Dating-Expertin verrät: Warum Ghosting keine Niederlage ist

Woman lying down on bed and using smart phone at night
Perfekte Matches, null Kompromisse – und am Ende allein: Dating-Coach Sarah Schrödl erzählt, wie echte Begegnung gelingt.

Zusammenfassung

  • Selbstwert und Authentizität sind beim Dating wichtiger als Perfektion und Anpassung.
  • Viele Singles suchen nach dem perfekten Partner und vermeiden Kompromisse, was echte Begegnungen erschwert.
  • Ghosting ist weit verbreitet, sollte nicht persönlich genommen werden, und respektvolle Kommunikation ist wichtiger denn je.

Zwischen Swipes, Smalltalk und Selbstzweifeln: Dating kann aufregend sein und gleichzeitig verwirrend, frustrierend, ermüdend. Viele Suchende erleben zu wenige Matches, unklare Signale und wiederkehrende Muster. Anlässlich des heutigen „Singles’ Day“ spricht Dating-Coach Sarah Schrödl über die ewige Suche nach der Liebe, die Rolle des Selbstwerts und warum Ghosting kein persönliches Versagen ist.

KURIER: Ist der Singles’ Day ein Marketing-Gag oder eine Chance zur Selbstreflexion? 

Sarah Schrödl: Für mich ist es definitiv eine Chance zur Selbstreflexion. Solche Tage helfen dabei, sich etwas bewusst zu machen, das im Alltag oft untergeht. So wie beim Frauentag oder beim Tag der Arbeit. Es schadet nie, sich die Zeit zu nehmen und aus einer anderen Perspektive über das eigene Leben nachzudenken.

Wie erleben Sie den heutigen „Single-Zustand“? Als Mangel? Freiheit? Oder als neue Lebensform?

Interessanterweise ist beides vertreten: große Offenheit und gleichzeitig Rückzug. Einerseits wird Single-Sein als Mangel wahrgenommen – etwa, wenn beim Familienessen die Oma zum 20. Mal fragt, ob es „da draußen niemanden gibt“. Da steckt viel Druck dahinter. Andererseits erlebe ich enorm viel Individualität. Viele wollen heute ihr eigenes Ding machen. Es gibt mehr Beziehungsformen, weniger Kompromissbereitschaft – und das macht das Einlassen schwieriger. Dating ist oft ein schnelles Wischen und Ausgetauschtwerden.

Viele sagen heute: „Ich lerne niemanden kennen – weder online noch im echten Leben.“ Woran liegt das?

Viele suchen nach dem absolut perfekten Traumpartner, nach dem „einen“ Menschen. Wenn dann etwas nicht zu 100 Prozent passt, brechen sie sofort ab. Gleichzeitig versuchen die wenigsten, im Alltag Menschen kennenzulernen: kaum Events, wenig Offenheit. Man bleibt in der eigenen Bubble. Und viele können die positiven Seiten eines Kennenlernens gar nicht mehr genießen.

Wer kommt zu Ihnen ins Dating-Coaching? 

Grundsätzlich alle. Bisher waren es Hetero-Frauen und -Männer zwischen 25 und 55. Dating-Coaching klingt für viele abschreckend, weil es ein Markt voller Gurus und fragwürdiger Versprechen ist – von Pick-up-Artists bis zu Angeboten, die aus Menschen angeblich in 48 Stunden Flirtmeister machen. Das ist nicht mein Zugang.

Sondern?

Ich komme aus der psychosozialen Beratung. Für mich ist Coaching eine professionelle Begleitung zum Liebesglück, ehrlich, reflektiert und ohne Manipulation. Es geht darum, bei sich zu bleiben, sich authentisch zu zeigen, statt sich zu verbiegen.

„Bei sich bleiben“: Was heißt das konkret?

Zu wissen, wer man ist, was man sucht und wo die eigenen Grenzen liegen. Viele – besonders Frauen – passen sich an, aus Angst, niemanden zu finden. Dabei wird oft vergessen zu fragen: Passt dieser Mensch überhaupt zu mir? Es geht da oft um Bindungsmuster: Wen ziehe ich an? Warum? Was sagt das über mich aus? Und wie kann ich an etwas arbeiten, das mich immer wieder sabotiert?

Welche Rolle spielt der Selbstwert beim Dating?

Eine riesige. Mit geringem Selbstwert rutscht man schneller in Muster, die langfristig unglücklich machen. Wer sich kennt, geht entspannter und authentischer in Dates. Man spürt beim Gegenüber dann ebenfalls schneller, was echt ist und was nur gespielt. Deshalb halte ich nichts von Pick-up-Techniken – das ist oft nur aufgesetzt. Selbstwert und Authentizität sind die Basis.

Ghosting ist ein Dauerthema – von 25 bis 55. Wie geht man damit um?

Ghosting tut immer weh, besonders wenn man schon Gefühle hatte. Wichtig ist, die eigene Grenze zu kennen und bewusst abzuschließen – ohne sich kleinzumachen oder sich selbst die Schuld zu geben. Viele schreiben dann noch Nachrichten, wollen Antworten, leiden ewig. Ich rate: eine letzte kurze Nachricht – für sich selbst, nicht für den anderen – und dann weitergehen. Und: Ghosting passiert jedem. Es sagt nichts über den eigenen Wert aus.

Was könnten „Ghoster“ denn besser machen?

Indem sie etwa schreiben: „Danke für den schönen Abend. Leider habe ich nicht ganz die Verbindung gespürt, die ich mir wünsche. Ich wünsche dir alles Gute.“ Das tut niemandem weh, ist respektvoll und ehrlich. Nicht melden ist viel verletzender.

Viele daten pausenlos. Wann wird es ungesund?

Nach einer Trennung kann es sinnvoll sein, Erfahrungen zu sammeln. Aber wer eine Beziehung sucht, ständig zwei Dates am Tag hat und sich nicht mehr spürt, weicht meistens etwas aus. Dann ist es besser, innezuhalten und sich zu fragen: Was tut mir wirklich gut?

Wann ist man nach einer Trennung bereit für Dates?

Erst die Gefühle zulassen – nicht sofort ablenken, sonst kommen Trauer oder Wut später. Zeit mit Freunden, Hobbys, vielleicht Beratung oder Therapie. Drei bis sechs Monate sind ein guter Richtwert, je nach Dauer der vorherigen Beziehung. Nach 20 Jahren Ehe dauert es länger.

Gibt es typische Themen in bestimmten Altersgruppen?

Ältere Menschen brauchen oft einen technischen Einstieg: Wie funktionieren die Apps? Wie mache ich ein Profil? Da helfe ich teilweise ganz praktisch. Bei Jüngeren geht es mehr um Identität: Wer bin ich? Was will ich? Und ganz junge Menschen sind oft sehr anspruchsvoll – sie erwarten das Allerbeste für sich, aber sind nicht bereit, das Beste von sich zu geben. Da ist viel Egozentrik, Kompromissbereitschaft ist altmodisch geworden.

Was braucht ein gutes Profil?

Mehrere, echt wirkende Fotos, die freundlich und herzlich wirken. Wenigstens ein Ganzkörperbild. Ein bisschen Humor, Persönliches – nicht nur Listen von Anforderungen an die anderen.

Ist heute mehr Mut zum Alleinsein oder mehr Mut zur echten Begegnung gefragt?

Beides. Ich finde es traurig, wenn man Single-Sein nicht genießen kann. Es darf auch schön sein. Und wenn es wehtut, kann man daran arbeiten, wie man nachhaltige Verbindungen eingeht.

Wie könnten Singles den heutigen Tag feiern?

Zum Beispiel mit einem großen Singles-Event, der Spaß macht und die Vorteile des Single-Seins feiert. Oder aber mit Me-Time. Friseur, Massage, Sport, Lieblingsserie mit Tee, ein Bad mit Kerzen – alles, was zeigt: Ich kann mein Leben allein genießen.

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