Urbaner Wohnblock vom Fließband

01-juno-mass-timber-bj-siegel-1024x576
Apples ehemaliger Design-Chef BJ Siegel hat ein Modulhaus-Konzept aus Holz entwickelt. Das urbane Fertighaus namens Juno soll massentauglich produziert werden – und einschlagen wie das iPhone.

Die Idee des Fertigteilhauses entwickelte sich in Europa und in Nordamerika ungefähr zur selben Zeit, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Villa Undine auf Rügen und die Villa Blumenthal in Bad Ischl zählen zu den ältesten Fertighäusern der Welt. Diese kunstvoll verzierten Holzhäuser der Wolgaster Actiengesellschaft markieren den Beginn des industrialisierten Hausbaus. Heute gibt es einen großen Markt für das Eigenheim aus dem Katalog mit zahlreichen Anbietern. Apples ehemaliger Store-Designer BJ Siegel bringt nun im größeren Maßstab den modularen Wohnblock namens Juno heraus.

Im deutschsprachigen Raum sind aktuell 20 bis 30 Prozent aller Ein- und Zweifamilienhäuser in Fertigteilbauweise errichtet. In den USA beträgt der Anteil der Holzsystembauweise bei den Eigenheimen sogar über 90 Prozent. Mit Juno möchte der Startup-Gründer allerdings nicht so sehr die Häuselbauer ansprechen. Vielmehr will er ein massentaugliches Produkt für die Development-Branche liefern. „Juno entwickelt eine End-to-End-Plattform, um den gesamten Immobilien-Development-Prozess zu verbinden und zu streamlinen“, heißt es auf der Website des Anbieters.

Ein Fertighaus wie ein iPhone

Der Architekt will allem voran ein Design liefern, das nicht nach Fertighaus aussieht. Das Modulkonzept soll die Diskrepanz überwinden, die es bislang zwischen individuellem Traumhaus und einem Eigenheim von der Stange gab. Denn noch immer haftet dem Fertighaus der Geschmack von Gleichförmigkeit und Billigware an.

02-juno-mass-timber-bj-siegel
Mit Juno möchte Apples ehemaliger Design-Chef das Fertighaus schöner und massentauglicher machen.

Die Idee hinter dem Ganzen war für uns, ein qualitativ hochwertigeres Produkt zu liefern, das für die Leute erschwinglicher ist.

BJ Siegel, Architekt und Juno-Gründer

Siegel ist davon überzeugt, dass sich ein durchdachtes Fertighaus produktfähig machen lässt wie ein Smart Phone. „Die Idee hinter dem Ganzen war für uns, ein qualitativ hochwertigeres Produkt zu liefern, das für die Leute erschwinglicher ist“, so der Designer gegenüber dem Dezeen-Magazin.

Wenn die Qualität passe, dann würde sich auch niemand daran stoßen, dass sein Haus kein Einzelstück sei, so seine Überlegung. „Wenn man das Produktdesign hernimmt, dann stört es niemanden, dass ein iPhone aussieht wie das andere“, erklärt Siegel. Wiederholung sei etwas, das in der Architektur verpönt sei. „Daher müssen wir etwas designen, das wiederholt werden soll, und das als qualitativ höherwertig akzeptiert wird.“

Eine Packung mit Bauanleitung und Werkzeug

Gemeinsam mit seinem Co-Gründer Jonathan Scherr und dem New Yorker Architekturbüro Ennead Architects hat Siegel ein modulares System aus 33 Komponenten entwickelt. Je nachdem wie diese Grundelemente zusammengesetzt sind, lassen sich unterschiedliche Wohnblöcke damit errichten. Die Produktion der einzelnen Elemente passiert nicht an einem einzelnen Standort, sondern über eine Lieferkette aus unterschiedlichen Fertigungsbetrieben in den USA.

03-juno-mass-timber-bj-siegel-living-room
Juno ermöglicht eine offene Bauweise mit großem Wohnraum.

Geliefert wird das Juno-Haus schließlich in einer "Flachpackung" mit einer entsprechenden Bauanleitung und dem nötigen Werkzeug. Damit können die Fachkräfte das Haus vor Ort zusammenbauen. Zuerst bereiten sie das Fundament entsprechend vor, je nachdem, was der Bauplatz erfordert. Oberhalb der Bodenplatte besteht das Haus aus Massivholz.

Geheimnis um verwendeten Holzbaustoff

Über die genaue Art des verwendeten Holzbaustoffes hüllt sich der Designer noch in Schweigen. Es sei jedenfalls kein CLT, also cross-laminated timber, auf Deutsch Brettsperrholz, das im Modulhaus verbaut werde. „Wir setzten eine andere Art (Holzbaustoff) ein, die, wie wir finden, aus verschiedenen Gründen besser ist als CLT“, so Siegel kryptisch.

Diese Art sei nicht so leicht verfügbar wie CLT und biete den Vorteil, dass „viel weniger Material gebraucht wird“. Vorerst wolle er das Geheimnis des verwendeten Holzbaustoffes aber nicht lüften, so Siegel, da es sich bei dem Wissen um einen Wettbewerbsvorteil handle.

05-juno-mass-timber-bj-siegel-ground-floor
Das Modulhaus Juno wird großteils aus Massivholz gebaut sein.

Die Vorteile von Furnierschichtholz

Für Kenner der Branche liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei dem verwendeten Baustoff um Mass Plywood Panel (MPP, Furnierschichtholz) handelt. Der Hersteller Freres Lumber im US-Bundesstaat Oregon bietet es beispielsweise als Alternative an, „die CLT an Stabilität übertrifft“. Im Gegensatz zur „Baubuche“ des deutschen Furnierschichtholzwerks Pollmeier, besteht das US-Produkt aus dem Nadelholz Douglasie.

Durch diese dezentralisierte Lieferkette können wir auch ein globales Unternehmen werden.

BJ Siegel, Architekt und Juno-Gründer

Laut einer ersten Studie der Oregon State University ist MPP dem Werkstoff CLT technisch überlegen. Es hat ähnliche Festigkeitswerte bei einer gleichzeitigen Materialeinsparung von 20 bis 30 Prozent. Außerdem können Elemente bereits mit Fensteraussparungen und Öffnungen produziert werden, sodass in der Fertigung kein Verschnitt anfällt. Diese ressourcenschonende Vorfertigung soll neben ökologischen auch ökonomische Vorteile bringen.

Baustart für Juno in Austin

Siegel wird das Juno-Haus „zum aktuellen Marktpreis“ herausbringen. Mit dem Start der Massenproduktion „wird der Preis immer weiter sinken“, wie er verspricht. Vor kurzem begann der Bau seines ersten Projektes in Austin, Texas. Dort entsteht ein fünf-geschossiger Block mit 24 Wohneinheiten. Größere Projekte befinden sich derzeit in Seattle und Denver in der Genehmigungsphase.

04-juno-mass-timber-bj-siegel-esstisch600

Sein Modulhaus wird vorerst in den USA vom Fließband laufen, doch Siegel denkt noch größer. „Durch diese dezentralisierte Lieferkette könnten wir auch ein globales Unternehmen werden. Wir könnten Lieferketten in anderen Ländern aufbauen. Und wir könnten dieses Denken auch an anderen Orten anwenden.“

Text: Gertraud Gerst Visualisierungen:Engraff Studio, Juno

Lesen Sie weiter im UBM Magazin, der Plattform für Immobilienwirtschaft, Stadtplanung und Design.

Kommentare