Was treiben diese beiden Weinstöcke in der Klimakammer?

Zwei Pflanzen wachsen in einem klimatisierten Raum unter künstlichem Licht.
Forscher messen, was Hitze- und Trockenstress mit den Reben macht. Und entwickeln Anpassungsstrategien des Weinbaues an den Klimawandel.

Sie müssen hart im Nehme sein, die zweijährigen Weinstöcke der Sorte Sauvignon Blanc: Bis 8. August werden die Weißweinstöcke am Zentrum für Extremklima-Simulation in Bozen in einem Großexperiment auf Herz und Nieren, pardon Sauerstoff und Wasserdampf (siehe Stichtwort "Weinreben im Stress" unten) geprüft.

Gemeinsam mit ihren Projektpartnern – dem Versuchszentrum Laimburg, der Eurac Research und der Freien Universität Bozen – wollten insgesamt 14 Wissenschafter  unter anderem bei dieser Weißwein-Rebsorte klären, wann diese an ihr physiologisches Limit gerät und was dies für das Endprodukt, den Wein, bedeutet.

Plus 2,2 Grad

Im Zuge des Großexperimentes simuliert das Team künftige, klimatische Bedingungen. Der Grund: Seit den 1970er Jahren hat in dieser Region die Temperatur im Sommer um 2,2 Grad Celsius zugenommen. Um bis zu drei Grad Celsius ist im selben Zeitraum in Südtirol die Sommertemperatur in niedrigeren Höhenlagen angestiegen.

„Das sind genau jene Gebiete, die überwiegend landwirtschaftlich, auch für den Weinbau, genutzt werden. Hinzu kommt, dass es im Jahr 2100, also in knapp 80 Jahren, laut Prognosen im Sommer um bis zu 5,4 Grad Celsius wärmer sein könnte“, sagt Projektleiter Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck.

Bisher ist nach Angaben des Forschungsteams bekannt, dass sich erhöhte Temperaturen auf Farbe und Struktur von Rotweinen sowie auf den Säuregehalt von Weißweinen negativ auswirken. Die Ergebnisse des Großexperimentes sollen laut den Forschern auch erste Daten für mögliche Anpassungsstrategien des Weinbaues an den Klimawandel liefern. Etwa eine andere  Gestaltung des Weinberges.

Eine Person verpackt einen Weinstock in eine Plastiktüte.

Ein Mann mit Maske untersucht Weinreben in einem Gewächshaus.

Weinreben wachsen in einem klimatisierten Raum unter künstlichem Licht.

Vier Klimakammern

Das Experiment läuft in vier separaten Klimakammern. In zweien davon werden die mittleren Umweltbedingungen, wie sie in den vergangenen 30 Jahren im Juli an der Wetterstation Laimburg vorherrschten, nachgestellt. In den beiden anderen Klimakammern simuliert das Team eine Hitzewelle und damit künftige Klimaszenarien.

In jeder der Klimakammern gibt es ausreichend bewässerte Weinreben und solche, die nicht bewässert werden. Dieses Design ermöglicht den Forschern, die Auswirkungen von Hitze- und Trockenstress separat sowie kombiniert zu untersuchen.
Gemessen wird der Gasaustausch der Weinreben, also die Aufnahme von Kohlenstoffdioxid  sowie die Abgabe von Wasserdampf (Transpiration). Anders als in der Natur können die Wissenschafter im Experiment die Faktoren Temperatur und Wasserverfügbarkeit separat variieren und deren Wechselwirkungen besser verstehen.

Weiters will das Team bei einem Feldversuch in einem Weinberg bei Plantaditsch die Auswirkungen von Bodentrockenheit auf Weinreben unter die Lupe nehmen.
Abgeschlossen wird dieses Experiment mit einer Blindverkostung nach der Weinlese im Herbst. Eine kleine Menge Weißwein aus dem Feldversuch wird dazu ausgebaut (Mikrovinifikation) und blind verkostet. „Wir sind gespannt, ob wir jenen Wein, der von den gestressten Reben aus dem Feldversuch stammt, unter seinen nicht gestressten Kollegen detektieren können“, sagt Wohlfahrt.

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