Verborgene Welten: Neue Perspektiven im Leopold Museum

Adolf Ost, Geistererscheinung, vor 1864
Zwei außergewöhnliche Ausstellungen eröffnen im Leopold Museum faszinierende Blicke auf das Sichtbare und das Unsichtbare.

Kunst ist immer auch eine Einladung, über das Offensichtliche hinauszublicken – dorthin, wo Fragen nach Sinn, Wahrnehmung und Erkenntnis beginnen. Das Leopold Museum widmet sich in diesem Herbst gleich zwei Ausstellungen, die auf sehr unterschiedliche Weise das Unsichtbare sichtbar machen: einerseits im Rückblick auf die okkulten und spirituellen Strömungen um 1900, andererseits in zeitgenössischen Licht- und Raumexperimenten, die den Museumsbau selbst in Schwingung versetzen. 

BRIGITTE KOWANZ/EVA SCHLEGEL, Kunstinstallationen im Leopold Museum, Wien, 2025

BRIGITTE KOWANZ/EVA SCHLEGEL, Kunstinstallationen im Leopold Museum, Wien, 2025

Die andere Moderne 

Mit der großen Schau „Verborgene Moderne. Faszination des Okkulten um 1900“ (bis 18. Jänner 2026) rückt das Leopold Museum jene Seite der Moderne in den Mittelpunkt, die sich den rationalen Grenzen der Wissenschaft entzog. Auf Ebene –1 entfaltet sich ein faszinierendes Panorama einer Epoche, in der Kunst, Theosophie und Lebensreform ineinander übergingen. Rund 180 Werke von über 80 Künstler:innen – darunter Egon Schiele, Oskar Kokoschka, František Kupka, Koloman Moser, Edvard Munch und Wassily Kandinsky – erzählen von einer Gesellschaft im Aufbruch, die in Séancen, Vegetarismus und neuer Körperkultur nach Erneuerung suchte. Künstler wie Karl Wilhelm Diefenbach oder Hugo Höppener (Fidus) verbanden Naturkult und Utopie, während Johannes Itten oder seine Wiener Schülerin Marie Cyrenius über die gesteigerte Spiritualität zu abstrahierenden Bildlösungen gelangten. Kuratiert von Matthias Dusini und Ivan Ristić, zeigt die Ausstellung, wie eng Rationalität und Mystik, Fortschritt und Glauben an das Übersinnliche miteinander verflochten waren. „Der okkultistische Hype symbolisiert eine von Widersprüchen zerfurchte Ära, die in Ansätzen durchaus Gemeinsamkeiten mit unserer Zeit aufweist“, betont Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger. 

FERDINAND HODLER, Studie zu Fröhliches Weib, um 1911

FERDINAND HODLER, Studie zu Fröhliches Weib, um 1911

Licht trifft Raum 

Parallel dazu widmet sich „Kowanz. Ortner. Schlegel.“ (bis 11. Jänner 2026) dem kongenialen Zusammenspiel von Brigitte Kowanz, Eva Schlegel und den Architekten Laurids und Manfred Ortner. Anlass ist das fünfjährige Bestehen der MQ Libelle – jener Plattform auf dem Dach des Leopold Museum, die einen spektakulären Blick auf die Prachtbauten der Wiener Ringstraße eröffnet. Im Leopold Museum treten Kowanz’ monumentale Lichtskulptur Expo Line und Schlegels schimmernde Installation Welle der Libelle in einen poetischen Dialog mit der Architektur des Hauses. Kurator Dominik Papst inszeniert ein Wechselspiel von Licht und Raum, das Besucher:innen neue Wahrnehmungsräume eröffnet.
Ob die Suche nach dem Übersinnlichen um 1900 oder die Erforschung von Licht und Raum in der Gegenwart – beide Ausstellungen zeigen, dass Kunst mehr ist als Abbild der Realität: Sie ist ein Medium der Erkenntnis, das das Unsichtbare sichtbar macht.