Green Apple

Blick über den Central Park auf die Skyline von New York City.
Wald, Wiesen und Wolkenkratzer sind perfekte Gefährten. Zumindest in New York ist das so. Die ambitionierte grüne Revolution hat das Ziel, dass bald jeder Stadtbewohner einen Park ums Eck hat. 3sat-„Kulturzeit“-Moderator ERNST A. GRANDITS lädt zur Landpartie mitten in der City.

Ist er nicht wundervoll?“, spricht mich die alte Dame in der für New Yorker typischen Art unverblümt an. „Ja, in den letzten Jahren haben sie den Park wieder prächtig in Schuss gebracht“, freut sie sich über „ihren Park“. Woher ich denn komme? Aus Europa! Da sei sie nach dem Krieg als Dolmetscherin gewesen und hätte in Paris bei der Umsetzung des Marshallplans übersetzt. Ihr Park, das ist der Central Park, und so gepflegt und sicher wie er heute ist, war er nicht immer. Gab es doch Zeiten, in denen es zu besonderen Mutproben gehörte, in der Nacht durch den Central zu gehen. Sie lobt die Central Park Conservancy, deren Engagement es zu verdanken ist, dass „The Park“ gut instandgehalten wird. Diese private Wohltätigkeitsorganisation wurde 1980 gegründet und wird hauptsächlich durch Spenden der großen in New York ansässigen Unternehmen und Banken dotiert. Die grüne Lunge der Skyscraper-Metropole entstand 1858 aus dem einstigen baumlosen, felsigen Sumpfland. Eine Naturoase, die Generationen von New Yorkern und Besuchern der Stadt als Rückzugspunkt aus der Hektik der Metropole und als Quelle der Inspiration dient. Central-Park-Anwohner Woody Allen sagte, er brauche nicht in den Zirkus zu gehen, das kenne er alles schon aus dem Park.

Im East River baden gehen? Lieber nicht. Obwohl, wenn mit diesem Projekt alles klappt, könnte es bereits 2016 einen Pool mitten im Fluss geben, der jedes auch noch so verdreckte Wasser für eine Schwimmoase aufbereitet.

Für 50 Millionen Touristen, die jährlich die Stadt besuchen, steht der Parkbesuch an oberster Stelle. Typischerweise bleiben die meisten Besucher, aber auch viele Stadtbewohner, im untersten Bereich stecken und erkunden seltener die wilderen und unbekannteren Ecken dieses Wald-, Wiesen- und Seen-Areals, das größer ist als das Fürstentum Monaco. Der Landschaftsarchitekt Andrew Jackson Downing regte 1848 einen großen öffentlichen Park an, in dem man spazieren gehen, reiten, rudern, Baseball oder Cricket spielen könne. Man legte die Sümpfe trocken, rodete Wälder, schüttete Hügel auf, baggerte Tümpel zu Seen aus und pflanzte 240.000 Bäume und Sträucher. Downing schwebte ein Park vor, der aussah wie eine wie natürlich gewachsene Landschaft. Sein Partner, der Architekt Calvert Vaux, entwarf dazu eine Vielzahl von Brücken, Terrassen, Treppen, Brunnen, Tore, Bögen, Zäune, Mauern. Neben den Menschen schätzen auch zahlreiche Tiere das Biotop. Der Park ist auch einer der besten Plätze in ganz Amerika, um Vögel zu beobachten. Gezählte 275 Vogelarten teilen sich den Park mit Eichhörnchen, Biber, Enten und Schwänen. Immer wieder gab es Pläne, Teile des Parks als Baugelände zu nutzen. Doch erfolgreiche Proteste der Bürger verhinderten alle.

Bis auf eine Ausnahme: Das Metropolitan Museum of Art, eines der schönsten Museen der Welt. Und von seinem Dach aus hat man einen traumhaften Blick über den Park und die Skyline der Stadt. Seit Jahren dient der Roof Garden als Ausstellungsraum unter freiem Himmel. In diesem Jahr schwebt man nicht nur über den Bäumen des Parks, sondern auch auf weichem und extrem welligem Kunstrasen. Eine Installation des amerikanischen Künstlers Dan Graham und des Schweizer Landschaftsarchitekten Günther Vogt verzücken in diesem Jahr selbst die hartgesottenen New Yorker: „Eine begehbare Skulptur, die ihre Weltsicht verbiegt“, „Genial“ überschlagen sich die Medien mit Lob über den Pavillon, bestehend aus Zierhecken und einem gläsernem, geschwungenen Zwei-Weg-Spiegel, der den Besuchern ihr Spiegelbild und das Gegenüber auf der anderen Seite zugleich zeigt. „Hedge Two-Way Mirror Walkabout“ heißt die saisonale Schau dieses Jahres. „The exhibition is made possible by Bloomberg“ bekennt das Museum.

Der ehemalige Bürgermeister der Stadt lässt grüßen. Multi-Milliardär Michael Bloomberg, Gründer und Mehrheitseigentümer des auf Wirtschaftsnachrichten spezialisierten Medienkonzerns Bloomberg, hat in seiner Amtszeit (2002-2013) die Stadt verändert wie kaum einer seiner Vorgänger. Er führte die rigide und umstrittene „Zero Tolerance“-Politik seines Vorgängers Rudolph Giuliani weiter. Sie hat dazu geführt, dass Millionen New Yorker mit dunkler Hautfarbe kontrolliert, schikaniert und vorbeugend verhaftet wurden. Selbst seine schärfsten Kritiker, die ihm auch seine Nähe zu den Investoren und Bauunternehmen vorwerfen, müssen zugeben, dass er ein erfolgreicher Bürgermeister gewesen ist. Während seiner Amtszeit überwand New York den Schock von 9/11. Die Kriminalitätsrate fiel selbst zu Zeiten der Wirtschaftskrise, weshalb New York mittlerweile eine der sichersten Metropolen der Welt ist. Bloomberg ging noch weiter: Er verordnete der Stadt ein neues Natur-Bewusstsein. Er verbesserte die öffentlichen Schulen, ließ neue Parks bauen und sperrte Teile der Stadt für den Autoverkehr. Die Subway-Stationen und Züge sind sauber, sicher und ganz erstaunlich: gänzlich ohne Graffiti. Die vollgesprayten Züge sieht man heute nur auf nostalgischen Postkarten. Das neue Grün. Der neue Bürgermeister Bill de Blasio gewann im November 2013 die Wahl gegen Bloomberg mit dem Versprechen, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Doch die neue grüne Periode der Stadt will de Blasio fortsetzen. Bloomberg hinterließ der Stadt ein Papier, das ein eindeutiges Ziel formuliert: „New York bis 2030 zur grünsten aller Städte zu machen.“ Einige Schritte in diese Richtung hat die Stadt im letzten Jahrzehnt bereits gemacht. Die ehemalige Rennstrecke der Taxifahrer – der Broadway – ist heute an mehreren Stellen Fußgängerzone, in der die klassischen grünen Metall-Gartentische und Sessel zum Rasten einladen. Fahrradwege, Sportplätze, Picknickanlagen und neue Parks werden an vielen Orten angelegt. Die Stadt unterstützt kleine Gemeinschaftsgärten, immer mehr New Yorker pflegen ihre Gemüsegärtchen und halten auf begrünten Dächern Hühner. Bürgermeister Bloomberg hatte sicherlich auch einen Riecher für den Zeitgeist. Denn die neueste Attraktion der Stadt ist nicht von oben verordnet worden, sondern von den Bürgern entwickelt und durchgesetzt: die High Line. Die schwebende Oase.

Wie alle märchenhaften Geschichten, fängt auch diese Geschichte an: Es war einmal eine stillgelegte Bahntrasse auf Betonstelzen. 1980 fuhr der letzte Güterzug über die letzte Strecke des Hochbahnnetzes im Südwesten Manhattans. Jahrelang rostete das Bauwerk im Dornröschenschlaf vor sich hin. Als die Stadtverwaltung den Abriss genehmigte, formierte sich Widerstand. Als Helden in diesem Stadtmärchen treten auf Joshua David und Robert Hammond, ein Künstler und ein Autor, die an der Strecke lebten und ihr Potenzial erkannten. Zwischen rostigen Schienen hatten sich Wildblumen ihren Lebensraum erobert. 1999 gründeten sie die Initiative „Freunde der High Line“. Ihre Vision von einem Park in den Wolken überzeugte viele Anwohner, Architekten und Künstler. Stars wie die Schauspieler Edward Norton und Kevin Bacon und die Designerin Diane von Fürstenberg unterstützten die Initiative jahrelang auch finanziell. So stimmte die Stadt New York 2004 zu, für 50 Mio. Dollar eine Parkanlage zu errichten. Am 10. April 2006 setzte Bürgermeister Michael Bloomberg den symbolischen ersten Spatenstich. Der Entwurf stammt von dem Landschaftsarchitekten James Corner vom Planungsbüro Field Operations und dem Architekturbüro Diller Scofidio + Renfro. Zur Gestaltung des Parks wurden überwiegend Pflanzenarten gewählt, die zuvor als Wildwuchs von der aufgelassenen Bahnanlage Besitz ergriffen hatten. Der erste Abschnitt des Parks wurde am 8. Juni 2009 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Zeitschrift Wallpaper verlieh dem neuen Park den Titel „Life Enhancer of the Year“ – Lebensverbesserer des Jahres. Mittlerweile ist bereits der zweite Abschnitt der Trasse vollendet. Von der Gansevoort Street bis zur 30th Street kann man kreuzungsfrei durch die westliche Seite Manhattans laufen. Zwei Stockwerke über dem Straßenniveau blickt man in die Querstraßen hinein oder zum Hudson River. Die Menschen erobern ihre Stadt auf eine völlig neue Art. In Stockwerkhöhe durchwandert man eine Stadt und blickt auf die auflebenden Viertel darunter. An der High Line zu wohnen, ist mittlerweile teuer. Der klassische Fall der in New York zur Perfektion entwickelte Gentrifizierung: „Aufwertung eines Stadtteils durch dessen Sanierung oder Umbau mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten verdrängt wird“, wie dies der Duden erklärt.

Abschnitte mit überwachsenen Lauben wechseln zu freien Flächen mit Holzliegen für Sonnenanbeter, dann wieder botanische Besonderheiten, die zahlreiche Alltagskünstler auf ihre Leinwände bannen. Längst ist die High Line die angesagte Sehenswürdigkeit im grünen Apfel. Das besondere an diesem Projekt: Die Friends of the High Line sammeln weiter Geld für den Unterhalt der Anlage. Sie organisieren Veranstaltungen und verwalten den Park in the Sky gemeinsam mit dem NYC Departments of Parks & Recreation, um sicherzustellen, dass ihr Projekt für alle zugänglich und in ihrem „green spirit“ weitergeführt wird. Bücher und Yoga im Park. Bryant Park liegt gleich hinter der NY Public Library und ist eine Oase für Midtown-Bummler und die Büromenschen der Umgebung. Kaum zu glauben, dass dies einst ein dunkler Tummelplatz für allerlei zwielichtige Gestalten war und von jedem vernünftigen Stadtbewohner gemieden wurde. Heute ist dieser kleine Park ein Schmuckkästchen. Besucher liegen in der Wiese oder bevölkern die zahlreichen Bänke, Stühle und Tische. Die grünen Tische und Sesseln müssen auch nicht in der Nacht angeleint werden! Niemand stiehlt hier einen Sessel. Nicht nur weil die Stadt rund um die Uhr offen hat, sondern das Gemeinwohl heute weitgehend respektiert wird. Selbstverständlich gibt es freien WLAN-Zugang. Frühmorgens gibt es kostenlose Yoga-Kurse im Bryant. In den Sommermonaten finden im Park Konzerte statt. Besonderer Beliebtheit erfreut sich aber das von Ende Juni bis Ende August stattfindende Bryant Park Film Festival: Jeden Montag werden nach Sonnenuntergang bei freiem Eintritt Filmklassiker gezeigt. An den Straßenseiten des Parks haben sich neue Lokale angesiedelt, die auch auf Natur setzen. Eine schicke Bio-Bäckerei mit anschließendem Restaurant – ganz in Holz- und Erdfarben gehalten, versorgt ihre Gäste mit Speisen, zubereitet aus lokalen Produkten. Zwei Häuser weiter eine französische Patisserie mit süßen Köstlichkeiten wie aus dem Photoshop. Die Aufwertung und liebevolle Pflege des Bryant Park ist symptomatisch für die neue grüne Welle der Stadt. Jedes kleine Stückchen Erde wird neuerdings bepflanzt. Es gibt in der Stadt 700 Gemeinschaftsgärten und Stadtfarmen.

Auf dem Dach, wie sie Jerry Caldari, Architekt verwirklichte: „Die Leute halten einen für verrückt, wenn man vorschlägt, Tausende Kubikmeter Mist auf ihre Dächer zu laden, damit sie dort Gemüse anpflanzen und dieses beim lokalen Bauernmarkt verkaufen können.“ Brooklyn Grange heißt das erfolgreiche Projekt der größten Gemüseplantage auf einem Dach. 300 Hektar neue Parks. Im 21. Jahrhundert werden neue Parks gebaut, wie seit der Planung des Central Parks nicht. Es gibt wenige freie Flächen in der Stadt, daher werden Industriebrachen, Müllhalden, ehemalige Eisenbahntrassen in Parklandschaften verwandelt. Verfallende Industriegebäude, Häfen und Brachflächen dominierten früher die Küsten. East River, Hudson River und Kanäle wie der Gowanus in Brooklyn waren dermaßen mit giftigen Abfällen verseucht, dass so gut wie niemand in ihre Nähe kommen wollte. Die Kanäle wurden saniert und an ihren Ufern entstehen Grünanlagen. Mit geplanten 300 Hektar neuer Parks will die Stadt in den nächsten Jahren dem Ziel, die grünste Stadt zu werden, näherkommen. Industrieanlagen werden in Wohnhäuser verwandelt. Nahezu die gesamte Westseite Manhattans – vom Finanzviertel im Süden über das Szene-Viertel Chelsea, Midtown, die Upper West Side und bis hoch nach Harlem – ist mit Fahrrad- und Fußgängerwegen sowie Grünflächen ausgebaut. Mit dem Brooklyn Bridge Park möchte die Stadt an die große Tradition ihrer Gartenanlagen anschließen. Doch es ist kein weiterer Park New Yorks oder Brooklyns. Hier zwischen der Manhattan Bridge und der Brooklyn Bridge, die Brooklyn mit Manhattan verbinden, sollen ökonomische, soziale und gestalterische Fragen neu verhandelt, eine visionäre Sicht auf Parkgestaltung im 21. Jahrhundert entwickelt werden. Brooklyn hat sich in 140 Jahren verändert und ein erfolgreiches Park Design muss auf die veränderten Bedürfnisse der Bewohner Rücksicht nehmen. Doch die grundlegenden Sehnsüchte der Stadtbewohner: landschaftliche Schönheit bewundern zu können, in der freien Natur zu spielen, öffentliches Leben in freien Räumen gestalten, müssen auch die neuen Parks erfüllen. Das Wesentlichste: Die Bürger werden an der Gestaltung und Entwicklung einbezogen. Jeder Stadtbewohner soll innerhalb von zehn Minuten einen Park erreichen können und seine Freizeit darin verbringen und gestalten können. Diese Vision von Ex-Bürgermeister Bloomberg steht weiter auf der Agenda des grünen Apfels an vorderster Stelle.

The Green Shows. Im September findet wieder ein Fashion-Summit der Luxusindustrie zum Thema „Green Labels“ statt, www.thegreenshows.com

Green Home. Recycling- Produkte für Baumaterialien, Elektrogeräte, Solar-Panele, etc., greenhomenyc.org

Green Zoo. Ausflug in den Bronx-Zoo mitten im Park der Bronx, www.bronxzoo.com

Green Meals. The Peninsula New York serviert eiligen Gästen einem Fitness Power Lunch: ein Mix aus Workout und Lunch, mit einer „Farm-to- table“-Cuisine. Der nahe Central Park lockt mit mehr als vier Millionen Bäumen zum Picknick. Auf Wunsch serviert mit Picknickkorb, www.peninsula.com./clement

Flüge neu non stop ab Wien: Austrian Airlines fliegt ab sofort auch nach Newark und somit bis zu zwei Mal täglich nach New York (JFK). Tour-retour Preise ab 669 €, Business-Class ab 2.235 €, www.austrian.com

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