Vier Spiegelblöcke über Bořislavka

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Wer an der Prager U-Bahn StationBořislavkaein- oder aussteigt, kann ein aktuelles Werk des tschechischen Büros Aulík Fišer architekti bewundern: Vier eigenwillig geformte Blöcke mit spiegelnden Fassaden bilden dort einen glänzenden, multifunktionalen Knotenpunkt.

Die Lage des vierteiligen Mixed-Use Komplexes ist top: Prags neuesBořislavka Zentrum ruht direkt über der gleichnamigen U-Bahn-Station. Obendrein grenzt es an die wichtige Evropská Straße, die das Stadtzentrum mit dem Flughafen verbindet. Der Bauplatz des inzwischen fertigen Projekts konfrontierte das beauftragte BüroAulík Fišer architekti allerdings mit einigen Herausforderungen.

Schwieriges Gelände

Das 17.000 Quadratmeter große Grundstück ist nicht nur schmal und unregelmäßig geformt. Es weist auch einenHöhenunterschied von sieben bis 14 Metern auf. Und es liegt zwischen einem Villenviertel, einer Zone mittelhoher Wohngebäude und – etwas abseits – einer Sozialbausiedlung.

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Unregelmäßige Form, Höhenunterschiede und mehr: Das Grundstück fürs Bořislavka Zentrummachte die Planung schwierig.

Zudem musste der Entwurf der tschechischen Architekten, der beim Wettbewerb ums ProjektBořislavka Zentrum Platz eins errang, eine detaillierte Wunschliste erfüllen. Denn der Bauherr, die KKCG Real Estate Group, hatte genaue Vorstellungen vom optimalen Ergebnis: Es galt, Architektur und öffentlichen Raumeng und funktional zu vernetzen. So, dass der Neubau sowohl Anrainern, als auch Besuchern dient.

Konkrete Anforderungen

Ebenfalls verlangt war selbstbewusstes Design, das auf städtischen Kontext und Umfeld eingeht. Und natürlich Verbesserung des öffentlichen Raums, der Fußgängerwege, des Stadtdesigns und der Landschaftsgestaltung. Nicht zu vergessen: Nachhaltigkeit beim Betrieb des Gebäudes und Büroflächen der Klasse A. Zudem war ein rund 9.000 Quadratmeter großes Nahversorgungszentrum im unteren Teil des Projekts (auf Ebene der Kladenská-Straße) gewünscht. Ebenso, wie obenauf mindestens drei einzelne Volumina mit rund 26.000 Quadratmetern an Büroflächen.

Unsere unternehmerische Vision endet nicht mit guten Investitionen. Wir wollen unsere Projekte aus einer viel breiteren und vor allem langfristigen Perspektive betrachten.

von Petr Pujman, CEO der KKCG Real Estate Group

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Was jetzt nachAulík Fišer architektiPlänen im Prager Stadtteil 6 thront, lässt sich getrost als eindrucksvoll beschreiben. Vier Baukörper mit spiegelnden Fassaden erheben sich auf einem gemeinsamen zweigeschossigen Sockel, dessen Form sich dem schwierigen Bauplatz anpasst.

Einheit aus unterschiedlichen Teilen

Das unregelmäßige Design der vier Teile des Komplexes ist nicht etwa willkürlicher Außengestaltung geschuldet. DasAulík Fišer architektiTeam hat es vielmehr im Sinn der gewünschten Innenaufteilung und Funktion des Projekts konzipiert.

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Komplexes Gefüge auf gemeinsamem Sockel: Das von Aulík Fišer architekti designte Bořislavka Zentrum in Prag 6.

Jedes der vier Volumina ähnelt den anderen und alle sind in einer Komposition miteinander verbunden. Achtsam zusammengesetzt, ergeben sie ein durchlässiges und optisch interessantes Bauwerk. Eines, das mit jedem Positionswechsel des Betrachters sein Aussehen verändert.

Stadtblock-Design, neu gedacht

Die Architekten wollten, wie es in der Projektbeschreibung heißt, „den traditionellen Stadtblock neu erfinden“. So, dass die Qualität des öffentlichen Raums jener des historischen Zentrums entspricht. Aber nicht, ohne aktuelle Anforderungen an ebenfalls qualitätsvolle Innenräume zu erfüllen. Und natürlich mit individueller architektonischer Identität.

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Von Ästhetik und rationeller Raumaufteilung abgesehen, fokussierte dasAulík Fišer architektiTeam auf den Raum um und zwischen den Gebäuden. Der gemeinsame Sockel dient dazu, die unterschiedlichen Höhenlagen der benachbarten Straßen zu berücksichtigen. Zwischen den vier „Kristallen“ eröffnen sich schmale Gassen und kleine Freiräume, die an die öffentlichen Zonen klassischer Stadtzentren erinnern.

Barrierefreier Zugang

Außerdem sah der Entwurf anstelle eines ähnlichen, bestehenden historischen Platzes eine kleine „Piazzetta“ vor. Diese bietet barrierefreien Zugang zum gesamten Komplex und zum Vorraum der U-Bahn-Station.

Die größte Stärke des Entwurfs war, unserer Meinung nach, der Ehrgeiz, die Nachbarschaft zu integrieren und zu verbessern.

von Aulík Fišer architekti

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Dass das Bořislavka Zentrum zu allererst an eine Reihe kühler Bürobauten erinnert, liegt vor allem am technologischkomplexen, vollverglasten Fassadensystem. Doch dieses war, wie die Architekten betonen, die beste Möglichkeit, der Blockkomposition formalen Ausdruck zu verleihen. Die Exaktheit der kristallinen Formen sei nur mittels struktureller Glasfassade erreichbar gewesen.

Geschickt genütztes Tageslicht

Auf ideale Lichtdurchlässigkeit des verwendeten Glases wurde streng geachtet. Damit die eigenwillige Geometrie der Bauten von außen klar erkennbar wird, ohne bei Sonneneinstrahlung zu stark zu blenden. Und zugleich so, dass Tageslicht auch in die tiefer liegenden Arbeitsbereiche des Gebäudes dringen kann.

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Der massive, zweigeschossige Sockel soll dasBořislavka Zentrumoptimal in den städtischen Kontext der Kladenská-Straße integrieren. Auf Straßenebene werden die mit hellem Stein verkleideten Wände durch große Schaufenster unterbrochen. Für die regelmäßigeren, vertikalen Teile der gläsernen Außenhaut wurde eine vorgefertigte modulare Fassade verwendet.

Komplexe Glaskonstruktion

Bei den komplizierteren, winkeligen und dreidimensionalen Teilen entschieden sich die Planer für eine Stecksystem-Fassade. Während der Projektentwicklung testeten die Architekten die schwierigsten Strukturelemente mit Hilfe von 3D-Druckmodelle in Originalgröße.

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Zu den interessantesten Details des Neubaus zählt die Glasdecke zwischen den Trakten I und II. Die öffentlichen Räume desBořislavka Zentrumswerden größtenteils von Tageslicht erhellt. Und sie sind vorm Lärm der Radialstraße Evropská geschützt.

Begrünt, aber „anders“

Während neue Projekte andernorts zusehends mit Begrünung von Umfeld und Fassade bis zum Dach brillieren, fällt diese beim PragerBořislavkaNeubau vergleichsweise spärlich aus. Die Planer setzten auf „eine experimentelle Form der Innenraumbegrünung, die sich von der typischen grünen Wand unterscheidet“.

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Pflanzen, die auf anderen gedeihen: Epiphyten sorgen für etwas Grün im Inneren desBořislavka Zentrums.

Einzelne Trakte sind in stufenförmige Gärten eingebettet, deren Eingangsbereiche und Höfe üppig bepflanzt sind. Dort soll die Vegetation durch die Gebäude hindurch nach oben wachsen.

Stämme drinnen, Bäume draußen

Große, grob behauene Holzstämme werden epiphytische Pflanzen tragen. Sie holen etwas Natur ins Innere des Zentrums. Eine offene Grünanlage mit jungen Bäumen wurde im östlichen Teil des Geländes angelegt.

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Exquisite Details und eigens in Auftrag gegebene Kunstwerke ...
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... zieren das Innenleben des neuen, gemischt genutzten Komplexes.

Mit prachtvoll grünen, klimafreundlichen Stadt-Oasen wie Düsseldorfs „Kö-Bogen 2“ hat Prags neuesBořislavka Zentrum freilich nichts gemein. Zwar steht auch Dachbegrünung auf der Agenda, an mehr ist jedoch nicht gedacht.

Saubere „Kristalle“

Warum’s so ist, erklärt der zuständigeLandschaftsarchitekt Zdeněk Sendler so: „Stärkere Begrünung würde im Fall von Bořislavka der Vision der Architekten zuwiderlaufen. Einzelne Volumina symbolisieren Kristalle. Und Kristalle sind sauber. Im Projekt Bořislavka steht die Größe der Begrünung in harmonischem Verhältnis zum Gesamtentwurf“.

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Darauf, Kunst im Bořislavka Zentrum Raum zu geben, legten die Architekten Wert. Wo eine erste Gruppe von Werken platziert werden würde, stand schon vor Fertigstellung der Bauarbeiten fest.

Bořislavka Zentrum setzt auf Kunst

Einzige Vorgabe für die Künstler war der Standort der jeweiligen Skulptur. Abgesehen davon wurden ihrer gestalterischen Freiheit keine Grenzen gesetzt. Weitere Werke und Installationen folgten. Diese wurden im Zusammenhang mit den bereits bestehenden Objekten ausgewählt und positioniert.

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Handverlesene Werke und Installationen sollen ...
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... auch Kunstinteressierte ins neue Zentrum locken.

Im Außenbereich prangt etwa eine monumentale Installation von Federico Díaz. Die Betonskulpturen wurden mit spezieller Robotertechnik hergestellt. Zu den Objekten gehören auch Wasserspiele, die im Sommer für Abkühlung sorgen. Und es gibt eine Augmented-Reality-Ebene, die Besuchern via mobiler App zugänglich ist.

Tschechische Meister

In der Eingangshalle beeindruckt ein Lichtobjekt aus 120 flachen, verschmolzenen Glasplatten.Überdies kann man im Gebäude unter anderem ein Gemälde von Jan Poupě und – in einem Wasserbecken – 76 Pfosten mit epiphytischen Pflanzen bewundern. Und in den Innenräumen finden sich Werke zeitgenössischer tschechischer Künstler wie Pavel Roučka, František Hodonský, Milan Houser und Jan Kovářík.

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Die Büros im Neubau punkten mit großen Fensterflächen, achtsam gewählten Naturmaterialien und sanften Farben.

Auch wenn die glatten Glasfronten durchaus anderes vermuten ließen: Das Bořislavka Zentrum erfüllt die Voraussetzungen des international anerkannten LEED Gold Zertifikats für Nachhaltigkeit. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem seine Systeme für Regenwassernutzung und Energiemanagement.

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Komfortabler Treffpunkt über der Prager U-Bahn Station Bořislavka: Neue Lokale und Geschäfte laden zu Shopping und Genuss.

Die ersten Geschäfte im vierteiligen Mixed-Used Komplex haben bereits eröffnet. Auf der Website des Zentrums wird auch eine App geboten, die über Events und Sonderangebote informiert. Cafés, Restaurants, Shopping, Büros und eine Tiefgarage locken zu Nutzung und Besuch. Und wer die U-Bahn-Station Bořislavka frequentiert, im oder rund ums Gebäude lebt oder zu tun hat, wird Prags neuen, glänzenden Knotenpunkt wohl sehr zu schätzen wissen.

Text: Elisabeth Schneyder Bilder: BoysPlayNice

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