Das neue Wien

Fast täglich sehen wir im Fernsehen das Parlament und die Börse. Oder wir fahren mit der Straßenbahn daran vorbei, steigen davor um oder übernachten sogar darin. Es geht um die Prachtbauten der Wiener Ringstraße. Kaum aber erinnern wir uns an die Architekten, Bauherren und Auftraggeber von Wiens eleganten Bauten und deren prachtvoller Innenausstattung. Auch die Palais Erzherzog Wilhelm, Epstein, Hansen Kempinski oder Ephrussi stammen von dem dänisch-österreichischen Architekten Theophil Hansen. Und natürlich die Akademie der Bildenden Künste, das Musikvereinsgebäude oder das Heeresgeschichtliche Museum. Er war der Erste, der klassische Eleganz in den Alltag des damaligen Großbürgertums zauberte. Im Sinne eines Gesamtkunstwerks prägte er damit das Wien des 19. Jahrhunderts nachhaltig. Von der Architektur bis zum Interior-Design mit kunstvoll bemalten Decken, Möbeln, Lampen, Türklinken, Tapeten, Teppichen oder Karaffen aus Kristallglas, stammt alles aus seiner Feder. Ja sogar Entwurfszeichnungen für kostbare Diamant-Diademe für den k. u. k. Hof- und Kammerjuwelier A.E. Köchert, zurzeit in einer Ausstellung in der Postsparkasse zu sehen, sind von ihm. Hansen entwarf alles selbst und arbeitete mit den besten damaligen Manufakturen‚ wie Lobmeyr, Köchert oder Hollenbach’s Erben zusammen.
Was aber löste den gewaltigen Bauboom in der k. u. k. Monarchie aus? Den größten Stadtumbau in der Geschichte Wiens verdanken wir dem Abbruch der Stadtbefestigung und einem europäischen Wettbewerb unter Kaiser Franz Josef, der den Grundplan für die Prachtbauten am ehemaligen Glacis ermöglichte und nicht zuletzt den betuchten Auftraggebern Hansens. 1873, im Weltausstellungsjahr, glich Wien mit 400.000 Bewohnern einer Großbaustelle. Die sich innerhalb von 50 Jahren zur Weltstadt mit zwei Millionen Einwohnern entwickelte. Theophil Hansen, der für seine industriellen Auftraggeber Simon Georg von Sina, Ignaz von Ephrussi, Gustav von Epstein, Eduard von Todesco oder Heinrich von Drasche gleichnamige Palais baute, mit Otto Wagner als Baumeister beim Palais Epstein, wird deshalb gerne als Architekt der „zweiten Gesellschaft“ bezeichnet. Auch weil die Käufer von Palais und Zinspalais zwar kaisertreu, aber Bürgerliche waren. Sie legten den Grundstein für das neue Wien – die Repräsentativbauten an der Ringstraße wurden zum ersten europäischen Projekt, denn die Baustile orientierten sich an den Ländern, die Hansen bereiste. Die erste Gesellschaft, die alte Hocharistokratie, wohnte innerhalb des Glacis, nahe der Hofburg in der Inneren Stadt, das Großbürgertum baute rundum. Viele der damaligen Bürger wurden erst im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert vom Kaiser in den Adel erhoben, für besondere Verdienste und Geldspenden, denn der Hof hatte wenig Geld – die sogenannte zweite Gesellschaft entstand.
Woher aber nahm Theophil Hansen seine weltumspannende Idee für seine klassizistischen Bauten? Er studierte Architektur in Kopenhagen, dem Athen des Nordens, reiste zu Palladio-Villen nach Venedig, bevor er etwa acht Jahre lang in Athen für den königlichen Hof arbeitete. Erst eine Einladung von dem griechischen Gesandten Baron Simon Sina holte ihn nach Wien. Und Architekt Ludwig von Förster, einer der Star-Architekten im damaligen Wien, bot ihm ein Jahresgehalt. In ihrer Ateliergemeinschaft entstanden bis 1848 auch etliche Wohnhäuser, wie etwa das Palais Rothschild in der Renngasse. Aber beim Bau des Arsenals zerstritten sie sich. Obwohl Förster seiner Zeit weit voraus war, er schrieb 1855 einen Wettbewerb zur Errichtung der Kirche in Gumpendorf aus und sparte bei Material und seinem Honorar, sagte er sich von Hansens „Dekorwut“ los. So war für den 39-jährigen Dänen der Weg zum Stararchitekten frei. Er widmete sich dem opulenten Bau der Wiener Ringstraße. Seitdem sehen wir aus dem Ringwagen die prunkvollen Bauten zwischen romantischem und strengem Historismus: das Parlament, das Palais Epstein, die Börse und das Palais Hansen, heute ein neues Kempinski-Hotel.
TIPP: Einmal mit der Bim um den Ring. Aussteigen und die schönen Innenräume im Palais Epstein ansehen, Akademie der Bildenden Künste und Palais Erzherzog Wilhelm, am Parkring (Foto). Und zur Tea-Time geht’s ins Palais Hansen-Kempinski am Schottenring
AUSSTELLUNGEN:
Theophil Hansen, klassische Eleganz im Alltag. Bis 6. September 2013. Architektur im Ringturm, Schottenring 30, www.vig.com/airt
Theophil Hansen, 1813 – 2013, Ein Stararchitekt und seine Wohnbauten an der Wiener Ringstraße. Museum Postsparkasse Wagner: Werk. Bis 17. August, www.ottowagner.com
Theophil Hansen. Kunsthand- werk. MAK Studiensammlung. Bis 13. Oktober, www.mak.at
Theophil Hansens Bildergalerie für die Akademie. Bis 18. August, www.akademiegalerie.at
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