Maria Köstlinger über Stärke
freizeit: Frau Köstlinger, Sie führen Regie bei einem Kindertheater, das vergangene Woche Premiere hatte. Ist es nicht schwierig, Kinder im Handy-Zeitalter für Theater zu begeistern?
Maria Köstlinger: Das hat viel mit den Eltern zu tun, die sich sehr engagieren. Die Begeisterung springt dann über. Aber das Handy ist ein Problem. Deshalb bin ich da sehr streng. Wenn ich sage, dass das Handy weggeräumt werden muss, machen die Kinder das. Ich muss es aber wirklich verbieten, sonst kommt die Abhängigkeit durch. Da muss ich mich auch selber einschließen, weil ich auch gerne nachschaue, ob ich eine SMS oder eine E-Mail bekommen habe. Mit Disziplin geht das aber.
Ihr Mann konnte wegen einer neuerlichen Krebserkrankung bei der Premiere nicht dabei sein. Wie geht es ihm?
Es ist eine schwierige Zeit für ihn und die ganze Familie. Wir hätten uns nicht gedacht, dass der Krebs nach zehn Jahren zurückkommt. Die positive und wichtige Nachricht ist aber, dass mein Mann gut auf die Behandlung anspricht und der Kopftumor sich schon verkleinert hat.
Krebs einmal zu überwinden, ist eine große Herausforderung. Welche Gedanken gehen einem durch den Kopf, wenn die Krankheit wieder zuschlägt?
Es ist eine Geduldsfrage, vor allem für meinen Mann. Er ist der ungeduldigste Mensch, den ich kenne und hat jetzt einiges vor sich. Man darf auch nicht vergessen, dass bei einer Chemotherapie der Körper mit Gift vollgepumpt wird. Das hinterlässt Spuren. Aber irgendwann werden wir hoffentlich sagen: Jetzt können wir das auch wieder abhaken.
Viele Menschen fragen sich in weit weniger dramatischen Situationen: „Warum ich?“ Was könnte die Antwort sein?
Damit setzen sich nicht nur Kranke, sondern auch gesunde Menschen auseinander. Sie überlegen: „Wie hat der gelebt, was hat er falsch gemacht?“ Andere vermuten eine schwere Kindheit oder glauben, dass es Schicksal ist. Da gibt es tausend Möglichkeiten. Den wahren Auslöser für eine Krankheit wird nie jemand erfahren. Klar ist, dass jeder gesund sein will. Leider ist es aber nicht immer so.
Sie wirken sehr stark. Woher nehmen Sie die Kraft, Ihren Mann zu unterstützen?
Ich bin stark, habe aber auch meine schwachen Momente. Das ist schwierig, weil ich ein zwölfjähriges Mädchen habe. Sie hat auch das Recht, ihr wunderbares Dasein und ihre Lebensfreude, die sie ganz stark hat, weiter beizubehalten. Deshalb werden wir weiterhin Alltag leben, offene Türen haben und Freunde einladen. Ich hab meiner Tochter aber auch gesagt, dass ich in den schwachen Momenten vielleicht weinen muss. Dann weine ich halt. Es ist auch okay, wenn ich einmal wütend bin. Wir müssen jeden Tag für sich bewältigen.
Was macht Ihnen am meisten Angst?
Gedanken an die Zukunft. Deshalb lasse ich sie erst gar nicht zu. Denn dann wird es so unglaublich kompliziert im Kopf. Die einzige Chance, die wir haben, ist im Hier und Jetzt zu leben. Dabei hilft mir das Kindertheater sehr. Kinder beherrschen es so gut, im Moment zu leben. Das kann man nur aufsaugen, was mir als gebürtige Schwedin gut gelingt. Ich habe zum Glück einen positiven Grundcharakter und genieße es zum Beispiel gerade sehr, mit Ihnen hier im wunderschönen Café Landtmann zu sitzen und Tee zu trinken. Denn jetzt ist es gerade gut.
Für den Verein „Gut gebrüllt“ haben Sie Peter Turrinis „Der tollste Tag“ mit Kinder-Darstellern auf die Bühne gebracht. Das ist eigentlich eine Komödie. Fällt Ihnen das Lachen derzeit nicht schwer?
Mein Mann hat immer gesagt – und wird hoffentlich noch lange sagen: „Lachen ist gesund und heilt.“ Deshalb versuche ich viel zu lachen. Beaumarchais wollte sein Stück „Der tolle Tag“ ursprünglich viel brutaler auf die Bühne bringen, wurde damals aber zensuriert. Peter Turrini hat dann beschlossen: „Ich mache das jetzt“ und „Der tollste Tag“ geschrieben. Da wird Komödie zur Tragödie. Es geht um große Themen wie Liebe, Macht und Intrigen. Wenn man an einem Abend lachen kann und einen ernsten Hintergrund hat, ist das optimal. Da bleibt etwas hängen.
Wie erklärt man Kindern, große Themen wie Macht oder gar Liebe zu spielen?
Die Kinder, die mitspielen, sind zwischen neun und 16 Jahren. Wenn die Kleineren bei den Proben dabei sind, gehe ich es spielerischer an und gebe gewissen Themen andere Namen. Bei „Der tollste Tag“ geht es auch um Sexualität. Das habe ich entschärft, indem ich sage, dass es eigentlich um Liebe geht. Und wenn ich auf Sexualität zu sprechen komme, nenne ich es einfach spazieren gehen. Die Kinder akzeptieren das mittlerweile und finden es lustig. Die Wahrheit ist aber leider auch, dass kleine Kinder heute durch das Fernsehen und das Internet ohnehin mehr wissen, als Eltern lieb ist.
Warum können Sie gut mit Kindern?
Vielleicht, weil ich als Mensch auch Kind geblieben bin. Ich trage einen Spaßfaktor in mir, der Kindern zusagt. Außerdem hatte ich immer Kinder um mich. Ich stamme aus einer großen Familie, in der es väterlicherseits 29 Enkerl gab. Hätte es mit der Schauspielerei nicht geklappt, wäre ich ganz sicher Kindergärtnerin geworden.
Ihre Tochter spielt auch Theater. Wie wirkt sich das auf ihre Entwicklung aus?
Kinder haben beim Spielen die Chance, sich auszuleben. Sie können weinen, schreien, wütend oder frech sein. Das hilft auch in der Pubertät, wenn man seine Gefühle ohnehin nicht einordnen kann. Der Beruf des Schauspielers ist generell nicht ganz untherapeutisch. Es geht dir nach einer Vorstellung besser. Ich merke das jetzt in meiner Situation. Wenn ich spiele, ist es anfangs eine große Überwindung. Danach ist es aber eine große Erleichterung, weil ich viel rauslassen kann.
Was spielen Sie derzeit?
Im Moment die Hedda Gabler im Theater in der Josefstadt. Am 9. November hat dann das Stück „Wie im Himmel“ Premiere, in dem ich die Rolle der Gabriella spiele. Sie wird von ihrem Mann geschlagen und findet ihre Rettung in der Gemeinschaft eines Chores. Ich werde auch „Gabriellas Song“ singen, in dem es heißt: „Ich möchte endlich ich sein und mich von allem befreien.“ Da bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich wünsche mir auch, dass das Kindertheater ausgebaut wird. Es beglückt mich, mit Kindern zu arbeiten, und was einen beglückt, sollte man machen. Man wird auch älter, und Dinge verändern sich.
Fällt Ihnen das Älterwerden leicht?
Es wäre gelogen, das zu sagen. Manchmal spreche ich von Dingen, die 25 Jahre her sind und denke mir, dass ich damals auch schon kein Kind mehr war. Und wenn ich in den Spiegel schaue, frage ich mich oft: „Und was ist das bitte genau?“ Dann bin ich kurz verzweifelt, werde mir aber gleich wieder bewusst, wie lächerlich das ist. Dann hat man eben drei Falten mehr. Die Stimmung variiert und hängt davon ab, wie gut es mir gerade geht.
Menschen nehmen sich für die Zeit nach einer Krise oft vor, ihr Leben zu ändern. Nachdem Sie und Ihr Mann schon einmal in der Situation waren: Macht man das?
Wenn man mittendrin ist, lebt man natürlich anders. Es ist einem vieles egal, was einen im Normalfall ärgern würde. Aber der Mensch fällt auch gerne in alte Verhaltensmuster zurück. Ich bin selber sehr erschrocken, dass ich in vielen Bereichen nichts verändert habe, wo ich ursprünglich dachte, ich wäre schon weiter.
Wie werden Sie es diesmal machen?
Ich denke darüber genauso nach wie mein Mann. Wir würden beide gerne wieder mehr daraus lernen. Damals war ich 30 und hatte ein kleines Kind, jetzt bin ich 40 und habe ein größeres Kind. Jetzt, wo ich älter bin, hoffe ich mehr aus diesem Schicksal mitnehmen zu können – in welcher Richtung auch immer. Aber das ist leichter gesagt als getan.
Was möchten Sie als Erstes tun, wenn Ihr Mann gesund ist?
Mit ihm nach Venedig fahren.
Info: Der Theater-wagen steht bis morgen im Alten AKH und danach im Augarten. Karten für „Der tollste Tag“ unter: 0650/545 70 84 oder office@gutgebruellt.at
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