Ihre Majestät, die Frau Kaiserin Resl

Ein Porträt von Maria Theresia mit einer Krone und einem reich verzierten Kleid.
Die ganze Welt beschäftigt sich heuer mit dem Hundertjahr-Ereignis des Ersten Weltkrieges. Vor exakt 250 Jahren kämpfte aber Maria Theresia bereits für den Weiterbestand der österreichischen Monarchie, die von der Landkarte verschwinden sollte. Von Hans Magenschab

Im Mittelalter war in der Mitte des Kontinents ein riesiges Staatsgebilde entstanden: Es umfasste den östlichen Alpenbogen, das Rheinland, Oberitalien und den Donauraum. Man nannte das Riesengebilde "Austria" oder "Ostarrichi" – und durchaus familiär: "Haus Österreich". Später umfasste es auch die iberische (spanische) Halbinsel und diverse Überseegebiete. Nun fiel keine wichtige Entscheidung in Mitteleuropa mehr ohne Mitwirkung der Habsburger, die ihrerseits nicht zimperlich waren; Kriegsführen war ihnen, von Gottes Gnaden, als göttlicher Auftrag in einer rücksichtslosen Männergesellschaft aufgetragen worden. Nun ist es eine Tatsache, dass das altbekannte Kunststück zwischen Männern und Frauen – genannt "Liebe" – gut funktionierte, ob es nun Monarchien, Autokratien oder Republiken betraf. In ganz Europa bestand aber ein Zusammenhang zwischen demografischen Entwicklungen und Kriegsfolgen. Grob gerechnet, halbierte sich die Zahl der Einwohner Deutschlands am Ende des 30-jährigen Krieges. In Teilen Ungarns passierte Ähnliches. Tod im Krieg, das war ein Weltgesetz. Die Dokumente verraten: Maria Theresia war glücklich, wenn sie bei ihren Untertanen gut ankam; konsequent, wenn es darum ging, bei ihren Offizieren Frauenpower zu zeigen; ein Familienmensch, wenn die Dynastie in Gefahr geriet. Zusammen waren es 66 Herrschaftstitel gewesen, die der beleibte Barockmonarch Karl VI. seiner 23-jährigen "Resl" überlassen hatte, als er sich 1740 in die Kapuzinergruft verabschiedete. Zuvor hatte er noch gehofft, mittels der sogenannten Pragmatischen Sanktion künftige Streitereien über das Erbrecht in den habsburgischen Ländern und bei den Mächten rundum zu verhindern. Aber die Gutchristlichkeit war naiv – und die lieben Nachbarn stürzten sich sofort und brutal auf das männerlose Österreich. Es waren die militanten Preußen, die ehrgeizigen Franzosen und die gefräßigen Bayern, die sich als die hemmungslosesten Räuber zeigten. Erst in dieser Situation erkannte die entsetzte Maria Theresia, in welchem Zustand sich das Habsburger-Reich befand – besonders aber die Armee – "weil mein Herr Vater mich nicht zur Erledigung auswärtiger und innerer Geschäfte beigezogen, noch informieret hat …".Doch da war noch ein Mitspieler auf der Bühne, immerhin: Der französische Lebemann und Kavalier Franz Stephan, Herzog von Lothringen, mit Maria Theresia seit 1736 verheiratet.

Er sollte sicherstellen, dass das Haus Habsburg nicht untergehen werde; und das gelang ihm trefflich mit 16 gemeinsamen Kindern. Deren Erziehung war halb österreichisch, halb französisch, jedenfalls kaiserlich. Die glückliche Mutter hieß manchmal "Resl", dann wieder "Mäussl" – und schließlich auch "Cher Mitz(i)". Was diese wiederum kaum störte, obwohl sich ihr Franz Stephan nicht ein einziges Mal heldenmütig zum Verteidiger des Doppeladlers aufschwingen konnte. Wirkliches Interesse nötigte dem Lothringer nur das Geldverdienen und -sammeln ab, was ihn zu einem der ersten Millionäre der europäischen Wirtschaftsgeschichte machte. Später trat immer mehr der älteste Sohn Joseph (später "der Zweite") in das Rampenlicht. Der überzeugte Aufklärer war – anders als sein Vater – nämlich nicht bereit, sich der Mutter unterzuordnen. Und so bildeten sich bald Fraktionen in der Wiener Hofburg – wobei es hochinteressant ist, dass das heutige "Maria-Theresien-Zimmer" als ehemaliges Schlafzimmer des kaiserlichen Paares – bis heute – den politischen Mittelpunkt der österreichischen Politik bildet. Die "Resl" benützte die berühmte rote Tapetentür in der heutigen Präsidentschaftskanzlei genau so intensiv wie acht Bundespräsidenten in der Zweiten Republik nach ihr …Aber zurück: 1745 war der aus Bayern stammende Wittelsbacher Karl VII. – zuletzt Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und ein folgsames Subjekt des preußischen Königs – gestorben. Die Frage war, ob die tausendjährige Krone Karls des Großen – wie schon Jahrhunderte zuvor – an einen traditionsgemäßen katholischen Österreicher fallen sollte; oder an einen protestantischen norddeutschen Fürsten nach dem Geschmack des bösen Fritz, des Landräubers aus Berlin.Es darf gestaunt werden: Einigen famosen österreichischen Diplomaten gelang es nämlich, international den Mann der "Resl" zum neuen Kaiser hochzupushen. Auch wenn in seinen Adern kein Habsburgerblut floss, so war der diskrete Lothringer doch für Maria Theresia so gut wie ein deutscher Fürst. Sie selbst war endlich das, was die böse Welt ihr verweigert hatte: Sie war – weil Frau eines Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – eine vollkommene "Kaiserin", die ihre Titel auch geschickt für ein Halleluja auf das großartige "Erbhaus" platzierte.

Außer dem neuen Titel war die nunmehrige Kaiserin ebenfalls Königin von Böhmen und Mähren, war sie Herzogin, Großfürstin, Markgräfin – nicht zuletzt Gräfin von Habsburg. Ähnliches gab es noch nie. So kam es zu den glücklichsten Tagen im Leben der Hohen Frau, zu Theresien-Festspielen gewissermaßen. Noch scharten sich auch die Kinder um die kaiser­liche Mutter; der Ehemann machte gute Geschäfte, Wien begann ein Zentrum für Kunst und Kultur zu werden. Alles wäre wohl gut gelaufen – wäre nicht jener Krieg ausgebrochen, den die Histo­riker später den "Siebenjährigen" nannten. Begonnen hatten ihn die Franzosen und Engländer in ihren nordamerikanischen Kolonien, während sich Preußen und Österreicher in Mitteleuropa wieder um die alten Streitpunkte blutig schlugen: Schlesien, Böhmen, Polen … Aber um nichts falsch zu machen, beschloss man in Wien vorsorglich, den jungen Josef zum "Römischen König" krönen zu lassen. Eine Vorsichtsmaßnahme: Denn der Titel König bedeutete eine Art der Thronfolge im Heiligen Reich. Was nicht ganz den Vorstellungen entsprach, war er doch ein Kind der Aufklärung und gegen das monarchische Getue eingestellt. Aber Maria Theresia setzte sich durch – und man beschloss eine Art Familienfest in Innsbruck: Dort sollte Leopold II., der als Großherzog der Toskana vorgesehene Bruder Josephs, Maria Ludovica, die Enkelin des spanischen Königs, heiraten. Für Ihre Majestät war es die letzte Triumphfahrt durch mehrere Kronländer, beseelt von einem Lufthauch des Glückes. Doch da passierte es: Kaiser Franz Stephan erlitt drei Tage nach Maria Himmelfahrt im heißen Hochsommer des Jahres 1765 einen Herzinfarkt. Die "Resl" blieb allein zurück. Sie trug bis zu ihrem Tod nur mehr Schwarz und unterschrieb künftig " von Gottes Gnaden Kaiserin und Wittib". In der Kapuzinergruft liegt sie an der Seite ihres Mannes. Es ist das schönste Grab.

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