Wiens neuer Inselpark

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Mit etwas Verspätung legen in Wien jetzt Schwimmende Gärten an. Landschaftsarchitektin Carla Lo sagt, was die neue Freizeitoase bringt, und wie sich der öffentliche Park in Zeiten des Klimawandels verändert hat.

Blanker Asphalt, hundertfach übersprühte Graffiti-Tags und weit und breit nichts Grünes. Die Gegend rund um den Wiener Nachtclub Flex ist versiegeltes Stadtgebiet. Hier im Donaukanal liegt die ehemalige Kaiserbadschleuse – eine Betoninsel zwischen dem graffitibemalten Ufer auf der einen und dem stark frequentierten Tel Aviv Beach auf der anderen Seite. Die Betonwüste soll nun über den Sommer einer üppig bewachsenen Parkanlage auf dem Wasser weichen. Die Schwimmenden Gärten wurden vom Büro der Landschaftsarchitektin Carla Lo geplant und sind Teil einer städtischen Klimaoffensive.

Projekt mit vielen Auflagen

Die Bebauung der ehemaligen Kaiserbadschleuse war an zahlreiche Auflagen geknüpft. Die Anlage wurde zwischen 1904 und 1907 erbaut und ging bis auf einen Testlauf nie wirklich in Betrieb. Das auf der anderen Seite des Donaukanals liegende Schützenhaus von Stadtplaner Otto Wagner war Teil der Schleusenanlage. „Für das Denkmalschutzamt war es vor allem wichtig, dass der Sichtbezug zum Otto-Wagner-Haus durch die Neugestaltung erhalten bleibt“, sagt Carla Lo über die aufwändige Planungsphase des Projektes.

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Zwischen Holzdecks und Liegen wachsen Bäume, blühende Stauden und Gräser, die dem Klimawandel trotzen.

Die Besucher können aus dem Stadtgeschehen heraustreten und einen neuen Raum erleben, der für sie bislang unzugänglich war.

Carla Lo, Landschaftsarchitektin

Auch wenn es derzeit am gesamten Donaukanal keine Absturzsicherung zum Wasser hin gibt, kommt die neue Freizeitanlage nicht ohne Geländer aus. „Die Einzäunung hat uns am Anfang sehr wehgetan“, erinnert sich Lo, „da wir von einer offenen Kante ausgegangen sind, doch das ist bei einer Neubebauung nicht mehr möglich. Zudem muss die Anlage gegen Hochwasser abgesichert sein.“

Der Mehrwert für die Wiener

Auch mit Abzäunung werden die Schwimmenden Gärten auf dem einstigen Schleusenkörper einen deutlichen Mehrwert für die Stadtbewohner bieten, ist die Architektin überzeugt. „Die Besucher können aus dem Stadtgeschehen heraustreten und einen neuen Raum erleben, der für sie bislang unzugänglich war. Sie können in der Mitte des Kanals stehen, von Wasser umringt und von Bäumen beschattet, die es dort kaum gibt.“

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Vom Planungsbüro Carla Lo stammt der Entwurf der neuen Freizeitoase.

Es wurde ganz bewusst entschieden, die Fläche als konsumfreie Zone zu halten.

Carla Lo, Landschaftsarchitektin

Die neue Parkanlage wird auf einer Fläche von 1.484 Quadratmeter Holzdecks, Pflanzen sowie Sitz- und Liegemöglichkeiten bieten. Von Anfang an stand für die Vertreter der Stadt Wien die öffentliche Nutzbarmachung der Fläche im Vordergrund. Damit gilt das Projekt als eine Art Gegenentwurf zur stark kommerzialisierten Flaniermeile am gegenüberliegenden Ufer. „Der Donaukanal ist bereits überflutet mit gastronomischen Angeboten. Es wurde ganz bewusst entschieden, die Fläche als konsumfreie Zone zu halten“, betont Carla Lo, die auch im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur sitzt.

Offensive gegen den Klimawandel

Neben der Entsiegelung der betonierten Fläche zählt das Projekt auch zur städtischen Offensive gegen die Folgen des Klimawandels. Die Begrünung der Insel soll an Hitzetagen zur Abkühlung der Umgebung beitragen. Mittlerweile ist der Klimawandel in unseren Städten nämlich spürbare Realität geworden. Wer einen Blick in die Wetterstatistik der vergangenen Jahrzehnte wirft, zweifelt nicht am veränderten Klima in der Stadt. Hatte Wien 1956 nur 3 Hitzetage zu verzeichnen – also Temperaturen über 30 Grad –, waren es 2019 bereits 38. Die Frosttage reduzierten sich im Gegenzug von 102 auf 46.

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Mit den Schwimmenden Gärten wird die Kaiserbadschleuse entsiegelt und als öffentlicher Park auf dem Wasser gestaltet.

Grünanlagen wurden in der Vergangenheit zu wenig mitgedacht.

Carla Lo, Landschaftsarchitektin

Hinzu kommt das Phänomen der Heat Islands. Auf stark versiegelten Flächen treten sogenannte Hitzeinseln auf, die bis zu 8-10 Grad höhere Temperaturen aufweisen als ihr Umland. Aus Mangel an freistehenden Flächen verlagert man die Bepflanzung in Metropolen daher immer öfter aufs Wasser, wie zuletzt auch bei den Copenhagen Islands. „Grünanlagen wurden in der Vergangenheit zu wenig mitgedacht“, kritisiert Lo. „Der Klimawandel ist schon lange bei uns angekommen, man hat einfach zu wenig Geld investiert, um die Folgen in den Städten abzufangen.“

Neue Bäume braucht die Stadt

Gewohnte Stadtbäume wie die Linde, die Esche oder die Kastanie werden zusehends aus unserem Stadtbild verschwinden. Sie können den extremen Klimaverhältnissen in der Stadt nicht mehr standhalten und werden anfällig für Schädlingsbefall und Austrocknung. Doch gerade in der Klimaerwärmung sei ein stabiler Pflanzenbestand wichtig, um das Mikroklima in den Städten zu verbessern, wie Lo betont.

Statt in ausgeklügelte Bewässerungsanlagen zu investieren, setzen wir auf eine angepasste Pflanzenverwendung.

Carla Lo, Landschaftsarchitektin

Daher werden vermehrt sogenannte Klimabäume gepflanzt, wie der Zürgelbaum, der Gingko, die Hopfenbuche oder – wie im Fall der Schwimmenden Gärten – resistente Ulmenarten. "Statt in ausgeklügelte Bewässerungsanlagen zu investieren, die eine kostspielige und nicht ressourcenschonende Lösung darstellen, setzen wir auf eine angepasste Pflanzenverwendung", erklärt Lo. In diesem Bereich sind großteils Low-Tech-Lösungen gefragt, die bei möglichst niedrigen Kosten und geringem Pflegeaufwand den Pflanzenbestand in den Städten langfristig sichern.

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Eine bis zu sechs Grad kühlere Umgebung wird der Umbau des Wiener Esterhazy-Parks vom Planungsbüro Carla Lo bringen.

Cooling-Parks und die neue Romantik

Das Planungsbüro von Carla Lo wird auch damit beauftragt, vorhandene Parkanlagen zu sanieren, wie zuletzt den Esterhazy-Park beim Haus des Meeres. Durch Wasserfontänen und Sprühnebel soll der neue Cooling-Park die Umgebungstemperatur um bis zu sechs Grad senken. Doch auch die Gestaltungskonzepte vieler Parks sind längst überholt.

„Früher wurden viele Sträucher und Hecken gepflanzt, um dem Parkbesucher möglichst viel Sichtschutz zu bieten, aber heute muss der öffentliche Park anderen Ansprüchen gerecht werden“, sagt Lo. Die einen nutzen ihn vermehrt zur Sportausübung, und sparen sich den Gang ins Fitnesscenter, die anderen verbringen dort ihre Freizeit, weil der eigene Wohnraum knapp ist.

Auch die Sehnsucht nach einem eigenen Garten kann im Park gestillt werden, nennt Lo einen weiteren Aspekt. „Bei der Bepflanzung herrscht der Ruf nach einer neuen Romantik, nach Blumen und blühenden Sträuchern, die wir zusammen mit Gräsermischungen setzen.“ Zuletzt könne ein Park, der möglichst viele Bedürfnisse abdeckt, auch dazu beitragen, das Verkehrsaufkommen ins Umland zu reduzieren, ist die Architektin überzeugt.

Text: Gertraud GerstFoto: Carla Lo, Landschaftsarchitektur

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