Na Und? Einfach nur: Na Und!
s ist ein paar Jahre her, da habe ich mich in dieser Kolumne über eine neue Modeerscheinung lustig gemacht: das „Coming out“, gerne auch „Sex-Beichte“ genannt. Was man da nicht alles erfuhr: Dass Schauspielerin X den Sänger Y mehrmals mit ihren Kuscheltieren betrog. Dass Regierungsmitglied Z eine Vorliebe für Doggy-Style hat. Dass Sternchen L auch im Winter nackt schläft. Und sich die Serienschauspielerin klar zur Masturbation bekennt. Ich fragte mich damals: wozu? Wo ist der Bus mit Leuten, die das interessiert? Ich frage mich das auch heute noch. Und gleichzeitig weiß ich, dass ich mit dieser Frage falsch liege. Denn der Voyeurismus, die Lust, durch eine Art Schlüsselloch zu schauen, die Gier nach Klatsch und Tratsch ist groß und liegt in der menschlichen Natur. Und für die, die sich outen, gilt natürlich der Werbeeffekt. Frei nach Oscar Wilde: „Es ist schlimm, wenn alle über einen reden, aber es ist noch schlimmer, wenn keiner über einen redet.“ Lieber peinlich, als irgendwo im Publicity-Nirwana unterzugehen.
Andererseits gibt es Outings, die nachdenklich machen. Insoferne, als man sich fragen muss: Warum muss ein Mensch heutzutage noch einen Anlauf nehmen, um etwa zu sagen, dass er schwul, lesbisch, transgender oder eben „sexuell flexibel“ – also Männern wie Frauen gleichermaßen zugeneigt – sei? Warum ist das nach wie vor mit einer Kraftanstrengung verbunden, mit Angst? Wieso gehört darüber gesprochen – weshalb kann es nicht einfach so SEIN? Doch nach wie vor geht ein Ah und Oh durch die Menge, wenn sich jemand „outet“. Wie etwa die Schauspielerin Kristen Stewart, die eröffnet, dass sie sich nicht auf ein Geschlecht festlegen möchte und sich sowohl mit Frauen als auch mit Männern vergnügt. Na und? Auch Lily-Rose Depp, 16 Jahre alt, Model und Tochter von Schauspieler Johnny Depp und Vanessa Paradis hat sich als nicht 100 % heterosexuell geoutet – um die „LGBT“-Community zu unterstützen – für „Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender“. Dafür zeigt sie ihr Gesicht her, konkret für die Initiative „Self Evident Truths“, ein Foto-Projekt, bei dem sich Menschen als „sexuell flexibel“ outen. Und wiederum: warum? Ich oute mich hier als heterosexuell. Wuh.
Aber klar, in einer Gesellschaft und auf einem Nährboden, in dem Begriffe wie „Spast“ oder „schwul“ beziehungsweise „herumschwulen“ nach wie vor als herabwürdigende Schimpfwörter benützt werden, ist das weiter nicht verwunderlich. Das offenbart die Enge, in der noch so viele leben und glauben, es sei recht so. Das öffnet die ganzen verdammten Schubladen, in denen viele Menschen wie in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung mit Einbauküche und Philodendron herumdümpeln. Das entlarvt ein weit verbreitetes Denken, das „Anderssein“ (als man selbst nämlich) als Angriff auf die eigene Festung interpretiert.
So. Und jetzt sei euch gesagt: Ich oute mich als Krautfleischhasserin und Frau, die Bier mit warmem Wasser trinkt, nachts weiße Socken trägt, im Winter einen Thermophor mit ins Bett nimmt statt eines heißblütigen Lovers. Ich oute mich, dass ich nicht jeden Tag Sex habe und noch nie in einem Swingerklub war. Ich oute mich als Mensch, einfach nur als Mensch. Schockiert? Gut so.
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