 90 Min., ab 45 €

Allgemeine Infos

LEADER-Region Oststeirisches Kernland, hello@slowtrips. eu, Tel. 03334/31 478-0, slowtrips.eu

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