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Am Anfang war der Turm. Und dann erst wurde das Rad erfunden. Der Erfinder des Rades: ein gewisser George Washington Gale Ferris, Brückenbau- und Eisenbahningenieur aus Illinois. Sein Auftrag: Für die Weltausstellung in Chicago, 1893, sollte er ein Bauwerk schaffen, das den weltweit bewunderten Pariser Eiffelturm in den Schatten stellt. Der geniale Plan Ferris’ war, eine Art aufgestelltes Karussell zu bauen. Das hielten die Organisatoren der Weltausstellung zwar für eine Schnapsidee, mangels anderer Vorschläge ließen sie ihn aber gewähren. Der Erfolg gab ihnen recht: Millionen Menschen kamen nach Chicago, um die aufwendige Stahlkonstruktion, das „Ferris Wheel“, zu bewundern. Mehr als 80 Meter war es hoch, in den 36 Gondeln fanden je 80 Menschen Platz. Eine 1.000-PS-Dampfmaschine trieb das Rad an. Ein Wunderwerk der Technik, das den Menschen den Blick aus der Vogelperspektive ermöglichte, sie faszinierte und schaudern ließ. Dagegen sah der Eiffelturm alt aus.
Der Wettbewerb war eröffnet. Von da an wurden weltweit Riesenräder gebaut – nach dem Motto: groß, größer am größten. Im Englischen heißen sie alle heute noch „Ferris Wheel“. Das Wiener Riesenrad ist eine fast baugleiche Kopie des Chicagoer Modells. Rekordhalter ist der erst heuer eröffnete „Las Vegas High Roller“ mit 167 Metern Höhe. Daneben nimmt sich das Wiener Exemplar mit knapp 61 Metern Durchmesser fast putzig aus. Ingenieur Ferris konnte den Erfolg seiner Erfindung aber nicht lange genießen. Nach nur vier Monaten, am Ende der Weltausstellung, wurde das Rad abgebaut. Ferris starb drei Jahre später, mit 38, an Typhus – verarmt und von seiner Frau verlassen.
Der Vergnügungspark am Ende der berühmten Route 66 in Kalifornien ist auf Sand gebaut – auf zwei Piers, genauer gesagt, die in den Pazifik ragen. Was zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem den Zweck hatte, Abwässer möglichst weit hinaus ins Meer zu leiten, wurde später zu einem Vergnügungspark ausgebaut. Mit Ballsaal, Riesenrad und Karussell. Auf dem Ringelspiel entstanden übrigens viele Szenen für den Film „Der Clou“ – obwohl der in Chicago spielt.
30 Minuten dauert eine Runde mit dem „London Eye“, das sich gemächlich – mit nur 1 km/h – aber dafür ohne Pause dreht. Das ist so langsam, dass das Rad nicht einmal stehen bleiben muss, wenn Fahrgästen ein- oder aussteigen. Mit 135 Metern ist es Europas größtes Riesenrad. Es wurde 2000 eröffnet und trägt auch den Namen „Millennium Wheel“. Der Blick aus einer der 32 klimatisierten, futuristischen Gondeln kann schon etwas: Die Themse, das Parlament und so gut wie alle Sehens- würdigkeiten Londons liegen den Fahrgästen zu Füßen.
Das ist wirklich nur etwas für Schwindelfreie: Die Gondeln, die an Glasperlen errinnern, sind wie auf einer Kette aufgefädelt – auf dem Dach des 600 Meter hohen Canton Tower, des höchsten Fernsehturms der Welt. Und sie kreisen langsam am Rand des Abgrunds. Die Attraktion in der Zehn-Millionen-Stadt im Süden Chinas hat noch einen weiteren Nervenkitzel zu bieten: Auf Stufen und über Glasböden hinweg kann man auf dem „Sky Walk“ vom 32. bis in den 64. Stock gehen. Mit Blick nach oben zum Himmel oder nach unten, in die Häuserschluchten. Den freien Fall können Wagemutige beim „Sky Drop“ in nahezu 500 Meter Höhe erleben (kl. Bild. u.): Sich hinaufschießen lassen und abwärts rasen, festgezurrt am Sitz mit Blick auf die Stadt.
Es ist die weithin sichtbare Attraktion des „Navy Pier" von Chicago, der sich in den Michigansee erstreckt: das Ferris Wheel, das dem Original aus dem Jahr 1893 so gut wie möglich nachgebaut wurde.
Der Kaiser feiert und die Stadt bekommt – ein Riesenrad. Anlässlich des 50-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph wurde es im Prater, am Beginn der Hauptallee, errichtet. Mit einem Gesamtdurchmesser von 61 Metern und ursprünglich 30 Waggons. Dann erlitt es ein typisch österreichisches Schicksal: Der ursprüngliche, britische Eigentümer wurde enteignet, das Rad versteigert, beinahe abgerissen, verpachtet, arisiert, zerbombt, wieder aufgebaut und unter Denkmalschutz gestellt. Und es dreht sich heute noch. Allerdings nur noch mit 15 der 30 roten Gondeln, weil nach dem Krieg zu wenige Fahrgäste Lust auf eine Runde über den Prater hatten. Heute kann man die Gondeln auch als Ganzes mieten – für Hochzeiten, Feiern oder für ein Dinner mit Aussicht. Als Schauplatz einer waghalsigen Aktion diente es 1914: Die Artistin Solange d’Atalide fuhr eine Runde auf dem Dach einer Gondel – auf einem Pferd sitzend. Und für den Spionage-Klassiker „Der dritte Mann“ war das Riesenrad ebenso Drehort wie für den James-Bond-Streifen „Der Hauch des Todes“.
Es sieht aus wie eine 1:1-Kopie des „Ferris Wheel“ von Chicago (rechts). Der erste Eigentümer, der britische Marineoffizier Walter Basset, hatte das Patent erworben und das Rad bauen lassen (unten). Zwei Motoren mit 15 Kilowatt treiben über Riemen zwei Schwungräder an. Ein ausgeklügeltes Kraftübertragungssystem macht es möglich, dass das Rad im Notfall sogar per Hand gedreht werden kann. Es dreht sich mit maximal 2,7 Kilometer pro Stunde, eine pausenlose Umdrehung dauert gute vier Minuten.
15 Millionen Menschen jährlich besuchen Disneyland in Anaheim, Kalifornien. Der „Paradise Pier“ im Adventure Park wurde an einem künstlichen See angelegt, das Sonnenrad mit seinen Gondeln spiegelt sich im Wasser.
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