Traumhaus im Scheunen-Look

Schon der Ort, an dem das Projekt entstand, hat einen ganz speziellen Reiz: Der weitläufige Garten gehörte einst zum benachbarten Schloss im südböhmischen Dorf Kamenná Lhota. Die Überreste einer barocken Scheune, Jahrhunderte alte Bäume und eine Steinmauer erinnern an vergangene Zeiten. Ebenso, wie die regionaltypische, traditionell längliche Gebäudeform mit Satteldach und die malerische Landschaft ringsum. Ein Ort, an dem sich Neues am Denkmalschutz und am historischen Kontext orientieren muss. Und genau dies tut das jüngst fertiggestellte Haus Oskar. Auf beeindruckend moderne Art, die es zugleich zum sehenswerten Schmuckstück und zum Wohntraum macht.
Schönheit zum Wohlfühlen
Entworfen hat das schmucke Bauwerk der tschechische Architekt Jan Žaloudek. Dass ihm authentische, kontext-sensible und auf gesundes Wohlbefinden fokussierte Architektur seit jeher am Herzen liegt, kam diesfalls sehr gelegen. Immerhin sollte Haus Oskar zum eigenen neuen Familienwohnsitz werden.


Der Wunsch, den sich Žaloudek und seine Frau, die Kunsthistorikerin und Autorin Jolanta Trojak, erfüllen wollten, war klar definiert: Ein Zuhause, an dem man sich mit der Landschaft verbinden, sich aber auch nach innen zurückziehen kann. Mit Räumen, die zur Ruhe einladen, aber auch die Inspiration wecken. Eine Art Mikrokosmos, der sich – je nach Stimmung und Bedarf – zur Welt vor seinen Toren schließen oder auch weit öffnen lässt.
Gestern & Morgen in Harmonie
Das Design des nun vollendeten Hauses ist von der lokalen Topografie und jenen Einschränkungen geprägt, die seine denkmalgeschützte Lage mit sich bringt. Haus Oskar durfte das nahe Schloss keinesfalls in den Schatten stellen. Also hat Žaloudek sein Projekt behutsam in Landschaft und historischen Kontext eingefügt.
Inspiration bot die Idee einer Kapelle. Eine solche gibt es im Ort selbst zwar nicht. Doch mit diesem Bild im Kopf geriet der Plan des Architekten zu einem überaus harmonischen Mix aus neu und alt, innen und außen, Perfektion und Unvollkommenheit.


Haus Oskar respektiert Süd-Böhmens traditionelle Gebäudeformen und greift dabei auf den Stil lokaler landwirtschaftlicher Bauten zurück. Praktische Notwendigkeiten Letzterer wurden zu nicht minder sinnvollen, zugleich allerdings bestechend schönen Details: Perforiertes Mauerwerk mit Öffnungen für Licht und Luft zählen nun zu den charakteristischen Merkmalen des Wohnhauses. Sie fungieren als Sonnenschutz für die südliche Giebelwand und wurden zur Inspiration für das Muster der hölzernen Sonnenschutzpaneele an den anderen Fassaden.
Nischen als Design-Kunstgriff
Die kompakte Form des Hauses wird an allen Seiten durch Nischen durchbrochen. Ein Design-Kniff, der auf die barocke Morphologie anspielt – und Vorteile bietet. Denn besagte Nischen bilden Eingangsvorräume und Loggien, die flexible Beschattung ermöglichen. Sie unterstützen die Wahlmöglichkeit zwischen vollständiger Öffnung und meditativer Abgrenzung. Und manche schaffen zudem Raum für überraschende Details und Kunstobjekte.


Auch was die Baumaterialien betrifft, hat Architekt Jan Žaloudek den lokalen Charakter der umgebenden Strukturen und der Landschaft in seine Pläne miteinbezogen. Die tragende Struktur besteht aus isoliertem Keramikmauerwerk in Kombination mit Stahlbetonelementen. Die weiße Stuckfassade spiegelt Farbton und Textur der benachbarten Gebäude wider. Das Dach ist mit gebrannten Keramikziegeln gedeckt. Und die Sonnenschutzpaneele bestehen aus weiß getünchter tschechischer Fichte.
Auf „Du und Du“ mit Himmel & Natur
Der Hauptwohnbereich bietet freien Blick auf den Obstgarten. Von dort und auch vom Schlafzimmer aus können die Bewohner den Sonnen- und Mondaufgang genießen. Die Südfassade mit ihrer perforierten Giebelwand und ihrem großen, runden Fenster verbindet den Gemeinschaftsraum mit dem Innenhof und den Scheunenruinen. Und großzügige Öffnungen, die zu Holzterrassen, üppigem Grün und den kühlen, historischen Steinmauern führen, verbinden das Innere des Hauses nahtlos mit dem Außenbereich.


Die Westfassade mit ihrer Eingangsnische schützt das Haus an der zum Dorf gerichteten Seite vor neugierigen Blicken. Eine andere, gewölbte Nische im nördlichen Giebel lässt Licht ins Schlaf- und Badezimmer, erhellt die Wirtschaftsräume, und spiegelt die geschwungenen Formen des nahe gelegenen Barockschlosses wider.
Faszinierende Lichtspiele
Vor zu viel Sonneneinstrahlung bewahren die weißen Holzpaneele. Diese können gar zu helle Räume auch flugs in intim abgeschottete verwandeln – mit eigener Magie, weil ihre Beschaffenheit für faszinierende Licht- und Schattenspiele garantiert. Nachts hingegen strahlen die leuchtenden Nischen in die Landschaft hinaus und verleihen dem Gebäude einen fast märchenbuchhaften Look. im Inneren sorgen minimalistische, weiße Leuchten und japanische Washi-Papierlaternen für angenehmes Licht. Und, wenn gewünscht, liefert ein Feuer im Holzofen des wohnlichen Domizils neben Wärme zusätzliche Helligkeit.


So sehr die äußere Form traditionellen Linien folgt: In Sachen Interieur ist das Haus originell gestaltet. Der Hauptraum überrascht mit einer großzügigen, bis zu sieben Meter hohen Gewölbedecke. Weiße Stuckwände und große Fenster mit Aluminiumrahmen unterstreichen den nahezu ätherischen Charakter. Ein weiterer Verweis auf die von einer Kapelle inspirierte Architektur ist das zwei Meter breite runde Fenster, das den südlichen Giebel durchbricht.
Dining-Altar & Lounge-Zone
Im Zentrum des Innenraums dominiert eine geschwungene Holzküche mit einer Insel aus indischem Shivakashi-Granit, die an einen Kirchenaltar denken lässt. Sie ist das Herzstück des Alltags der Bewohner. Im südlichen Teil des Raums befindet sich ein Essbereich mit einem Eichentisch und Stühlen, über dem eine Madonnen-Holzschnitzerei aus dem 19. Jahrhundert thront. Gegenüber lädt ein langes, von einem Wandteppich aus ungefärbter Schafwolle umrahmtes Sofa zu gemütlicher Entspannung – bei freiem Blick auf den Innenhof und die Scheunenruinen.

Neben dem Hauptwohnbereich umfasst das Erdgeschoss ein Badezimmer, eine Toilette, einen Hauswirtschaftsraum und eines der Schlafzimmer. Im gesamten Haus sorgen von Architekt Žaloudek selbst entworfene, maßgefertigte Holz- und Steinmöbel für spezielles, einheitliches Ambiente. Dazu zählen etwa Massivholzbetten und -schränke und eine extravagante Bank aus schwarzem Granit im Flur.
Kokon für Kreatives unterm Dach
Das obere Stockwerk ist als separate Wohnung mit Atelier, Schlaf- und Badezimmer konzipiert. Im Gegensatz zum Erdgeschoss ist dieser Bereich geschlossen und kokonartig gehalten, um Kontemplation und kreatives Schaffen zu fördern. Kleine Dachfenster beleuchten den weißen, von Nischen und Bögen durchzogenen Raum.


Dass Kunst Jan Žaloudeks Familie, die über eine Sammlung aus verschiedensten Epochen und Ländern verfügt, wichtig ist, zeigt sich schon im Foyer: Dort begrüßt eine zeremonielle Holzmaske aus Gabun die Gäste. Im Hauptwohnbereich ziehen ein aus einem einzigen Stück Holz geschnitzter afrikanischen Hocker und Originalkeramiken des tschechischen Künstlers Martin Hanuš den Blick auf sich.
Haus Oskar lädt zum Kunstgenuss
Auch ein zeitgenössisches Gemälde von Antonie Stanová, Werke von Michal Janiga und Steinskulpturen von Vanda Hvízdalová gibt es zu sehen. Und Exponate wie ein Panneau Japonais aus dem 19. Jahrhundert oder von Isamu Noguchi designte, skulpturale Lampen runden den Kunst-Mix ab.

Benannt hat Žaloudek seinen neuen Wohnsitz nach dem kosmopolitischen Komponisten Oskar Nedbal (1874 – 1930), der im benachbarten Schloss eine seiner bekanntesten Operetten komponierte. Und während andere tschechische Architekten und Bauherren mit ähnlich spannenden Projekten ganz andere Ziele verfolgen, wollen die Eigentümer von Haus Oskar dessen Schönheit gerne teilen. So verwundert es auch nicht, dass es für Events und Workshops offensteht und Künstler sich dort einmieten können.
Denn, wie Žaloudek in seiner Beschreibung betont: „Die Eigentümer freuen sich darauf, eine lebendige Gemeinschaft kreativer und inspirierender Menschen rund um das Haus zu fördern.“
Text: Elisabeth Schneyder Bilder: BoysPlayNice, Hana Knížová
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