Wie sich Spitzen-Sprudel zunehmend als seriöse Weine etablieren

Die neuen jungen Sprudel zeigen immer mehr Qualität, die auch Weinkenner begeistert
Betritt man den Weinkeller von Christoph Hoch, kann es schon einmal sein, dass er dort, statt an Holzfässern zu hantieren, mit Kreide Pfeile, Spiralen und Formeln auf eine große Tafel malt.
Was wie eine unlösbare Physikarbeit aussieht, ist der Schlüssel zu einem neuen Sektverfahren, das der junge Winzer vor einigen Jahren entwickelte. Schaumwein nach traditioneller Methode produzieren, bei der für die Zweitgärung in der Flasche Zucker und Hefen zugegeben werden, schien ihm zu lapidar. Hoch wollte hoch hinaus und einen Sekt keltern, der völlig natürlich, nur mit weineigenen Hefen entsteht. Ein sportliches Ziel, denn das komplexe Verfahren ähnlich der Pet-Nat-Methode, bei der noch gärender Most in einer Flasche verschlossen wird, schien bei Sekt bislang nicht machbar. Aber „geht nicht“ gibt es für Hoch nicht und so entstand nach jahrelanger Tüftelei sein „Kalkreich“ Brut Nature, der inzwischen zu den feinsten Winzersekten des Landes zählt.
Eine neue Generation junger, talentierter Winzer wie Christoph Hoch knüpft an die Tradition hochwertiger Winzersekte an, die Pioniere wie Willi Bründlmayer in den frühen 1990er-Jahren begründete: Sekte, aus erstklassigen Grundweinen, die beste Behandlung genießen.
Perlen mit Frauenpower
Spitzen-Sprudel liegen im Trend und etablieren sich zunehmend als seriöse Weine – viele von ihnen auf Augenhöhe mit Champagner. Man trinkt sie längst nicht mehr nur zu feierlichen Anlässen, sondern wann immer einem danach verlangt. Vor allem der Sommer entwickelte sich zur Hochzeit für feine Schäumer. Wenn die Temperaturen nach oben klettern, zeigen sie ihre Stärke: Leicht und dezent gekühlt beleben die Perlen im Glas bei brütender Hitze Körper und Geist.
Christina Hugl ist vernarrt in die schäumenden Weine: Die junge Weinviertler Winzerin hat sich darauf spezialisiert: Als einzige Frau in der Sprudelbranche reüssiert sie mit knochentrockenen Sekten und Pet Nats. Sie erwarb Weinfässer aus der Champagne und experimentierte mit verschiedenen Rebsorten und Stilistiken. Das Handwerk hat sie von ihrem Vater gelernt, der schon vor vierzig Jahren ausschließlich Schaumwein erzeugte. Inzwischen lebt und arbeitet sie im Kamptal, dem Epizentrum feiner Sekte. Die Grundweine baut sie lagenrein aus – vergoren wird traditionell. Am Schluss wird eine Minimenge Dosage, eine Zucker-Wein Zugabe, verabreicht. Alles soll möglichst pur bleiben. „Ich will die Herkunft schmecken ohne barocken Aufputz“, sagt sie.
Prickelnde Selektion:
Ciao, bella Italia!
Die jungen Schaumtänzer zeigen mit viel Know-how und persönlicher Handschrift Profil. Selbst Frizzante oder Prosecco aus Norditalien, um die Weinkenner bislang einen großen Bogen machten, fallen nun durch Qualität auf. Vom Veneto bis zur Emilia Romagna räumt eine junge Generation von Biowinzern mit dem Stigma des Italosprudels als Ramschware auf. Keine industrielle Massenproduktion, sondern handwerklich und nach alter Tradition gefertigte Weine – aus Trauben von besten Lagen. Vergoren wird dabei nicht in riesigen Tanks, sondern wie früher in der Flasche.
Einer ihrer Protagonisten ist Davide Spillare aus dem Dreitausend-Seelen-Dorf Gambellara in Venetien. „L1“,ein Frizzante, der seinen spröden Namen einer Verletzung des ersten Lendenwirbels bei einem Traktorunfall verdankt – zeigt völlig neue Qualitätskategorien auf: Nach der Zweitgärung in der Flasche wird nicht degorgiert – die Hefe bleibt drinnen. Das gibt ihm Struktur und vielschichtige Aromen.
Auch das Weingut Costadilà in Conegliano, dem Kerngebiet des Prosecco, pariert mit seiner Interpretation des beliebten Sprudels den beschädigten Ruf der Region. Aus der Rebsorte Glera entsteht ein natürlich vergorener Prosecco mit ungeahnter Finesse, Struktur und Herkunftscharakter. Verschlossen wird mit einem Kronkorken und das Etikett über den Flaschenhals gehängt – wie früher in der Region üblich. Genau genommen darf er sich daher auch nicht Prosecco nennen, obwohl die Trauben aus dem DOCG-Gebiet kommen. Vermutlich aber auch, weil er geschmacklich so gar nicht dem üblichen Einheitsbrei entspricht.
Lambrusco? Si si, aber secco
Sogar Lambrusco, Inbegriff von minderwertigem Sprudel aus der Emilia Romagna, wird neues Leben eingehaucht: Luciano Saetti etwa produziert einen staubtrockenen, flaschenvergorenen Lambrusco erstklassiger Provenienz, den er eigentlich gar nicht Lambrusco nennen will.
Nichts soll an die roten, picksüßen Schäumer erinnern, die ihr Wesen als Wein sensorisch nur mehr erahnen lassen. Man kann den Mann verstehen.
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