Jetzt geht's rund: Kirschenernte im Burgenland

Jetzt geht's rund: Kirschenernte im Burgenland
Die FREIZEIT geht auf kulinarische Reise durch die Gärten am Leithaberg. Von Manfred Horvath (Text + Fotos)

"Heuer haben wir großes Glück mit dem Wettergott gehabt“, sagt Rosi Strohmayer, die Kirschen-Königin aus Breitenbrunn, während sie händisch die Etiketten ihrer „Genussquelle“ mittig auf einen Glasdeckel pickt.

Sie schreibt mit einem Filzstift das Datum auf das Chutney. „Als der späte Frost im April die Marillenernte vernichtet hat, waren die Kirschen schon über dem Berg und nicht von der Kälte betroffen. Dann hat es so irre geblüht, das war eine echte Explosion. Der ganze Südhang des Leithaberges entlang des Kirschblütenweges war ein weißes, duftendes Meer.

Und dann hat der viele Regen zu Pfingsten die lange Trockenheit mehr als wettgemacht. Ich glaube, die Ernte 2020 wird die beste seit Langem“, sagt Rosi und schneidet ein Zierband akribisch genau zu, damit das Glaserl noch hübscher aussieht. 

Kirschenprocker und "Fürter"

Draußen im Hof des Strohmayer-Hauses tackert die Kirschen-Entkernungsmaschine monoton und fünf eifrige Arbeiter sind mit der Herstellung von Kirschmus beschäftigt. Sortenreine Marmeladen sind die Spezialität des Hauses.

Kirschen werden angeliefert. Zu zweit tragen die „Kirschenprocker“, wie man hier am Neusiedlersee zu den Erntearbeitern sagt, einen Weidenkorb voll schwarzer Herzkirschen bei der Tür herein. Beide haben den typischen „Fürter“ aus Blauzeug um die Hüfte geschlagen, mit einer weit nach unten hängenden Falte. Seit Jahrhunderten ist er das beste Erntehilfsmittel.

Wenn man oben auf der Leiter steht, werden die Kirschen in den Ranzen des Vierters gefüllt und dann wieder am Boden aus der Schürze in den Sammelkübel hineingerollt. Ein Bursche mit Jason-King-Bart und Minipli-Dauerwelle kommt mit einem lauten „Brrrrr – koit is do drin“ und einer leeren Plastikkiste aus dem Kühlhaus.

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„So, jetzt fahren wir raus in den Kirschengarten und holen uns die Kompottkirschen aus Jois“, sagt Rosi. Entlang der fünf Gemeinden am Südhang des Leithagebirges: Donnerskirchen, Purbach, Breitenbrunn, Winden und Jois liegt die Genussregion „Leithaberger Edelkirsche“.

Um stabile Ernteerträge durch ein größeres Einzugsgebiet sicherzustellen, gibt es insgesamt 28 Gemeinden im Nordburgenland, in welchen die Kirschen der Marke wachsen und verwendet werden. Jede der fünf Kerngemeinden hat seine eigenen typischen Sorten.

Höre ich da Mundraub?

"Bolaga-Kirschen“ kommen aus Breitenbrunn. „Frühbraune“ aus Purbach. „Blaue Kirschen“ sind für Donnerskirchen speziell. „Joiser Einsiedekirschen“ tragen im Namen schon ihre Hauptverwendung. Nur kennt man sie in Jois selbst unter diesem Namen so gut wie gar nicht, sondern nur unter „Schwarze Herzkirsche“. Egal, ein altes Sprichwort sagt bekanntlich, dass die gestohlenen Kirschen – pardon, natürlich jene durch Mundraub verzehrten – am besten schmecken.  

Auf dem Weg nach Jois fahren wir entlang der Straße durch das Haniftal. Alleine in diesem leicht überschaubaren Gebiet, das sich über zwei Kilometer erstreckt, war in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen eine Kirschenplantage von über 15.000 Bäumen ausgepflanzt. Was in den 1970er-Jahren den Wiesenern mit dem schwungvollen Handel von Erdbeeren gelang, hat den Joisern die Kirsche beschert: bescheidenen Wohlstand, noch bevor der Wein seinen heutigen Hype erlebt.

 

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Vergessene Bäume

Heute bemüht sich die Genussregion um jeden einzelnen Baum. Wenn Rosi Strohmayer das „Baumsterben“ erwähnt, meint sie nicht  Kirschenbäume, die durch Pilz- oder Bakterienbefall verdürren oder vom Rindenbohrer zerlöchert sind, sondern solche, die ungenützt, ungepflegt, von Efeu gewürgt dahinvegetieren.

Wenn die Kirschen ungeerntet zu Boden fallen, breitet sich die Fruchtfliege aus und bald ist die gesamte Ernte verdorben.  Als in Purbach ein hundertjähriger Kirschbaum vom Wind umgedrückt wurde, ist man gemeinsam mit Baumschule Pleyer auf die Idee gekommen, Edelreiser vom umgefallenen Baum zu nehmen und auf eine neue Unterlage aufzuveredeln. So wurden Bäume mit acht unterschiedlichen Kirschensorten gewonnen. In jeder der Kirschengemeinden wächst so ein „Sorten-Erlebnis-Baum“.

Die Ernte in Jois verläuft sehr zufriedenstellend. Die Früchte sind am Höhepunkt ihrer Reife. Gerade in diesem Stadium, wenn die Frucht prall ist und die Haut gespannt, kann ein Schlechtwetter-Ereignis wie Hagel oder auch starker Regen das Obst durch Aufspringen kaputtmachen. Ein Kirschengarten im Südburgenland hat aus diesem Grund seine Plantage komplett überdacht, wobei das Dach nur bei einsetzendem Regen und in der heiklen Phase der Hochreife automatisch schließt und schützt.

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Zutaten: 

20 dag Butter

35 dag Kristallzucker

1 Packung Vanillezucker

5 ganze Eier

40 dag glattes Mehl

½ Packung Backpulver 1/8 l Milch

Zum Belegen:

90 Stück Kirschen 

Den Rührteig mit allen Zutaten zusammenrühren.Teig mit Kirschen belegen und bei 180 Grad Celsius bei Ober- und Unterhitze backen. 

Richtig ernten

Vor solchem Aufwand ist man am Leithaberg noch weit entfernt. Auch automatische Erntemaschinen, welche die Pflanzen arg beuteln und die Früchte herunterschütteln, werden wohl nicht so bald erfunden werden.

„Wie soll das auch funktionieren? Wenn du eine Kirsche nur schief anschaust, ist sie schon gequetscht, und beleidigt. Und wenn du sie unreif erntest, hat sie keinen Geschmack“, meint Rosi.

Wie zum Beweis, dass g'schickte Hände und Erfahrung unersetzlich sind, wird eine Decke in die Wiese gebreitet und eine Jause gerichtet: die Kirschbrandwürstel vom Fleischer Graf, die Kirsch-Leberpastete vom Nationalpark-Metzger Karlo, Schafkäse mit Kirschen vom Hautzinger. Wohl bekomm’s. Beim Heurigen Schemitz gibt es das alles unter dem Begriff Kirschteller. Auch hausgemachten Kirschsaft. Der Betreiber ist so sehr mit seinem Produkt verwoben, dass er bei den Donnerskirchnern als „der Fred, der mit den Kirschen red“ bekannt ist.

Nicht zu vergessen: Kirschenlikör

Eine andere Art von Kirschensaft wird beim jährlich in Donnerskirchen stattfindenden Kirschencocktail kredenzt.  Kirschenlikör fließt rot aus der Flasche. Es ist das mit über 5.000 Besuchern größte Jugendfest im Burgenland. Im vampirroten Licht der Szenerie unter der Wehrkirche wird jährlich die Kirschenkönigin gewählt. Maturantin muss sie sein. Botschafterin für die Leithaberger Kirsche soll sie sein. Als Belohnung bekommt ihr Haupt eine Krone aus reifen Kirschen. Handverlesen.

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