Hoch lebe das Experiment!

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Im neuen LKR Innovation House in Dänemark arbeitet Velux an den Dachfenstern von morgen. Aus einer 30 Jahre alten Lagerhalle wurde ein kreativer Arbeitsplatz. Der Bestandsbau auch Holz erwies sich als sehr flexibel und langlebig.

Dem visionären dänischen Ingenieur und Philanthropen Villum Kann Rasmussen ist es zu verdanken, dass in die dunklen Dachböden der Vergangenheit Licht eingezogen ist. 1942 ließ er das Velux Schwingfenster patentieren, das heute zur Alltagskultur zählt. Zusammen mit den Erfindungen, die noch folgen sollten, revolutionierte er das Wohndesign. Sein Unternehmen VKR Group wuchs zu einem der größten Dachfensterhersteller der Welt heran und zählt heute 17.100 Mitarbeiter in 38 Ländern. Sein Unternehmergeist war stets davon geprägt, technische Innovation mit dem Engagement zu verbinden, das Leben der Menschen zu verbessern. Mit frischer Luft (VE für Ventilation) und mehr Tageslicht (LUX für Licht) wollte er lebenswertere Wohnumgebungen schaffen. Schon sehr früh setzte er auch auf umweltgerechte Konzepte. Bei der Produktentwicklung vertraute er stets auf eine Mentalität des Experimentierens, frei nach dem Motto: „Ein Experiment ist besser als tausend Expertenmeinungen.“ 

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Über 400 Dachfenster öffnen im neuen LKR Innovation House die ehemals dunkle Lagerhalle.

Bis heute sind die humanistische Mission und der experimentelle Ansatz wegweisend für das Unternehmen, das sich komplett im Besitz von gemeinnützigen Stiftungen sowie der Gründerfamilie befindet. Jüngstes Zeugnis dafür ist das LKR Innovation House in der dänischen Stadt Østbirk in Mitteljütland.

Ein Experiment in Holz

1995 als Lagerhalle des Unternehmens in Holzbauweise errichtet, wollte man die Langlebigkeit dieses Naturbaustoffs erproben. Dieses „Experiment in Holz“, wie man den Versuch nannte, zeigt das tief verwurzelte Engagement des Unternehmens für nachhaltiges Bauen. Heute, 30 Jahre später, offenbart sich, wie vorausschauend dieses Experiment tatsächlich war. Während vergleichbare Hallen aus Stahl und Wellblech dann oft schon am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind, erwies sich der Holzbau als flexibel adaptierbare und langlebige Konstruktion.

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Das Bestandgebäude in der dänischen Stadt Østbirk hat durch die Transformation zwei Innenhöfe und zahlreiche neue Grünzonen erhalten.

Nach dem Entwurf von Praksis Arkitekter sollte aus der einst dunklen Lagerhalle ein lebendiges Innovationszentrum werden, in dem an die 500 Mitarbeiter von Velux an der Weiterentwicklung von Dachfenstern und Zubehör arbeiten. Auf 14.000 Quadratmetern beherbergt es jetzt Büros, Werkstätten, Testzentren und Labore. Das Ziel war eine inklusive Arbeitsumgebung, die vielfältige Raumgestaltungen ermöglicht und jene Experimentierkultur fördert, auf der das Unternehmen gegründet ist. 

Ein Gebäude öffnet sich

Wenig überraschend ist aus der Transformation ein Gebäude hervorgegangen, das von frischer Luft und natürlichem Tageslicht geprägt ist. Die größte architektonische Intervention bestand darin, den zuvor sehr introvertierten Baukörper zu öffnen. Dazu wurden zwei Innenhöfe in das Volumen eingeschnitten und intensiv begrünt. Auf diese Weise hat man nicht nur die Innenbereiche des Gebäudes erhellt, es entstanden auch vielfältige Sichtbezüge in den naturnahen Außenraum.

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Nach der Dämmung der Außenwände hat man die ursprüngliche Holzfassade wieder angebracht.
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Mehr als die Hälfte der ursprünglichen Baumaterialien konnten erhalten und wiederverwendet werden.

Da es sich um ein Zentrum handelt, das der Innovation von Dachfenstern gewidmet ist, sollte das Gebäude selbst zum anschaulichen Showcase werden. „Als wir das riesige Dach sahen, dachten wir sofort, wir könnten daraus eine Landschaft aus Velux Dachfenstern machen“, sagt Architektin Mette Tony von Praksis Arkitekter. 387 elektrisch betriebene Schwingfenster, 26 Modular Skylights und zwei Ausstiegsfenster perforieren nun das dreifache Giebeldach. So werden die wechselnden Tages- und Jahreszeiten im Inneren erlebbar.

Transformation statt Abriss

Entsprechend dem Unternehmensgrundsatz der Nachhaltigkeit zog man es vor, ein bestehendes Objekt zu adaptieren anstatt komplett neu zu bauen. Die Architekten versuchten, so viel wie möglich vom Bestand zu erhalten, und konnten damit einen Großteil der grauen Emissionen, die ein Neubau erzeugt, verhindern. 

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Durch die Wiederverwendung und Umnutzung der ursprünglichen Holzkonstruktion konnten wir den ökologischen Fußabdruck des Projekts deutlich reduzieren.

Velux, führender Hersteller von Dachfenstern

Vonseiten der Bauherrschaft Velux heißt es dazu: „Durch die Wiederverwendung und Umnutzung der ursprünglichen Holzkonstruktion und die sorgfältige Auswahl umweltschonender Materialien konnten wir den ökologischen Fußabdruck des Projekts deutlich reduzieren. Jede Designentscheidung spiegelt unseren Anspruch wider, den grünen Wandel anzuführen. Dabei liegt unser Fokus auf natürlicher Belüftung, viel Tageslicht, optimalem Raumklima und verantwortungsvoller Materialbeschaffung.“

4.476 Tonnen Baumaterialien eingespart

Das Resultat dieses zirkulären Ansatzes ist eine beeindruckende Materialbilanz: Mehr als die Hälfte der ursprünglichen Baumaterialien konnten erhalten und wiederverwendet werden. Im Vergleich zu einem Neubau von derselben Größe belaufen sich diese Einsparungen auf rund 55 Prozent, das sind in konkreten Zahlen: 4.476 Tonnen an Baumaterialien.

Der schonende Umgang mit Ressourcen manifestiert sich in einem CO2-Fußabdruck, der weit unter den gesetzlichen Anforderungen liegt. Mit nur 4,6 kg CO2e/m²/Jahr unterbietet das Gebäude die derzeitigen dänischen Vorschriften sowie den ab 2029 geltenden Grenzwert von 6,1 kg CO2e/m²/Jahr.

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Die neu kreierten Innenhöfe sind von naturnahen Landschaften mit Erholungswert geprägt.

Pflastersteine aus Betonwänden

Anstatt die Bestandshalle lediglich als Container für eine gänzlich neue Architektur zu sehen, wollte man den ursprünglichen Charakter der Holzhalle feiern. Dazu zählt auch die originale Holzfassade, die in den 30 Jahren gut gealtert ist. Zur Dämmung der Außenwände wurde sie erst behutsam abmontiert und anschließend wieder angebracht. 

Die Wiederverwendung von Materialien ging auch über den bloßen Erhalt hinaus. Teile der Brettschichtholz-Konstruktion, die für die beiden neuen Innenhöfe entfernt werden mussten, fanden als Möbel oder im Bau von Nebengebäuden eine zweite Bestimmung. Selbst für die inneren Betonwände fand man Verwendung. Aus ihnen wurden Pflastersteine und Möbel für den Außenbereich. 

Dem LKR Innovation House liegt ein Narrativ zugrunde, das sich an den Materialien und Bauteilen ablesen lässt, die in die nächste Nutzungsgeneration hinüber gerettet wurden. Dies reduziert nicht nur schädliche Klimagase, es schafft auch einen einzigartigen Charakter, der sich mit Neuem allein nicht erzeugen lässt.

Text: Gertraud Gerst Fotos: Velux / Adam Mørk

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