Ahoi: Wohnen auf dem Wasser

Ein gelbes Hausboot liegt nachts in einem Kanal in Amsterdam.
Immer mehr Stadtbewohner entdecken das Wohnen auf dem Wasser. Zwischen Amsterdam, Berlin, Hamburg und Paris erobern schwimmende Heime neue Ufer. Jetzt hat auch die Donau bei Wien ihren ersten Hausboot-Pionier.

Wenn der Fluss den Stress wegspült, das Festland vom Wasser aus romantisch leuchtet, der Motor leise summt und aus dem Kochtopf feine Gerüche aufsteigen, befindet man sich mit Sicherheit auf einem schwimmenden Untergrund – einem Hausboot. „Also mit dem Spruch, das Leben ist ein Fluss und so ähnlich, habe ich ja überhaupt nichts am Hut“, sagt Michael Müllner gleich zu Beginn seiner leidenschaftlichen Schilderungen über das Leben auf dem Strom. Er weiß, was zählt, denn er ist Neo-Besitzer eines Hausboots.

Ganz frisch angeschleppt – aus Rotterdam. Ein ehemaliges Gemüseboot aus Holland. Die Maaike Maria ankert gemütlich bei Orth in der Donau. Momentan.

Das, was den Wiener „Hausboot-Pionier“, so sieht er sich selbst, eigentlich dazu werden ließ, ist die Erfahrung mit einer neuen Form von Mobilität. „Ich habe jahrelang die Stadt von oben gesehen, von unserer Dachterrassenwohnung“, sagt der Inhaber der Agentur Büro Wien, „jetzt genieße ich es, dass mir täglich neue Perspektiven geboten werden. Es ist wunderschön, man geht vom Fluss in die Stadt hinein, nimmt immer neue Wege ins Zentrum. Oder ich fahre gemütlich je nach Laune, mal flussab- und mal flussaufwärts.“ Ja, das Leben am Fluss kann auch lustig sein: Der Nachbar kommt mit einer Zille schnell auf einen Tratsch vorbei, eine Putzfrau geht gelegentlich an Bord, denn die Herdplatte glüht nahezu immer. Müllner ist nicht nur ein leidenschaftlicher Koch, sondern auch ein Tüftler. So ließ er seinen Hightech-Gaggenau-Herd direkt über dem Herz des Schiffes, dem Motor, einbauen – an der tiefsten Stelle im Rumpf des ehemaligen Frachtschiffes von 1897.

Das 48-Tonnen-Schiff ist 20 Meter lang und 5 Meter breit, da ist drinnen genug Platz für einen designten Wohn- und Essbereich. Das Schlafzimmer ist übrigens die ehemalige Kapitänskajüte. So wie er lebt mittlerweile eine ganze Kolonie an Hausbootbesitzern in Amsterdam, Kopenhagen, Hamburg, Berlin oder Paris. In Deutschland ist sogar eine Hausbootbewegung, die Floating Architecture Movement, entstanden. In Berlin, Hamburg und Köln gibt es seit Jahrzehnten feste Liegeplätze für zu Hausbooten umgebaute Kähne und Binnenschiffe. Auch in Paris lebt die alte Tradition neu auf. Hausboote sind in. Ihre Architektur auch. Manche Besitzer basteln jahrelang herum, um ihren Traum zu verwirklichen. Andere lassen Architekten ran. Etwa in Amsterdam. Statt wie früher in der historischen Altstadt, ankern zunehmend in Ijburg schwimmende großflächige Appartement- und Villenkomplexe.

Die niederländischen Architekten +31ARCHITECTS bauten das stylischste Hausboot auf der Amstel. Das moderne Design erinnert kaum noch an ein typisches Hausboot. Die neuen „floating homes“ gibt es nicht nur in stillen Seitenarmen von Stadtflüssen – mittlerweile ist ein Bau-Boom für Häuser und Schulen, sogar quer durch die Weltmeere zu beobachten.

Das Leben auf traditionellen Hausbooten boomt besonders in deutschen Städten: Die schönen Wohnboote auf Hamburgs Eilbekkanal, einem Seitenarm der Alster, wurden sogar in einem Bildband verewigt, denn jedes Haus wurde von einem anderen Architekten entworfen. Und das IBA-Dock, Deutschlands größtes schwimmendes Gebäude im Hamburger Hafen, soll den Stadtteil Wilhelmsburg aufwerten. Auch Schlagerstar Gunter Gabriel sorgt mit seinem schwimmenden Heim im Hambuger Hafen für Aufsehen.

In Berlin siedeln sich immer mehr schwimmende Heime rund um die Buchten der Spree an. Architektur auf Wasser gibt es zum Beispiel von AMP arquitectos mit Gil Wilk und der Künstlerin Susanne Lorenz, nach deren Entwurf ein Lastkahn im Osthafen mitten in der Spree zum Badeschiff umgebaut wurde. Auch in Oldenburg, Kiel und in der Lausitz sind weitere Hausboot-Projekte geplant.

Auf einem der schönsten Flüsse Europas, der mitten durch die Stadt fließt, der Seine, liegen rund 50 Boote nahe der Place de la Concorde – mit Blick auf den Eiffelturm. Vielleicht ankern die Boote auch deshalb hier meist für immer und ewig.

Wer mobil sein möchte – ganz nach dem Sprichwort: Wer den Weg nicht kennt, auf dem er zum Meer gelangen kann, der sollte sich einen Fluss als Begleiter suchen –, hat bei Wien die besten Chancen. Denn der Wiener Pionier sucht noch Nachbarn auf seinem Weg ins Schwarze Meer.

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