Unbemerkt und schmerzfrei: Der stille Krebs
Der Van Swieten Saal der MedUni Wien ist voll besetzt. Heute haben sich vor allem Männer hier zum KURIER Gesundheitstalk versammelt. Denn es geht um Männergesundheit, im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Prostata. Die Expertenrunde diskutiert zum Thema Prostatakrebs: Vorsorge, Früherkennung und Therapie. Gemeinsam geht man der Frage nach, warum sich Männer mit der Prostata-Vorsorge so schwertun und warum aber gerade jene entscheidend ist, um die Todesfälle zu minimieren. Durch den Abend führt Moderatorin Gabriele Kuhn.
Unbemerkt und schmerzfrei
Prostatakrebs ist seit 1994 die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Laut Zahlen der Statistik Austria erkranken jährlich 7000 Männer daran (Stand 2024), wobei etwa jeder fünfte Mann an Prostatakrebs stirbt. Der Hauptgrund dafür ist, dass zu wenige Männer zur Vorsorge gehen. „Das Problem ist, dass Prostatakrebs keine Schmerzen verursacht. Beschwerden bemerkt man erst, wenn der Krebs bereits gestreut hat und dann ist er nur schwer behandelbar. Im Gegensatz dazu ist Prostatakrebs in einem frühen Stadium mittlerweile sehr gut therapierbar“, sagt Univ.-Prof. Dr. Shahrokh Shariat von der MedUni Wien und vom AKH Wien. Prostatakrebs tritt in der österreichischen Bevölkerung sogar häufiger auf als Brustkrebs. „Wir gehen davon aus, dass sich die Fälle weltweit bis 2040 sogar verdoppeln werden“, so Shariat. Höchste Zeit, dass sich etwas ändert.
PSA und MRT
Die Vorsteherdrüse hat vor allem die Aufgabe, Samenflüssigkeit zu produzieren, um die Spermien zu schützen. Die Funktion der Prostata wird durch das Hormon Testosteron gesteuert. Die häufigsten Erkrankungen der Prostata sind Prostataentzündung (Prostatitis), Prostatavergrößerung (Benigne Prostatahyperplasie, BPH) und Prostatakrebs (Prostatakarzinom). „Wir appellieren an jeden Mann ab 45 Jahren zum Urologen zu gehen und seine Prostata checken zu lassen“, sagt Mag.a Martina Löwe von der Österreichischen Krebshilfe. Besteht eine familiäre Vorgeschichte wie Brust-, Eierstock- oder Prostatakrebs, dann sollte man sogar schon ab 40 Jahren zur Untersuchung gehen.
Doch das vermeintlich starke Geschlecht ist bekannterweise keines, das gerne zum Arzt geht. „Am häufigsten hören wir: „Warum soll ich zum Doktor gehen, wenn ich mich eh gesund fühle?“, so Löwe. Fatal, wie bereits erläutert. Denn Prostatakrebs ist still und verursacht keine Schmerzen. Hinzu kommt eine bereits veraltete Assoziation mit dem Urologen: die Tastuntersuchung. „Diese war immer eine große Hemmschwelle. Sie hat in der Früherkennung aber keine wesentliche Bedeutung mehr. Jetzt ist der erste Schritt der PSA-Test“, sagt Löwe. Ergibt dieser einen Wert von drei oder höher, folgen weitere Tests. „Der PSA-Test ist nicht krebsspezifisch. Ein erhöhter PSA-Test heißt nicht automatisch Krebs, er kann auch auf eine Vergrößerung oder Entzündung der Prostata hindeuten“, erklärt Shariat. Erst ein MRT und bei Verdacht eine anschließende Biopsie geben Gewissheit. „Allein das PSA-Screening führt zu 30 Prozent weniger Toten“, sagt Shariat.
Neue Erfolge in der Therapie
Eine rechtzeitige Diagnose ist kein Todesurteil. „Heute muss niemand mehr Angst vor Prostatakrebs haben, denn bei rechtzeitiger Vorsorge und Früherkennung sind die Heilungschancen ausgezeichnet. Mit unseren modernen Methoden können wir Tumore frühzeitig und mit großer Sicherheit entdecken, jene identifizieren, die eine Behandlung erfordern, und die Therapie schonend und wirksam durchführen“, sagt Shariat. Zu den häufigsten Therapieformen zählen: Strahlentherapie, Operation und Hormontherapie bzw. eine Kombination aus den erwähnten Methoden. Neue Erfolge erzielt man mit der Nuklearmedizin und den PSMA-Therapien. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn andere Therapien erfolglos waren und der Krebs bereits metastasiert ist.
„Wir können bei der PSMA-Therapie die Strahlung gezielt einsetzen und die Krebszellen abtöten, mit nur minimalen Einwirkungen in die Umgebung. Bei Zweidrittel der metastasierten Patienten können wir den Krebs zurückdrängen oder zumindest anhalten“, sagt Dr. Gregor Schweighofer-Zwink vom Uniklinikum Salzburg. Außerdem ist ein Prostatakarzinom der am meisten individualisierte Tumor. „Der Tumor kann sehr früh erkannt und die Therapien können individuell auf den Patienten zugeschnitten werden. Leider nehmen Männer die Früherkennung zu wenig wahr“, sagt Shariat. Auch die Nebenwirkungen sind dank neuer Therapiemethoden besser geworden. „Inkontinenz gibt es so gut wie keine mehr. Bei der Sexualität hat der Patient noch Gefühl und einen Orgasmus, aber die Erektion leidet oft darunter“, sagt Shariat.
Früherkennung ist die Lösung
Am Ende sind sich die Experten und die Expertin einig, dass es eine Art Früherkennungssystem ähnlich wie bei Brustkrebs geben sollte, bei dem Männer regelmäßig zur Prostatakrebs-Früherkennung eingeladen werden. Zusätzlich sollte mehr Aufklärung zu dem Thema stattfinden bzw. seitens der Politik mehr Strategien für die Männergesundheit entwickelt und umgesetzt werden. Denn Männer liegen beim Gesundheitsbewusstsein ganz klar hinter den Frauen. Ebenso wie bei der Inanspruchnahme der Früherkennung. Shariat: „Die Früherkennung ist die einzige Möglichkeit, diesen Krebs zu bekämpfen.“