Zwischen Himmel und Reisfeld

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Das Boutique-Hotel Suiden Terrasse liegt inmitten der weiten Reisfelder an Japans Westküste. Pritzker-Preisträger Shigeru Ban hat eine einzigartige Anlage in Holzbauweise entworfen. Seine Designstrategie hat er gegenüber dem ubm magazin erläutert.

Das Boutique-Hotel Suiden Terrasse liegt inmitten der weiten Reisfelder an Japans Westküste. Pritzker-Preisträger Shigeru Ban hat eine einzigartige Anlage in Holzbauweise entworfen. Seine Designstrategie hat er gegenüber dem ubm magazin erläutert.

Rund um die Shonai-Ebene in der Provinz Yamagata befinden sich drei Berge, die zu den heiligsten Orten Japans zählen. Während Gassan, der höchste Gipfel, für die Vergangenheit steht, symbolisiert Haguro die Gegenwart und Yudono die Zukunft. Der Abfluss der Schneeschmelze speist die üppigen Reisfelder in der fruchtbaren Ebene, die zwischen dem Meer und den Bergen liegt. Inmitten dieser Reisfelder, scheinbar in der Schwebe zwischen der spiegelglatten Oberfläche der gefluteten Felder und dem weiten Himmel darüber, befindet sich das Hotel Suiden Terrasse. Entworfen und geplant vom japanischen Pritzker-Preisträger Shigeru Ban entstand ein Ort, der mit herkömmlichen Boutique-Hotels nur wenig gemeinsam hat.

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Das Interieur der Zimmer ist bewusst schlicht gehalten, der eigentliche Blickfang sind die Reisfelder.

Mein Ziel war es, einen Raum zu schaffen, in dem die Architektur nicht mit der Umgebung konkurriert.

Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger

Statt auf vielen schicken Designmöbeln liegt die Aufmerksamkeit hier vor allem auf einem: der weiten Landschaft, in die die Anlage bedachtsam eingebettet ist. 

Zwei Geschosse über der Landschaft

Die Zimmer des Hotels sind mit allem ausgestattet, was ein Gast so braucht, aber in ihrer Materialität und Wirkung sehr spartanisch gehalten.

Über das Designkonzept der Wohnbereiche sagt Shigeru Ban gegenüber dem ubm magazin: „Die Hotelzimmer sind in schlichter Holzrahmenbauweise konzipiert und bewusst ohne unnötige Dekoration gestaltet. Mein Ziel war es, einen Raum zu schaffen, in dem die Architektur nicht mit der Umgebung konkurriert. Der Blick auf das Reisfeld ist die Dekoration und der eigentliche Blickfang.“

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Das Haupthaus wird von einem origamiartig gefalteten Dach überspannt.

Um die Schönheit des gefalteten Holzdaches zu unterstreichen, entwarf ich einen schlanken Stahlrahmen, der das Dach mit der übrigen Struktur verbindet.

Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger
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Die speziell kuratierte Bibliothek ist für alle frei zugänglich.

Um mit der Bebauung den Maßstab in dieser spiegelnden Ebene nicht zu sprengen, ragt das Boutique-Hotel maximal zwei Geschosse über die Landschaft hinaus. Dabei sind die einzelnen Funktionen in unterschiedliche Baukörper aufgeteilt: das Haupthaus mit Lobby und den Gemeinschaftsbereichen, ein Badehaus und drei Wohntrakte mit insgesamt 150 Zimmern.

Von Natur aus nachhaltig

Wie in allen Projekten von Shigeru Ban ist die Nachhaltigkeit keine aufgesetzte Prämisse, sondern eine Folge seiner ganzheitlichen Herangehensweise, wie er erklärt: „Meine Designstrategie ist seit jeher dieselbe. Ich konzentriere mich darauf, die vorhandenen Gegebenheiten des Standorts optimal zu nutzen. Ich beobachte die Umgebung und reagiere darauf. In diesem Projekt hieß das, Ja zu sagen zu dem, was bereits da war, wie das Reisfeld, und es zum Impulsgeber für das Gesamtkonzept zu machen. Dieser Ansatz fördert die Nachhaltigkeit, indem er mit dem Ort arbeitet, anstatt gegen ihn.“

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Die Bauherrschaft wollte das Reisfeld um das Hotel ursprünglich stilllegen, doch Shigeru Ban machte es zum zentralen Impulsgeber für das Gestaltungskonzept.

Obwohl sein Auftraggeber ursprünglich verlangte, das Reisfeld auf dem Grundstück stillzulegen, konnte Ban durchsetzen, dass es erhalten blieb. Das sei ihm ein großes Anliegen gewesen, denn er wollte die Jahrtausende alte Kulturlandschaft in ihrer jahreszeitlichen Abfolge miteinbeziehen. 

Das Reisfeld ist zu einem integralen Bestandteil des Erlebnisses geworden und schafft eine sich ständig wandelnde Verbindung zur Natur.

Shigeru Ban, Architekt und Pritzker-Preisträger

„Das Reisfeld ist zu einem integralen Bestandteil des Erlebnisses geworden und schafft eine sich ständig wandelnde Verbindung zur Natur“, so der 67-jährige Architekt. Seine Vorstellung einer idealen Architektur hat Shigeru Ban bereits in einem ausführlichen Interview mit dem ubm magazin offengelegt.

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Das Dach des Badehauses besteht aus denselben Vierendeel-Trägern wie das Dach des Centre Pompidou-Metz.
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Beim kontemplativen Konzept des Hotels darf ein typisch japanisches Onsen (Thermalbad) natürlich nicht fehlen.

Signature-Konstruktionen á la Shigeru Ban

Alle Kubaturen sind in moderner Holzbauweise errichtet, wobei sich die Konstruktionen jeweils von einander unterscheiden. Das Haupthaus ist auf ein Beton-Pfahlwerk aufgeständert, was den schwebenden Eindruck der Kubatur verstärkt. Der aufgesetzte Holzbau mit einem Erschließungskern aus Beton ist nach innen und außen durchlässig. An der Fassade wechseln sich perforierte Holzwände und Glaselemente im selben Format rhythmisch ab.

Das origamiartige Dach darüber vermittelt eine Leichtigkeit, als wäre es aus Papier gefaltet. „Um die Schönheit des gefalteten Holzdaches zu unterstreichen, entwarf ich einen schlanken Stahlrahmen, der das Dach mit der übrigen Struktur verbindet“, erklärt Shigeru Ban.

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Die Wohntrakte sind über Brückengänge mit dem Haupthaus verbunden.

Das Dach des Badehauses hingegen besteht aus denselben Vierendeel-Trägern in Dreiecks- und Hexagon-Form wie das Dach des Centre Pompidou-Metz. Für diese Zweigstelle des Pariser Kunstmuseums ließ sich der Architekt vom Geflecht eines Strohhutes inspirieren.

Zum immersiven landschaftlichen Erlebnis des Hotels Suiden Terrasse passt auch die Bibliothek. Sie bietet eine Auswahl an Büchern, die ein eigener Book Director speziell für diesen Ort kuratiert hat. Neben den Gästen des Hotels haben auch die Bewohner der nahegelegenen Stadt Tsuruoka sowie alle auf der Durchreise freien Zugang zu den Leseräumen. Der stoische Ausblick auf die Reisfelder der Shonai-Ebene verspricht besondere Entspannung. Denn hier, im Dreh- und Angelpunkt der drei heiligen Berge, halten sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die Waage.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Shigeru Ban Architects

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