Wenn ein Stall zum Wunschhaus wird

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Wo sich im spanischen Dorf Sasamón früher Schweine suhlten, fühlen sich heute Menschen wohl. Denn das Büro MADE.V arquitectos hat den alten Stall im historischen Zentrum durch geschickte Umnutzung mit neuem Holz-Innenleben beeindruckend verwandelt.

Wo sich im spanischen Dorf Sasamón früher Schweine suhlten, fühlen sich heute Menschen wohl. Denn das Büro MADE.V arquitectos hat den alten Stall im historischen Zentrum durch geschickte Umnutzung mit neuem Holz-Innenleben beeindruckend verwandelt.

So ganz alltäglich war der Wunsch des Kunden eher nicht: Ein ehemaliger Schweinestall im historischen Zentrum des spanischen Dorfes Sasamón (Provinz Burgos) sollte zum kleinen, aber komfortablen Wohnhaus werden. Das ländliche Erscheinungsbild sollte dabei erhalten bleiben und das Gebäude weiterhin zu seinem Umfeld passen. Zugleich galt es jedoch, durch Umnutzung warme, anpassungsfähige und zeitgemäße Räume für modernen Lebensstil zu schaffen.

Kreative Lösung: Ein Haus im Haus

Ein Auftrag, der den Architekten aufs Erste vermutlich einiges abverlangte. Doch die Lösung, die das Team des spanischen Büros MADE.V arquitectos fand, ist ein spannendes Beispiel geschickter Adaption: Die bestehenden Fassaden wurden respektvoll restauriert, ins Innere des Volumens aber eine Holzkonstruktion eingefügt. Anders gesagt: Ins Haus, das einst als Stall diente, wurde ein neues Haus gesetzt, das die Vorstellungen des Auftraggebers erfüllt.

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Wenig Platz, geschickt gelöst: MADE.V arquitectos haben ein neues Haus ...
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... aus Holz in die bestehende Struktur einfügt, das modernen Wohnraum schafft.

In die Struktur des Gebäudes wurde ausschließlich innen eingegriffen. Die Entwurfsstrategie basierte darauf, die Geschichte des Ortes zu bewahren und gleichzeitig eine neue Art des Wohnens zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, wurde der Innenraum vollständig entkernt. Die Lehmwände sind als stille Zeugen der Vergangenheit erhalten geblieben. Ihnen wurde jedoch eine außergewöhnliche, neue Struktur eingefügt: Eine Art „Kasten“ aus Brettschichtholz.

Wohnlicher „Holzkasten“

Dieses „Holzhaus im Haus“ ist an den bestehenden Wänden befestigt und nimmt etwa die Hälfte des verfügbaren Volumens ein. Ein Design, das ein schönes Zusammenspiel von alten und neuen Elementen, von rau und wohlig, massiv und leicht ergibt.

Türen, die Räume flugs verwandeln

Die Zimmer sind durch große Schiebe- und Flügeltüren gegliedert, die aus demselben Holz wie der „Kasten“ gefertigt wurden. Diese Türen können jederzeit je nach Bedarf „verschwinden“. Damit haben die Architekten sowohl für visuelle Harmonie, als auch für größtmögliche Flexibilität gesorgt. Und weil es viele Möglichkeiten gibt, die Räume zueinander zu öffnen oder zu verschließen, bieten die nur 88 Quadratmeter Nutzfläche familientauglichen Komfort.   

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Umnutzung, die Räume flexibel wandelbar macht: Schiebetüren ...
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... öffnen oder trennen die Wohnbereiche je nach Bedarf und Wunsch.

Energieeffizienz stand bei der Umnutzung des früheren Schweinestalls zum Wohnhaus ganz oben auf der Prioritätenliste. Deshalb ist die Innenhülle mit einer durchgehenden Wärmedämmschicht versehen und mit einer leichten Trennwand verkleidet. Dies machte es möglich, den gleichen Einlagenmörtel wie an der Außenseite des Gebäudes zu verwenden, was sowohl thermische Kontinuität, als auch Materialkohärenz gewährleistet.

Lokales Handwerk

Beim komplett erneuerten Dach hat das Team von MADE.V arquitectos zwar das traditionelle Balken- und Sparrenkonstrukt beibehalten. Es wurde allerdings – im Zeichen von Stabilität und struktureller Präzision – ebenfalls aus Brettschichtholz gebaut.

Beim „Holzkasten“, der das Haus im Haus bildet, setzten die Planer auf regionale Handwerkskunst: Die Struktur wurde von einem lokalen Unternehmen in Modulen vorgefertigt. So konnten Transportwege und Auswirkungen auf die Umwelt ebenso reduziert werden wie die Baukosten.

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Außen wie „anno dazumal“, im Stil des historischen Dorfzentrums.
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Innen schlicht, aber wohlig, hell und zeitgemäßen Ansprüchen gerecht.

Die Beschaffenheit der Oberflächen verschafft dem Haus sowohl außen, als auch im Inneren einen angenehm bodenständig-schlichten Eindruck. Denn die Auswahl wurde hier auf die wesentlichen Materialien beschränkt: Sichtbares Holz und durchgehender Mörtel dominieren. Und der transparente Harzboden wurde direkt über die Fußbodenheizungsplatte gegossen. Das Interieur ist sehr reduziert – nahezu spartanisch – gestaltet, strahlt durch seine Holzverkleidungen aber dennoch wohnliche Wärme aus.

Gelungene Umnutzung

All dies und mehr ergibt ein Ambiente, das die Vergangenheit des Gebäudes neu interpretiert, statt sie zu verbergen. Die Umnutzung hat den alten Schweinestall in eine überraschend helle, wandlungsfähige und moderne Wohnung verwandelt. In einem Haus, dessen ländliche Architektur und Einfachheit nun – gepflegt und neu belebt – das historische Umfeld bereichern.

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Mal Wand, mal Durchgang: Das flexible Raumteilungssystem ...
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... macht das Haus im Haus trotz geringer Wohnfläche familientauglich.

Dass durchdachte Umnutzung immense Vorteile hat demonstrieren längst mehrere spannende Großprojekte. So etwa der „Autopalast“ des auf adaptive Re-Use spezialisierten österreichischen Büros smartvoll, das – unter anderem – ein ödes Parkhaus in Salzburg zum schönen Wohnhaus werden lässt. Oder, noch weitaus größer, die vom Pariser Studio Akkerhuis zum modernen Stadtquartier umgestaltete, historische „Meelfabriek“ in Leiden. Und auch was kleine, private Vorhaben betrifft, steigt das Interesse an erhaltendem Umbau statt Abriss zusehends.

Ungewöhnlich, aber beispielhaft

Was MADE.V arquitectos mit ihrem innovativen Konzept beweisen, ist, dass adaptive Re-Use Altbestand sogar dann zum neuen Highlight machen kann, wenn das betreffende Gebäude aufs Erste nicht unbedingt ideal dafür erscheint. Immerhin und wie eingangs erwähnt: Erwartbar und alltäglich ist der Wunsch, sich einen alten Schweinestall zum neuen, komfortablen Domizil zu machen, schließlich ja eher nicht. Geklappt hat’s aber doch. Umnutzung vom Feinsten – mit faszinierendem Ergebnis.

Text: Elisabeth Schneyder Bilder: Javier Bravo / MADE.V arquitectos

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