Holz gibt den Ton an

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Wie gut der Holzbau zur Transformation von historischem Bestand passt, zeigt das Projekt The Gramophone Works im Westen von London. Mithilfe von österreichischem Holzbau-Knowhow wurde ein musikgeschichtlich bedeutungsvoller Bau aufgestockt und revitalisiert.

Im Old Gramophone Works, einem Backsteinbau aus den frühen 1920er-Jahren am Westlondoner Grand Union Canal, wurde britische Musikgeschichte geschrieben. Das Independent Label Saga Records presste hier in den 1950er-Jahren die ersten Klassik-LPs. Später, mit der Übernahme von Trojan Records, entwickelte sich das Haus zum Epizentrum des europäischen Reggae. Mit dieser Vorgeschichte im Gepäck begann man schließlich vor wenigen Jahren mit der Sanierung und Erweiterung des hundertjährigen Erbes. Entwurf und Planung übernahm das Londoner Studio RHE, das mit The Import Building bereits ein ähnliches Transformationsprojekt vorgelegt hat. Auch im aktuellen Fall setzte das Architekturbüro auf eine Nachverdichtung in Holzrahmenbauweise und schaffte damit eines der größten Holzbauprojekte seiner Art in Großbritannien. „Gramophone Works ist ein Gebäude mit Charakter. Unser Entwurf ist eine vereinfachte, zeitgenössische Hommage an die Geschichte des Bauwerks und sein Umfeld“, erklärt Richard Hywel Evans, der Geschäftsführer von Studio RHE.

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The Old Gramophone Works wurde in Holzrahmenbauweise aufgestockt.

Alt und Neu auf Augenhöhe

Der gestalterische Fokus lag darauf, den historischen Charakter des Gebäudes zu bewahren, und zugleich an die zeitgenössische Architektur anzuknüpfen. Der historische Bestandsbau bildet den Sockel für die aufgestockte Leichtkonstruktion, die das Industriedenkmal stilgerecht ergänzt. Der Brise Soleil, der aus vertikalen Lisenen und horizontal auskragenden Beschattungselementen besteht, weckt industrielle Assoziationen, ohne dabei kühl zu wirken.

Unser Entwurf ist eine vereinfachte, zeitgenössische Hommage an die Geschichte des Bauwerks und sein Umfeld.

Richard Hywel Evans, Geschäftsführer von Studio RHE

Der dafür verwendete Metallwerkstoff, der an die Messing-Trichter alter Grammophone erinnert, bringt warme Töne auf die Fassade. Während er eine farbliche Verbindung zum rötlichen Backstein herstellt, hebt er sich vom blau eingefärbten Sonnenschutzglas in einem spannungsvollen Kontrast ab. Auch die Verglasungen im Bestandsbau sind im selben Material eingefasst, was dem Gebäude ein stimmiges Erscheinungsbild verschafft.

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Die beiden gemauerten Aufzugstürme, die den Altbau an der Straßen- und an der Kanalseite flankieren, hat man erhalten. Die aufgesetzten Glasboxen sind schon von weithin sichtbar und verleihen dem Gebäude einen hohen Wiedererkennungswert. Wie blaue Laternen ragen sie aus der Straßenflucht und markieren eine positive Transformation des musikgeschichtlich bedeutungsvollen Ortes.

Grünes Energiekonzept

Der zweistöckige Bestandsbau wurde auf sechs Ebenen aufgestockt und bietet nun eine räumliche Kapazität für an die 1.000 Arbeitsplätze. Um die Nutzung möglichst breit zu fächern, entstanden zusätzlich Ateliers, ein Café am Kanalufer und ein Veranstaltungssaal. Weil der freie Zugang zu Grünflächen für einen attraktiven Arbeitsplatz heute unerlässlich ist, verfügt das Gebäude über zahlreiche Terrassen mit Blick über den Londoner Stadtteil Kensal Green.

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Das Bürogebäude verfügt über zahlreiche Außenflächen sowie einen Dachgarten.

Um das lichte Raumgefühl, das der Neubau bringt, auch im Altbau umzusetzen, hatte das Architekturbüro viel zu tun. „Die größte Herausforderung war es, den beengten Innenraum zu öffnen und qualitativ hochwertige, lichtdurchflutete Büros zu schaffen“, sagt Evans.

Die größte Herausforderung war es, den beengten Innenraum zu öffnen und qualitativ hochwertige, lichtdurchflutete Büros zu schaffen.

Richard Hywel Evans, Geschäftsführer von Studio RHE

War das hundertjährige Gemäuer mit keinerlei moderner Technik ausgestattet, so verfügt es nach der energetischen Sanierung über die Bewertung „Exzellent“ nach dem britischen Nachhaltigkeitsstandard BREEAM. Um das zu erreichen, setzte man auf die Nutzung von Erdwärme in Kombination mit Beschattungs- und Photovoltaikelementen.

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Die Betonstruktur des zweistöckigen Bestands erlaubte ein Aufstocken auf sechs Geschossebenen.
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Das erweiterte und sanierte Gebäude bietet nun Platz für an die 1.000 Arbeitsplätze.

Holzbau-Knowhow aus Österreich

Für den konstruktiven Holzbau nutzte man Ressourcen und Knowhow aus Österreich, dessen traditionsreiche Holzindustrie zu den produktivsten Europas zählt. Das Tiroler Unternehmen Binderholz lieferte die vorgefertigten Bauelemente, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen. 

„Binderholz Brettsperrholz BBS und Binderholz 3-Schicht-Massivholzplatten binden über 1.000 Tonnen CO2 und leisten so einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz“, wie das Familienunternehmen erklärt. Seit der Übernahme der britischen BSW Timber gilt die Binderholz Gruppe als Europas größter Player im Segment der Sägewerks- und Massivholzverarbeitungsindustrie. 

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Auf die alten Aufzugstürme setzte man Glasboxen auf, die wie blaue Laternen aus der Straßenflucht ragen.

Für seinen Ansatz des klimafreundlichen Bauens wurde The Gramophone Works mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Umweltpreis der New London Awards sowie mit dem Structural Award für „den vorbildlichen Einsatz von Holz im großen Maßstab bei einem Sanierungsprojekt“.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Studio RHE

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