Marktgeschichten, Folge 6: Quit(te) Pro Quo

Nicole Ott ist Köchin, Gastronomin und Kochbuchautorin. Am Wiener Kutschkermarkt führt sie das Café Himmelblau
Alles über die Quitte: Gastronomin und Köchin Nicole Ott kennt sich aus und kreiert monatlich, exklusiv für die freizeit, ein Rezept mit dem angesagtesten Produkt der Saison.

Die Frucht der Göttin Aphrodite symbolisiert seit der Antike Liebe, Fruchtbarkeit und Glück. In der Küche hat sie die Zauberkraft für viele Gerichte – vom Salat  bis zur Marmelade.

Ein kühler Wind weht mir ins Gesicht, als ich an diesem Novembermorgen über den Markt eile. Ich bleibe bei Erol stehen, wünsche ihm einen guten Morgen, als mein Blick auf eine Kiste voller goldgelber Quitten fällt. „Das sind schöne reife Apfelquitten, riech mal, wie sie duften!“, ruft er mir zu. Ich stecke meine Nase in die Früchte und bin verzaubert von ihrem blumigen Aroma. Ich habe die Quitte, dieses vergessene Obst, vor ein paar Jahren im Nachbargarten kennengelernt. Beim herbstlichen Hundespaziergang ist mir der Baum aufgefallen, der über und über mit den gelben Früchten behängt war. So bin ich mit der Nachbarin ins Gespräch gekommen und sie hat mir von den Quitten erzählt, die ich mir gerne abholen könne. Gesagt, getan, die Quitten wurden gebrockt, vom Flaum befreit, mit Kraft geschnitten und mit Gewürzen und Zitronensaft pochiert.

Metamorphose zum Glück
Nur der Liebste, damals oft beruflich in der Türkei unterwegs, machte mir einen Strich durch die Rechnung. „Nicht so gut wie in der Türkei“, war das Urteil. Bis ich eines Abends die Quitten vergaß  und erst kurz vor dem Zubettgehen den Topf aus dem Backrohr holte. Da war die  Metamorphose passiert – die unscheinbaren, blassen, holzigen Früchte verwandelten sich in purpurfarbene, duftende Köstlichkeiten. Nun verstand ich auch, warum die Quitte die Frucht der Göttin Aphrodite ist – nicht nur ihre üppigen Kurven, sondern auch ihr Duft symbolisieren seit der Antike Liebe, Fruchtbarkeit und Glück. Ihren Ursprung hat die Quitte im Kaukasus, die Römer lernten sie bei den Griechen kennen und brachten sie über die Alpen zu uns.

Marktgeschichten, Folge 6: Quit(te) Pro Quo

Zurück zum Marktstand. „Ah, es gibt Quitten! Da ist der Winter nicht mehr weit!“, ruft eine ältere Dame. „Gerade richtig für das Quittenrotkraut zum Martinigansl! Und Quittenkäse kann ich heute auch gleich machen.“ – „In Spanien wird er Membrillo genannt und zu Manchego, dem spanischen Schafkäse, gegessen“, schmunzelt ein junger Mann, dessen Pullman Kapperl ihm ein verwegenes Aussehen gibt. „Ich möchte einen Lammtopf mit Quitten machen, mit Zimt und Safran, den habe ich im Urlaub in Marokko gegessen!“

Herbstsalat mit Quitten
Das werde ich meinem Koch Daniel vorschlagen. Der hat noch eine  Idee: Ein Herbstsalat mit pochierten Quitten, Ziegenkäse und Gewürz-Haselnüssen. Während ich die Quitten zuhause in Stücke schneide, denke ich daran, dass diese Frucht für mich  Mußestunden an  Herbstabenden symbolisiert. Ich stelle die Quitten ins Backrohr und habe  nichts anderes zu tun, als  Kerzen anzuzünden und mich mit dem Lieblingsbuch aufs Sofa zu setzen.
Am nächsten Tag koche ich die Marmelade, die mir von nun an mein Frühstücksbutterbrot versüßt, und die ersten Geschenke für meine Freundinnen sind so auch schon fertig. Ein Gläschen Marmelade darf bis Weihnachten durchziehen – serviert wird sie bei uns traditionell zum selbst gemachten Hühnerleberaufstrich. „Apropos Martinigansl“, sagt der Jüngste im Café zu mir, „Mit dem Quittensirup könnten wir doch mit Prosecco, Eiswürferl, Soda und ein bisschen Zitrone einen herbstlichen Aperitif kredenzen!“
Aber das ist eine andere Geschichte.

Rezept: Quittenmarmelade

Marktgeschichten, Folge 6: Quit(te) Pro Quo

Zutaten:
4 große Quitten, den Flaum abgerieben, das Kerngehäuse entfernt und geachtelt
1 Biozitrone, Saft ausgepresst, die Schalen aufgehoben
1/2 Sternanis
1/2 Zimtstange
5 Pimentkörner
1 grüne Kardamomkapsel, zerdrückt
1 TL Vanillezucker
Kristallzucker nach Bedarf

Das Backrohr auf 180 Grad vorheizen. Die Quittenstücke mit 1,5 l Wasser, dem Zitronensaft, den ausgepressten Hälften und den Gewürzen in einen Topf mit hitzebeständigem Deckel geben. In das Backrohr stellen und 3 bis 4 Stunden köcheln lassen, bis sich die Quitten tieforange verfärben.  Nun die Quittenstücke aus dem Gewürzsud heben und abwiegen, dann in einen flachen Topf geben und 70% des Gewichtes an Kristallzucker hinzufügen. Auf kleiner Flamme rühren, bis sich Saft bildet, dann die Temperatur erhöhen und ca. 5 Minuten sprudelnd kochen lassen, dabei stetig rühren. Dann vom Herd ziehen, mit einem Stabmixer pürieren und mithilfe eines Marmeladentrichters fast randvoll in saubere (sterilisierte) Gläser füllen. Gläser sofort verschließen und umdrehen, damit sich ein Vakuum bildet und keine Bakterien entstehen können. Den entstandenen Gewürzsud mit Kristallzucker nach Geschmack verrühren und als Sirup verwenden.

Quitten sollten einander bei der Lagerung nicht berühren und fühlen sich in einem kühlen Raum am wohlsten.

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